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Nach 61 Jahren als Mieter: Freitaler hat Ärger bei Wohnungsübergabe

Udo Kannegießer muss nacharbeiten. Er fühlt sich zu Unrecht genötigt, alles auf Hochglanz zu bringen. Ist das rechtens?, fragt er sich.

Von Annett Heyse
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Hier an der Oberhausener Straße spielt sich der Ärger um eine Wohnungsübergabe ab.
Hier an der Oberhausener Straße spielt sich der Ärger um eine Wohnungsübergabe ab. © Karl-Ludwig Oberthür

Die Wohnung, die viele Jahre auch sein eigenes Zuhause war, liegt im ersten Stock. Mittlere Tür, 49 Quadratmeter, zwei Wohnräume, Küche, Bad, Blick nach hinten raus auf das Hainsberger Vorholz. Udo Kannegießer ist in dieser Wohnung an der Oberhausener Straße in Freital groß geworden.

Jetzt ist es seine Aufgabe, die Wohnung zu übergeben. Und genau dabei hat er Ärger. Es geht um Dübellöcher, leicht verschmutzte Heizkörper, Staub auf dem Fliesenspiegel. Kleinigkeiten auf den ersten Blick, aber Udo Kannegießer ist anderer Meinung. "Es ist sinnlose Arbeit, weil der Vermieter genau weiß, dass das alles wieder schmutzig wird", sagt er. Und er schätzt, er sei nicht der einzige mit einem derartigen Problem.

Als seine Eltern 1963 einzogen, waren die Häuser gerade neu errichtet. Viele Jahrzehnte passierte, rein baulich betrachtet, in den Wohnungen nicht viel. Erst 1996 erfolgte eine Modernisierung. Die Kohleöfen wichen einer modernen Heizungsanlage, Bäder wurden gefliest, neue Fenster eingebaut. Udo Kannegießer zählt auf, was seine Eltern darüber hinaus alles selbst gemacht und finanziert haben. Sie bauten eine Schiebetür fürs Wohnzimmer ein, verlegten Teppichböden und später Laminat, um das abgewetzte Linoleum zu verdecken und verblendeten die Decken mit dekorativen Styroporplatten. "Vom Vermieter kam da nichts weiter, wir haben uns um alles selbst gekümmert, so wie viele andere Mieter auch."

Längere Mängelliste bei Wohnungsabnahme

Die Häuser an der Oberhausener Straße gehören der Freitaler Wohnungsgenossenschaft Gewo. Die schickte Anfang Februar eine Mitarbeiterin vorbei, gemeinsam ging man durch die Wohnung Kannegießer und besprach die Übergabe. In einem Vorab-Protokoll wurde unter anderem vermerkt, was entfernt werden muss - grundsätzlich alles, was selbst in der Wohnung angebracht wurde. Nicht aufgeführt wurden Dübellöcher oder andere Bohrungen. Nicht aufgeführt wurde die Reinigung von Heizkörpern. "Wir sind von besenrein ausgegangen", sagt Udo Kannegießer.

Als am 27. Februar die eigentliche Abnahme erfolgte, bekam Udo Kannegießer eine längere Mängelliste überreicht. Ihn ärgert vor allem der Ton, den die Genossenschaft anschlug. "Wir gewähren Ihnen eine Frist von zehn Tagen zur Durchführung der Reinigungsarbeiten und Kleinreparaturen... Wir werden die fachgerechte Durchführung der Arbeiten kontrollieren", stand da unter anderem geschrieben.

