SZ + Feuilleton
Merken

Ulrich Tukur: „Meine letzte Jeans habe ich verbrannt, als ich 14 war“

Etwas Eleganz muss sein: Ulrich Tukur ist als „Tatort“-Kommissar Murot sehr speziell. Und auch das Konzert, das er samt Band in Dresden gibt, wird aus dem Rahmen fallen.

Von Andy Dallmann
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ulrich Tukur ist zwar als Schauspieler bekannt, doch für ihn selbst hat die Musik oberste Priorität. Und so tourt er auch wieder mit seiner Band und kommt im Januar für ein Konzert nach Dresden.
Ulrich Tukur ist zwar als Schauspieler bekannt, doch für ihn selbst hat die Musik oberste Priorität. Und so tourt er auch wieder mit seiner Band und kommt im Januar für ein Konzert nach Dresden. © Katharina John

Als Schauspieler ist Ulrich Tukur, der 1957 im hessischen Städtchen Viernheim als Ulrich Gerhard Scheurlen geboren wurde, seit den 80er-Jahren erfolgreich. Er spielte in Kinofilmen, TV-Produktionen und am Theater die unterschiedlichsten Rollen, sammelte dafür jede Menge Preise vom Goldenen Bären bis zum Goldenen Ochsen ein. Seit 2009 ist Tukur als „Tatort“-Ermittler Felix Murot im Einsatz. Doch bereits als Student machte er Straßenmusik und ist seit 1995 mit seiner eigenen Band unterwegs, mit der er im Januar nach Dresden kommt. Vorab verrät er im Interview, welche Kunstform ihm am liebsten ist, was für ihn Glück bedeutet und was er sich für 2024 vorgenommen hat.

Herr Tukur, in Ihrem bislang letzten „Tatort“ ging es ums Glück. Was ist für Sie Glück?
Der kurze, magische Moment, der sich plötzlich und unerwartet einstellt und Dir alle Sorgen von den Schultern nimmt.

Könnten Sie sich vorstellen, sich wie im Film mithilfe eines Programms glücklich machen zu lassen?
Nein. Glück kommt von innen. Es ist etwas Zufälliges, Spirituelles und nichts Biochemisches.

Drehbuchautor und Regisseur Florian Gallenberger ließ Ulrich Tukur als Felix Murot davon träumen, als Hitler-Attentäter erfolgreich zu sein.
Drehbuchautor und Regisseur Florian Gallenberger ließ Ulrich Tukur als Felix Murot davon träumen, als Hitler-Attentäter erfolgreich zu sein. © ARD

Ein Glücksmoment für Ihren Kommissar Murot war es, sich selbst als erfolgreichen Hitler-Attentäter zu sehen. War das eine Idee des Drehbuchautors oder kam die von Ihnen?
Die Erschießung des Führers ist Herrn Gallenbergers Kopf entsprungen. Wir hatten sogar vor, aus Hitler im Sturz noch Herrn Putin zu machen. Aber da hat der FSB interveniert.

Die Krimis mit Murot sind meist ziemlich schräg. Kommt Ihnen das entgegen? Oder müssen Sie sich da sehr verstellen?
Im Gegenteil, ich bin das in gewisser Hinsicht selbst. Ich habe von Anfang sehr darauf geachtet, wie sich die Figur entwickelt und wohin sie läuft. Es war und ist der Versuch, einen Charakter zu schaffen, der sich im Widerspruch zur Welt befindet, vor allem zu dem, was die Menschen aus ihr machen, der mit dem Leben hadert, aber trotzdem versucht, einigermaßen würdevoll zu bestehen.

Dürfen Sie verraten, wann Sie mit welchem Plot wiederzusehen sein werden?
Die nächste Episode läuft eben gerade durch die letzten Prozesse der Postproduktion, hat aber noch keinen Sendeplatz. Soviel sei verraten: Der Film spielt bis auf eine kontemporäre Rahmenhandlung komplett im Schreckensjahr 1944.

