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Warum Freitals Baustellen immer teurer werden

Die Baupreise steigen, die Stadträte können nur reagieren, die Handwerker heben die Hände. Ist ein Ende der Preisspirale in Sicht?

Von Annett Heyse
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Düstere Aussichten: Auf Freitals Baustellen, wie hier die Lessingschule, explodieren die Kosten.
Düstere Aussichten: Auf Freitals Baustellen, wie hier die Lessingschule, explodieren die Kosten. © Karl-Ludwig Oberthür

Für regelmäßige Beobachter im Freitaler Stadtrat gleicht es schon einem Ritual: Mit schöner Regelmäßigkeit informiert die Stadtverwaltung über die Kostensteigerungen auf ihren Baustellen. Ebenso regelmäßig hagelt es Kritik. Vor allem Andreas Just (AfD) rügt die Entwicklung der Preise immer wieder.

Und genauso regelmäßig erläutert Oberbürgermeister Uwe Rumberg (Konservative Mitte), man könne daran leider nichts ändern. Die Pandemie, der Fachkräftemangel und die allgemeinen Teuerungen seien Ursache für die Kostenexplosionen.

Und die sind gewaltig. Jüngstes Beispiel ist dafür die Erweiterung der Lessingschule. Dort wird seit gut einem Jahr ein Anbau errichtet, um mehr Platz für die Grundschüler zu schaffen. Die Kostenschätzung lag bei 4,1 Millionen Euro. Das war im Frühjahr 2020. Dann korrigierte die Stadt im Juli 2021 die Summe auf 4,4 Millionen noch oben. Nun liegt man bei 5,2 Millionen Euro. Das sind 25 Prozent mehr als zunächst berechnet.

Und die Baustelle ist noch längst nicht beendet, eine weitere Kostensteigerung nicht also nicht auszuschließen. Die SZ hat sich die Hintergründe näher angeschaut.

Grund 1: Langer Planungsvorlauf

Die Liste kann man locker fortsetzen. Die Sanierung der Ballsäle Coßmannsdorf sollte ursprünglich vier Millionen Euro kosten. Letzter Stand im Frühjahr 2022: 6,3 Millionen Euro.

Die Sanierung und Erweiterung der Geschwister-Scholl-Oberschule in Hainsberg lief kostenmäßig ebenfalls aus dem Ruder. Von den ursprünglich angesetzten neun Millionen Euro stiegen die Ausgaben auf rund 10,4 Millionen Euro.

Die Gründe sind vielfältig. Da wäre zum einen der Planungsvorlauf. Ein Objekt wie eine Schulsanierung oder auch ein Straßenbau wird über Jahre vorbereitet. Es gibt zunächst eine Vorplanung inklusive grober Kostenschätzung. Dann folgt die Entwurfsplanung, bei der die Baukosten schon genauer eingegrenzt werden. In der Genehmigungsplanung schließlich wird die Summe beziffert.

Doch bis Fördermittelanträge bewilligt sind, dauert es. Mitunter vergehen Jahre. Demzufolge können dann in der Ausführungsplanung kurz vor dem Baubeginn schon wieder ganz andere Baukosten stehen. Mit diesen Werten geht es in die Ausschreibung und anschließend in die Vergabe.

Dort folgte in den vergangenen Monaten oft das böse Erwachen. Denn es kamen kaum Angebote rein, oft lagen diese dann auch noch über den kalkulierten Baukosten.

Grund 2: Material, Energie, Löhne steigen gleichzeitig

Warum das so ist, könnten sicher einige Geschäftsführer von Baufirmen erklären, die häufig für die Stadt Freital arbeiten. Doch in der Branche herrscht nervöses Schweigen. Man wolle da lieber nicht falsch verstanden werden, die Sache sei kompliziert und man sage deshalb nichts, heißt es auf Nachfrage bei mehreren Betrieben. Keiner möchte der Buhmann sein.

Einer spricht dann trotzdem, aber nur anonym. Seine Kosten seien auch massiv gestiegen, sagt der Inhaber eines Freitaler Bauunternehmens. "Baumaterialien, Leihmaschinen, Löhne der Angestellten, Reparaturkosten für Fahrzeuge, Energie", zählt der Mann auf. "Das muss ich auf den Preis umlegen, sonst kann ich irgendwann Insolvenz anmelden."

Für Baustoffe beispielsweise gebe es oft nur Tagespreise, es sei wie an der Börse. "Das kann man gar nicht mehr seriös im Voraus kalkulieren." Und das gehe jetzt schon fast drei Jahre so.

Das Statistische Bundesamt gibt allein für den Zeitraum November 2021 zu November 2022 eine Kostensteigerung für den Bau von Gebäuden zwischen 17 und 18 Prozent an. Im Jahr zuvor lag die Preisentwicklung am Bau bei drei bis sechs Prozent.

Grund 3: Bau einstellen, ist auch keine Alternative

Die Stadt als Auftraggeber steht dabei am Anfang der Nahrungskette. Doch was soll man im Rathaus machen? Eine Baustelle wie die Ballsäle könnte man noch stoppen. Es ist ein Prestigeobjekt, eine Herzensangelegenheit. Ein solches Stadtteilzentrum für Kultur, Gastronomie, Veranstaltungen, Freizeit kann man als Stadt haben - muss es aber nicht.

Eine Schule hingegen wird gebraucht. Das trifft ebenso auf andere öffentliche Bauwerke zu. Straßen zum Beispiel, Kindergärten, Sportplätze. Man kann eine Sanierung oder einen Ausbau nicht einfach abbrechen und warten, bis sich die Situation beruhigt hat. Es gibt Verträge, Fördermittel, Fristen. Die Stadt muss die Preisentwicklung in Kauf nehmen, eine andere Möglichkeit hat sie nicht.

Und so nahmen Freitals Stadträte die Hiobsbotschaft zur Lessingschule klaglos hin. Sie beschlossen, für den Anbau mehr Geld zur Verfügung zu stellen.