Udo Kannegießer führt ins ehemalige Schlafzimmer seiner Eltern und zeigt zur Decke. Man sieht einige daumengroße Löcher und mehrere Risse. "Die Decke wird doch eh neu verputzt, die Risse kann man doch nicht einfach übermalern. Weshalb soll ich denn die Löcher verschließen?", fragt er sich. Dann zeigt er auf den Heizkörper. Er habe geputzt, aber um den Staub im Inneren der Heizkörper zu entfernen, müsste er die Abdeckungen öffnen. "Ganz ehrlich, ich vergreife mich da nicht dran." Und die Fliesen im Bad? Ja, streicht man mit dem Finger drüber, bemerkt man eine feine Staubschicht, gibt Kannegießer zu. "Wir haben grob gewischt. Das Bad ist 28 Jahre alt. Das wird doch mit Sicherheit erneuert und anschließend erfolgt eine Grundreinigung. Und ich soll hier alles auf Hochglanz bringen?"

Altersbedingte Auszüge werden mehr

Bei der Wohnungsgenossenschaft sieht man die Sache etwas anders. "Die Fliesen im Bad sind in Ordnung und deshalb werden diese auch nicht erneuert. Das macht aus Kostengründen – Badsanierung kostet mittlerweile einen fünfstelligen Betrag – auch gar keinen Sinn, wenn die Fliesen in Ordnung sind", entgegnet Friederike Ebert, Vorstand der Gewo.

Ähnlich verhalte es sich mit den Heizkörpern: "Grobe Verunreinigungen müssen vom Mieter – auch wenn die Wohnung 'besenrein' zu übergeben ist – laut Rechtsprechung entfernt werden." Was Dübellöchern oder andere Bohrungen betrifft, hat man bei der Genossenschaft einen klaren Standpunkt. "Eine rissige, sanierungsbedürftige Decke liegt nicht vor und selbst wenn diese vorläge, würde das Verschließen der großen Löcher separat Geld kosten und dies kann nicht zulasten der anderen Mitglieder der Genossenschaft gehen."

Zwischen 80 und 100 Wohnungen muss die Genossenschaft jährlich für einen Wiederbezug herrichten. Diese Zahl sei zuletzt gestiegen, teilt der Vorstand mit. Der Grund: Altersbedingt seien viele langjährige Mieter ausgezogen.

Rund zwei Millionen Euro nimmt die Genossenschaft jährlich in die Hand, um abgewohnte Mieteinheiten so zu renovieren, dass sie wieder vermietet werden können. Ebert: "Preise sind erheblich in den letzten fünf Jahren gestiegen. Derzeit kosten die durchschnittliche Sanierung einer Zwei-Raum-Wohnung ohne Bad 15.000 Euro und mit Bad ca. 26.000 Euro." Viel Geld, und deshalb achtet die Genossenschaft bei Übergabe auf Kleinigkeiten, bevor sich diese zu einem größeren Posten summieren.

Genossenschaftsanteil steht auf dem Spiel

Und das Mietrecht ist auf der Seite der Genossenschaft. Beim Verein Mieterhilfe Dresden heißt es auf dessen Homepage: "Der Mieter ist im Normalfall dafür zuständig, die Bohrlöcher nach Auszug zu verschließen."

Und was unter 'besenreiner Übergabe' gemeint ist, erläutert die Mieterhilfe so: "Die zu übergebende Mietwohnung muss vollständig ausgeräumt und besenrein hinterlassen werden. Das bedeutet, dass die Wohnung gründlich gereinigt und von persönlichen Gegenständen befreit werden muss."

"Gründlich gereinigt" - Udo Kannegießer kann darüber nur den Kopf schütteln. Er vermutet, dass die Genossenschaft die Wohnung seiner Eltern ordentlich auf Vordermann bringt und das dabei auch viel Dreck entsteht. So müssen beispielsweise die alten Linoleum-Bodenbeläge herausgerissen werden. "Sinnlose Arbeit, die ich hier machen muss", wiederholt er noch einmal. Trotzdem geht es in seinem Fall nicht nur darum, sondern auch den Genossenschaftsanteil. Den gibt es unter Umständen nicht in voller Höhe zurück, sollte die Familie die Wohnung aus Sicht der Genossenschaft mangelhaft übergeben.