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So war der letzte Polizeiruf mit Kommissar Adam Raczek

Nach Maria Simon verlässt auch Lucas Gregorowicz den Brandenburger „Polizeiruf 110“ – mit einem ziemlich harten Fall.

Von Oliver Reinhard
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Schade um das schöne Paar: Nur zwei Folgen lang ermittelten die Kommissare Raczek (Lucas
Gregorowicz, l.) und Ross (André Kaczmarczyk)
gemeinsam. Übrig bleibt vom Team nur der fluide Neuling mit Webpelzkragen.
Schade um das schöne Paar: Nur zwei Folgen lang ermittelten die Kommissare Raczek (Lucas Gregorowicz, l.) und Ross (André Kaczmarczyk) gemeinsam. Übrig bleibt vom Team nur der fluide Neuling mit Webpelzkragen. © RBB

Das sieht zunächst ziemlich öde aus: Wieder mal läuft eine einsame Frau durch die Dunkelheit, wieder mal wird sie verfolgt, wieder mal sagt ein Angehöriger über das Opfer erst „Sie ist ...“ und dann, nach Pause, Zögern und Besinnung „Sie war ...“, und wieder mal liegt die Frau dann wie in der unlängst ausgestrahlten Thrillerserie „Lauchhammer“ am Bergheider See unweit der pittoresken Braunkohle-Förderbrücke F 60 tot in der Lausitz rum. Aber zu früh gegähnt: „Abgrund“ ist ein richtig guter „Polizeiruf 110“.

Zum Glück, denn drei Folgen nach dem Abschied von Maria Simon aus dem deutsch-polnischen Ermittlerteam aus Frankfurt an der Oder und nach nur zwei Folgen mit Neuzugang André Kaczmarczyk verlässt auch Lucas Gregorowicz die legendäre Reihe des RBB. Und etwas anderes als einen bemerkenswerten Abtritt wie diesen hätte der ungewöhnliche Schauspieler nicht verdient. „Sein“ Kommissar Adam Raczek ist schon am Anfang ziemlich am Ende. Aus Raczeks Jobfrust im letzten „Polizeiruf“ ist eine handfeste Depression geworden.

Genderfluider Nachdenker mit Kajal unter den Augen

Er hat Beklemmungen, Atemnot, schläft schlecht oder gar nicht, wirft blisterweise Pillen und ist so dünnhäutig, dass er einen Verdächtigen beinahe zusammenschlägt. Der, so glaubt Raczek, hat die junge Geologin ermordet, die an einem Gutachten arbeitete, das dem Dorf jegliche Chance auf Tourismus vereitelt hätte. Warum er das glaubt? Weil: „Sexuell gestört, Voyeur, Einzelgänger, Arschloch – mir reicht das!“

Seinem Kollegen Ross reicht das natürlich nicht. Er ist eh der Psychologe des Teams, zudem feinnervig und achtsam, ein genderfluider Nachdenker mit Kajal unter den Augen und Webpelz um den Hals. Und Rossens „Psycho-Scheiß“, wie Raczek das nennt, ist arg gefragt. Weil die Drehbuchautoren Peter Dommaschk und Ralf Leuther das düstere Dorf mit einer ganzen Riege Psychos bevölkern.

Von Kommissar Raczek bleiben nur Waffe und Ausweis

Mit fast zu vielen, aber gut, wenn‘s funktioniert – und das tut es. „Abgrund“ ist von Stephan Rick packend und beklemmend erzählt, dunkel funkelnd in braungrünen 70er-Retro-Tönen gestylt, mit mehreren potenziellen Mördern gesegnet, pittoresk zonenrandständig ausgestattet und von einer geradezu biblischen Tragik durchweht.

Die trifft auch Adam Raczek am in jeder Hinsicht harten Ende ins Herz. Dass er sang- und klanglos verschwindet und nur Dienstwaffe und -ausweis hinterlässt, ist für die Zuschauerinnen und Zuschauer absolut nachvollziehbar – und trotzdem schade. Raczek und Ross, das war ein Team, an das man sich sehr gerne gewöhnt hätte.