Ulrich Tukur und seine Band spielen neben eigenen Songs auch italienische und französische Schlager.
Ulrich Tukur und seine Band spielen neben eigenen Songs auch italienische und französische Schlager. © PR

Sie sind nicht nur Schauspieler. Sie haben einen Roman verfasst und sind regelmäßig als Frontmann Ihrer Band auf Tour? Haben Sie dennoch eine Lieblingskunstform?
Die Musik. Mit dem Klavier fing alles an. Dann habe ich mich mit zehn, elf Jahren in den Jazz verliebt und bin von dieser Art Musik nicht mehr losgekommen. Über Straßenmusik, von der ich während meiner Tübinger Studentenzeit lebte, kam ich eher zufällig zum Theater.

Was reizt Sie speziell am Musikmachen?
Wenn es swingt, wenn es groovt, bist Du im Himmel. Nichts läuft über den Kopf, alles geht von Herz zu Herz.

Ist es anstrengender, sich auf eine Tour vorzubereiten oder auf eine neue Rolle?
Eine Tour vorzubereiten ist eine komplexe Sache. Ich suche ein Thema, die passenden Lieder, mache die Gesangs- und Instrumentalarrangements zusammen mit den Boys, überlege mir verbindende Texte und anderen Blödsinn, wie Tanzeinlagen für den hünenhaften Bassisten und den winzigen Schlagzeuger. Eine Rolle einzustudieren ist hingegen eher eine Fleißsache.

Im Film können Sie eine Szene so lange wiederholen, bis sie perfekt ist. Auf der Bühne müssen Sie immer auf den Punkt abliefern. Ist das für Sie purer Stress oder kickt Sie das eher?
Die Filmschauspielerei ist in ihrer Abgesichertheit eher langweilig. Der Witz in der Kunst ist das Risiko, wie übrigens auch im Leben. Ich liefere auch nichts auf den Punkt ab, sondern suche den magischen Moment, in dem alles möglich scheint, die Finger leicht über die Tastatur hüpfen und einem die Gedanken nur so zufliegen.

Haben Sie es live schon mal richtig vermasselt?
O ja, vor langer Zeit mit meiner ersten Band. Wir spielten auf der Geburtstagsfeier eines Bierbrauereibesitzers im Schwarzwald und waren so miserabel, dass uns das Lokalblatt am nächsten Tag in einem Artikel vorwarf, mit unseren albernen Darbietungen ein ansonsten würdevolles Jubiläum ruiniert zu haben.

Ihr Konzert in Dresden wird unter anderem mit den Worten „Erstklassige Instrumente. Vornehme Kleidung. Gutes Auftreten“ beworben. Was davon ist Ihnen besonders wichtig?
Im beginnenden Stadium der körperlichen Auflösung ist vornehme Kleidung sehr wichtig, sie generiert bei aufrechter Körperhaltung auch ein gutes Auftreten. Instrumente sind zu vernachlässigen. Ich habe als Kind auf einem Klavier ohne Tasten gespielt, aber mein Vater hat gesagt, zum Üben, da sei das gut genug.

Würden Sie jemals in Jeans und T-Shirt auf eine Bühne gehen?
Niemals. Meine letzte Jeans habe ich verbrannt, als ich vierzehn war.

Ein Blick zurück auf dieses Jahr: Welche Höhen und Tiefen hatte es für Sie?
Es war ein merkwürdiges Jahr. Ich glaube, wir spüren alle, dass sich die Welt mit ihren alten Gewissheiten auflöst und etwas Neues entsteht, das nichts wirklich Gutes verspricht. Gerade darum sind unsere Konzerte heute so wertvoll, sie sind leicht, poetisch und humorvoll. Unser Wahlspruch: Depression hin oder her, Hauptsache gute Laune.

Haben Sie sich für 2024 schon etwas Konkretes vorgenommen?
Ballast abwerfen, um wieder ein wenig zu schweben, wenn man schon nicht mehr zu Höhenflügen kommt.

  • Das Dresden-Konzert: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys, 9.1., 20 Uhr, Kulturpalast; Tickets gibt’s in allen DDV-Lokalen und online hier.