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Mit Hut und Leidenschaft: Kreischaer Unternehmer gestorben

Thomas Werner war auch Heimatforscher und Nachfahre einer Strohhutfabrikantenfamilie. Mit 70 Jahren starb er unerwartet. Ein Nachruf.

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Thomas Werner mit historischen Strohhüten aus der Familienproduktion. Das Bild entstand 2014 für einen SZ-Artikel in seinem Büro. Es war früher sein Kinderzimmer.
Thomas Werner mit historischen Strohhüten aus der Familienproduktion. Das Bild entstand 2014 für einen SZ-Artikel in seinem Büro. Es war früher sein Kinderzimmer. © SZ-Archiv

Von Matthias Schildbach

Seit über 150 Jahren ist der Name „Werner“ fest mit der Geschichte Kreischas verbunden. 1868 gründete Carl August Werner die gleichnamige Strohhutfabrik im Ort, die bis 1972 unter der Leitung dessen Enkels Karl Werner in Familienbesitz blieb, bevor die Zwangsverstaatlichung kam.

Thomas Werner, Jahrgang 1951, und Urenkel des Firmengründers, wuchs mit dem Wissen um das Erbe der Strohhutfabrikantenfamilie auf. In seinen Kindertagen erlebte er noch hautnah, wie der ganze Alltag, auch innerhalb der Familie, sich stets um die Firma und die Produktion drehte. Nach dem Studium an der TU Dresden arbeitete Werner von 1975 bis 1982 als Elektronikentwickler und Entwicklungsleiter im VEB Kamerafabrik Freital, 1982 bis 1990 war er Entwicklungsingenieur am renommierten Institut Manfred von Ardenne.

Nach der Wende die Werner GmbH in Kreischa gestartet

In der Zeit der politischen Wende 1990 nutze er die Gunst der Stunde und gründete mit viel Mut das Ingenieurbüro Werner als Dienstleister für Elektronikentwicklung auf dem inzwischen verfallenen Fabrikgelände in Kreischa, ein dreiviertel Jahr später die Werner GmbH.

Der Unternehmergeist früherer Generationen war in Thomas Werner erwacht. 1991 wurden Teile der alten Nebengebäude niedergerissen und völlig neu das „Hotel Kreischaer Hof“ als zweites unternehmerisches Standbein gebaut. Fast 25 Jahre betrieb Familie Werner das Hotel, doch der Gästerückgang drängte 2015 zum Verkauf. Die beiden Firmen Thomas Werners florierten mit mehreren Standorten in Deutschland weiter. Verkauft wird auch im Internet.

Mitbegründer der Kreischaer Geschichtswerkstatt

Mit der eigenen Familiengeschichte und deren Erforschung beschäftigte sich Thomas Werner leidenschaftlich gern und zunehmend professionell. Er sammelte Hüte, Herstellungsmaterialien, Maschinen, Briefpapier, schlichtweg alles, was er aus der Wernerschen Produktion auf Trödel- und Antikmärkten finden konnte. Das damit verbundene Interesse für die Heimat und deren Vergangenheit führte ihn mit Hermine Hofmann (1935-2015), Kreischas verdienter Ortschronistin, zusammen und beide nahmen sich einer Mammut-Aufgabe an: die Erstellung eines Kreischaer Familienbuches. Die hierin investierte Zeit des Abschreibens aller verfügbaren Primärquellen und die Verknüpfung aller Personendaten zu Stammbäumen sind das umfangreichste Projekt, das Thomas Werner betrieb. Und er wusste, dass diese Aufgabe niemals einen Abschluss finden würde, denn man kann es weiter und weiter mit Daten „füttern“.

2018 gründeten wir unter dem Dach der Bürgerstiftung „Wir sind Kreischa!“ eine Geschichtswerkstatt. Deren Aufgabe sollte nicht das althergebracht-definierte Gebiet der klassischen Ortschronisten sein, sondern den ungezwungenen Freiraum mit der Beschäftigung der eigenen lokalen Vergangenheit ermöglichen, auf vielerlei Weise. Thomas Werner war von der ersten Stunde an dabei. Er unterstütze fortwährend Projekte, engagierte sich ideenreich und gestaltete mit. Werner beeindruckte mit seiner Kenntnis um Archivalien, mit seinen Forschungsergebnissen und las problemfrei die alte deutsche Schreibschrift. Wenn er doch einmal beruflich bedingt bei Treffen fehlte, wurde sein Fernbleiben hinterfragt, dann war die Runde nicht vollständig.

Autor von "Ein Kreischaer Strohhut erzählt"

Sein zeitintensives Hobby half vielen Forschenden und Suchenden, stets war er selbstlos bereit, Auskünfte zu geben. Das machte ihn weit über die Kreisgrenzen hinaus zu einem Botschafter seines Heimatortes. Leidenschaftlich engagierte er sich für genealogische Internetportale und half, Datenbanken durch unermüdliches Erfassen, Abschreiben und Fotografieren zu füllen.

Thomas Werner und sein Sohn Marc zur Geschäftsübergabe 2021 in Kreischa. Die Werner GmbH handelt mit Elektronikprodukten.
Thomas Werner und sein Sohn Marc zur Geschäftsübergabe 2021 in Kreischa. Die Werner GmbH handelt mit Elektronikprodukten. © privat

Seine Firma übernahm im letzten Jahr sein Sohn Marc Werner, der nunmehr alleiniger Geschäftsführer ist. Es war ein Moment für Thomas Werner, der ihn sehr stolz machte und den er gern nach außen zeigte. Vater und Sohn durften nur sechs Monate Seite an Seite arbeiten. Thomas Werner verstarb am 27. Dezember 2021 unerwartet im Alter von 70 Jahren. Viele gemeinsame Projekte bleiben unvollendet. Mit ihm ist den Kreischaer Geschichtsinteressierten nicht nur einer der engagiertesten und leidenschaftlichsten Mitstreiter verloren gegangen, sondern auch ein gutmütiger und treuer Freund.

Die von Thomas Werner verfasste Monografie „Ein Kreischaer Strohhut erzählt“ ist nicht nur eine Aufarbeitung der eigenen familiären Strohhutfabrikation in Kreischa, sondern auch der gesamten Strohhutfabrikation im Dresdner Raum. Nicht zuletzt ist es ein ehrendes Gedenken an ihn selbst.

Buchtipp: Thomas Werner „Ein Kreischaer Strohhut erzählt“, 278 Seiten. Erhältlich für 25 Euro in der Bürgerstiftung Kreischa, Haußmannplatz 5, oder im Geschäft Das Besondere, Querstraße 2 in Kreischa.

Der Autor Matthias Schildbach ist selbst Heimatforscher und Urheber von Büchern.