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Freital: Mit 96 noch zum Klassentreffen

Marianne Eisfeld-Werner wird von ihren Schülern aus Freital und Höckendorf geschätzt – und heute noch mehrmals im Jahr zu Treffen eingeladen.

Von Dorit Oehme
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Die ehemalige Lehrerin Marianne Eisfeld-Werner (re.) mit ihrer damaligen Schülerin Annelies Mehner im Seniorenzentrum Herbstsonne.
Die ehemalige Lehrerin Marianne Eisfeld-Werner (re.) mit ihrer damaligen Schülerin Annelies Mehner im Seniorenzentrum Herbstsonne. © Egbert Kamprath

Manche meinten, sie müsse nachsitzen. „Doch ich wartete einfach nur in der Klasse, in der Frau Werner ihre letzte Stunde gab. Dann konnte ich mit ihr zusammen durch den Wald nach Borlas zurücklaufen, wo ich wohnte“, erinnert sich Annelies Mehner.

Sie hat ihre einstige Klassenlehrerin vor Kurzem auf einem Klassentreffen im Klingenberger Ortsteil Höckendorf wiedergetroffen. Marianne Eisfeld-Werner ist 96 und lebt seit Februar im DRK-Seniorenheim „Herbstsonne“ in Freital-Hainsberg – unweit ihrer langjährigen Wohnung und letzten Schule.

„Sie war eine besondere Lehrerin und hat uns auch nach der Schule noch viel geholfen, dabei waren die Klassen so groß. Deshalb wollten wir sie nach unserem Treffen einmal vorstellen“, sagt Annelies Mehner.

Aus Dresden, wo sie zuletzt in einem Elektronikbetrieb gearbeitet hat und lebt, hat die 80-Jährige das Schuleinführungsfoto von 1947 mitgebracht. Marianne Eisfeld-Werner hat allein mit dieser Klasse Verantwortung für 42 Mädchen und Jungen und sieht noch ganz jung aus. Sie selbst ist 22, hat aber bis Kriegsende schon in Frankfurt/Oder Lehrerbildung studiert – wie es damals hieß. „Zum Praktikum war ich auch auf der anderen Seite der Stadt, im heutigen Polen“, sagt sie.

Ein historisches Foto von der damaligen Schulklasse.
Ein historisches Foto von der damaligen Schulklasse. © Egbert Kamprath

Ursprünglich stammt sie aus Hermsdorf in Schlesien, einem Ortsteil von Waldenburg - dem jetzigen Wałbrzych . Ihre Eltern waren Schausteller mit gut gehenden Geschäften. „Ich hatte viel Temperament. Meine Jugend war bewegt. Mir ging es gut, als einziges Kind wurde ich verwöhnt. Ich hatte aber auch viele Freunde.“

Die Schule fällt der jungen Marianne leicht, oft gab sie Mitschülern Nachhilfe. Mitunter sogar im Auftrag der Lehrer. Auch nach ihrem Studium setzt sie sich für gleiche Chancen ein. Als sie 1945 in Höckendorf anfängt, möchte die Lehrerin ebenfalls, dass alle im Stoff mitkommen. „Die Kinder aus den Ortsteilen ringsum waren mir wichtig und auch die Flüchtlinge, wie aus den Sudeten oder aus Schlesien.“

Deutsch und Geografie sind die Hauptfächer von Marianne Werner. „Uns hat sie in Erdkunde beigebracht, wie man die Entfernung eines Gewitters berechnet. Das habe ich mir bis heute gemerkt“, sagt Annelies Mehner. Nur an die tollen Nachhilfestunden in der Wohnung ihrer Lehrerin kann sie sich nicht erinnern. „Das müssen andere Jahrgänge gewesen sein.“

Die 96-Jährige verrät: Über 30 Schülerinnen und Schüler seien zu ihr nach Hause gekommen. „Sie saßen auf dem Teppich und überall. Ich hatte auch nur eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Manche kannten die besser als ich.“ Zusammen wurden sogar runde Obstkuchen im Propangasherd gebacken.

Gern erzählte Marianne Werner, die Länderkunde liebte, von ihren oft weiten Reisen. „Aus meiner Kindheit wusste ich auch, dass Kinder viel Bewegung brauchen. Ich bin gern mit meinen Schülern gewandert und in Jugendherbergen gefahren“, sagt sie, die von 1960 bis 1985 dann noch an der Polytechnischen Oberschule in Hainsberg unterrichtete.

Ihr Sohn Uwe Werner, Jahrgang 1954, koordiniert für sie heute, wenn wieder einmal eine Anfrage für ein Klassentreffen kommt. Drei bis vier pro Jahr waren es bisher schon mal im Schnitt. „Er ist mein ganzer Stolz“, sagt Marianne Werner und schiebt schmunzelnd nach: Sie habe ihn aber auch nicht zu straff erzogen.

Begeistert erinnert sie sich auch an ihr großes gemeinsames Sporterlebnis im Rabenauer Grund: an die VII. Weltmeisterschaften im Kanuslalom und die II. WM im Wildwasserrennen im Juli 1961. „Das haben wir live erlebt.“

Mit ihrem Sohn unternimmt sie heute noch regelmäßig kleine Spaziergänge. Dann sehe sie ab und zu einstige Schüler. „Dabei ergibt es sich öfters, dass sie mir auch ihre Kinder und Enkel vorstellen. Darüber freue ich mich sehr.“