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Osterzgebirge: Sie mögen es sauer, scharf und süß

Beim Tag des traditionellen Handwerks am 15. Oktober sind 16 Betriebe aus dem Osterzgebirge dabei. Unter ihnen einer, den es seit 1936 in Colmnitz gibt.

Von Beate Erler
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Pure Handarbeit: Chefin Ulrike Schneider (vorn) und Mitarbeiterin Linda Hennig bestücken und falten per Hand die neuen Adventskalender mit hauseigenen Produkten von "Essig Schneider".
Pure Handarbeit: Chefin Ulrike Schneider (vorn) und Mitarbeiterin Linda Hennig bestücken und falten per Hand die neuen Adventskalender mit hauseigenen Produkten von "Essig Schneider". © Egbert Kamprath

Sogar einen eigenen Senf haben sie für den Tag des traditionellen Handwerks kreiert. Er heißt „Anno 1910“, weil das Senfrezept aus einem Buch von 1910 stammt. „Da ist Koriander, Piment und Ingwer drin“, sagt Ulrike Schneider, die seit 2007 die Inhaberin der Firma "Essig Schneider" in Colmnitz ist.

Die kleine Senfmühle, die erst seit 2021 im Einsatz ist, wird an diesem Sonntag, dem 15. Oktober, im Hof aufgestellt. Die Besucher können sich dann anschauen, wie die Senfherstellung auf einer traditionellen Mühle mit Mahlsteinen funktioniert. Für die Vorführung kommt das Rezept aus dem Jahr 1910 ebenfalls zum Einsatz. „Wer will, kann sich den Senf dann frisch abgefüllt mitnehmen, aber wir haben auch schon viele Gläser vorbereitet“, sagt Ulrike Schneider.

Der Betrieb, den es seit 1936 in Colmnitz gibt, ist zum vierten Mal beim Handwerkstag dabei. Den organisiert der Tourismusverband Erzgebirge in diesem Jahr bereits zum 24. Mal. Immer am dritten Sonntag im Oktober öffnen Betriebe ihre Werkstätten für die Besucher. „Diesmal sind 112 Teilnehmer aus 75 Gewerken dabei“, sagt Claudia Brödner vom Tourismusverband in Annaberg-Buchholz. Zum Beispiel so seltenes Handwerk wie das Flecht- und Uhrmacherhandwerk, die Zigarrenherstellung oder die Schafwolle-Verarbeitung.

Moderne Mühle, traditionelle Herstellung

In der Region Osterzgebirge öffnen insgesamt 16 Betriebe ihre Werkstätten. Besucher können unter anderem in der Schäferei und Spinnstube von Manja Drutschmann in Reichstädt vorbeischauen, in der Mühle und Bäckerei Bärenhecke, in der Tischlerei Stenzel in Hartmannsdorf oder in der Knox-Räuchermittelherstellung in Mohorn-Grund. Neu mit dabei ist die Imkerei Weise in Hartha.

Auch eine Führung durch die Produktionsräume der Essig- und Senfmanufaktur "Essig Schneider" steht an diesem Sonntag auf dem Programm von Ulrike Schneider. Um die zu erreichen, muss man ein Stück über das Gelände laufen. Die ehemalige Scheune wurde 1940 von Firmengründer Walter Schneider zum Produktionsgebäude umgebaut. Auf den ersten Blick sieht die große Senfmühle, die wiederum aus zwei Mühlen besteht, gar nicht traditionell aus. Kein Wunder, denn mit der Senfproduktion starteten die Schneiders erst 2008.

Gebaut wurde eine Mühle aus Edelstahl mit modernem Know-how. Schließlich stellen die Schneiders jährlich 15 Tonnen Senf her. Auch die Fabrikräume wurden 2013 renoviert, und die alten Holzfässer mussten Neuen aus Edelstahl weichen. Trotzdem wird der Senf hier traditionell und nach alten Rezepten hergestellt. Ulrike Schneider greift nach einem Buch von 1937. „Wir arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie damals“, sagt die 58-Jährige.

Schon als Kind im Betrieb geholfen

Eine Maische aus Wasser, Senfsaat, Essig für die Haltbarkeit und Gewürzen wird angesetzt. Sie muss zwei Tage reifen und kommt dann vom Maischefass in die Senfmühle. Dort wird sie von Mühlsteinen mit jeweils rund 500 Kilogramm Gewicht vermahlen. Für 100 Kilogramm Senf dauert das anderthalb Stunden. Danach muss der fertige Senf noch einmal mindestens ein bis zwei Tage ruhen, bevor er abgefüllt wird. „In den Industriemühlen der großen Hersteller geht es um ganz andere Mengen und Schnelligkeit“, sagt Ulrike Schneider, „dadurch gehen Aromastoffe verloren.“

Schon als Kind hat sie im Betrieb mitgeholfen und zum Beispiel die Essigflaschen mit Stöpseln verschlossen. Als einziges Kind war klar, dass auch sie im Familienbetrieb arbeiten wird. Sie macht ein Wirtschaftsstudium an der Handelshochschule in Leipzig und arbeitet dann festangestellt im elterlichen Betrieb. Als der Vater 2007 überraschend stirbt, übernimmt Ulrike Schneider die Firma von einem Tag auf den nächsten. Ihr Mann und ihr Sohn sind beide gelernte Schmiede, aber helfen oft aus. Zurzeit hat die Firma insgesamt acht Mitarbeiter.

Mehr als mittelscharf und scharf

Doch bei "Essig Schneider" gibt es nicht nur Senf und Essig. Gestartet ist der Familienbetrieb mit einer Senfsorte. Heute werden neun Sorten verkauft: Knoblauchsenf, Chilisenf, Mangosenf und sogar Pfefferkuchensenf. Außerdem Premium-Essige, Öle, Spirituosen und Bioprodukte.

Am Tag des traditionellen Handwerks können die Besucher in einem Workshop ihren eigenen Senf und Essig kreieren. Außerdem gibt es Senfkrustenbrot aus dem Holzbackofen, das man mit Senfkäse belegen und dazu noch einen Senfschnaps trinken kann. In den vergangenen Jahren wollten sich das laut Ulrike Schneider zwischen 1.000 und 1.500 Besucher nicht entgehen lassen.