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Freitals CDU wird durchgeschüttelt

Es war der politische Paukenschlag des Jahres 2020: Oberbürgermeister Uwe Rumberg und acht weitere, teils bekannte Mitglieder treten aus der CDU aus.

Von Annett Heyse
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Schon zur Neujahrsansprache 2020 wirkte Uwe Rumberg sehr nachdenklich. Im Juni gab er seinen Austritt aus der CDU bekannt.
Schon zur Neujahrsansprache 2020 wirkte Uwe Rumberg sehr nachdenklich. Im Juni gab er seinen Austritt aus der CDU bekannt. © Karl-Ludwig Oberthür

Mitunter erinnern Treffen von Parteifreunden an Vereinsabende. Da gibt es den Uwe und den Peter, den Martin und den Jörg - im wahren Leben Oberbürgermeister, Sozialbürgermeister, Schulleiter und Handwerksmeister. Der Innenminister wird als "lieber Roland" begrüßt, man stößt mit Bier zu Bratwurst an und klopft sich kumpelig auf die Schultern. Zumindest war das viele Jahre bei der Freitaler CDU so und so soll es ja auch sein. Doch dieses Jahr war - spätestens Mitte Juni - Schluss mit der freundschaftlichen Atmosphäre.

Zu dem Zeitpunkt wurde bekannt, dass Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg, der Erste Bürgermeister Peter Pfitzenreiter, die Stadträte Martin Rülke und Jörg Müller sowie fünf weitere Männer und Frauen die Freitaler CDU enttäuscht verlassen hatten. Der halbe Vorstand des Stadtverbandes warf hin, mit Pfitzenreiter sogar der CDU-Stadtverbands-Chef. Er war erst wenige Monate zuvor in das Amt gewählt worden.

Heftige Diskussion wegen Corona-Maßnahmen

Die Begründung der CDU-Abtrünnigen ließ nicht lange auf sich warten und sie hatte viel mit den zwei großen Themen der jüngeren Vergangenheit zu tun. Uwe Rumberg, gut 30 Jahre Mitglied der Partei, spannte den Bogen von der Flüchtlingskrise zur Corona-Pandemie.

Direkter Anlass für die Austrittswelle war ein Positionspapier, welches von CDU-Chef Pfitzenreiter in einer Vorstandssitzung eingebracht wurde. Darin wurde in zehn Punkten die Corona-Politik der Bundesregierung sowie der sächsischen Landesregierung kritisiert.

Es wurde unter anderem die "Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit" gefordert. Das bedeutete im Umkehrschluss: Die Unterstützer dieser Position sahen die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland als nicht gegeben an - inakzeptabel für Sachsens Innenminister Roland Wöller, ebenfalls im Vorstand des CDU-Stadtverbandes Freital.

Ihm und anderen CDU-Mitgliedern klang vieles in dem Papier zu sehr nach AfD. Es kam zum offenen Bruch. Rumberg, Pfitzenreiter und die anderen sieben Ausgetretenen beklagten daraufhin eine fehlende Diskussionskultur in der CDU. Meinungsvielfalt sei nicht mehr erwünscht.

Konservative hadern mit der CDU-Parteilinie

Ein halbes Jahr sagt Uwe Rumberg in einem Interview: "Aus meiner Sicht steht die CDU nicht mehr für konservative bürgerliche Werte, wegen denen ich mich viele Jahre in der Partei engagiert hatte." Außerdem habe er zunehmend feststellen müssen, dass kritische Auseinandersetzungen mit Themen, die man auch aus breiten Schichten der Bevölkerung in die Partei hineintragen wollte, nicht gewünscht seien. "Die Stimmen der Basis werden zunehmend weniger gehört oder ernst genommen", sagt Rumberg.

Lebt die CDU in einer eigenen Blase? Ist sie ein abgehobener Bund? Oder hat die Mehrheit der Partei sich in eine politische Richtung bewegt, die viele Konservative nicht mittragen können?

Rumbergs hadern mit der Parteilinie war für politische Beobachter schon länger zu sehen. In der Corona-Krise, die sich auch negativ auf Freitals Wirtschaft, die Steuereinnahmen und den Stadthaushalt auswirkt, war der Leidensdruck für den Oberbürgermeister wohl zu groß geworden.

Neue Fraktion im Stadtrat

Auswirkungen hat die Austrittswelle auch auf den Freitaler Stadtrat. Martin Rülke und Jörg Müller verließen die CDU-Fraktion und gründeten eine neue Fraktion: Freitals konservative Mitte. Ihr schloss sich Sven Heisig an, der als Parteiloser vorher ebenfalls zur CDU-Stadtratsfraktion gehörte.

Derart gerupft, mussten sich die verbliebenen CDUler im Stadtrat neu aufstellen. Die Fraktion besteht jetzt noch aus vier Frauen und einem Mann. Fraktionsvorsitzende ist Jutta Ebert.

Der Trubel um die Austrittswelle hat sich inzwischen etwas gelegt. Der CDU-Stadtverband hat einen neuen Vorstand gewählt und präsentiert sich auf seiner Facebook-Seite als dynamisches Team. Oberbürgermeister Uwe Rumberg wirkt in vielen Situationen befreiter - an Parteiräson muss er nicht mehr denken.

Doch auch ein halbes Jahr später ist seine Enttäuschung über die Umstände der Trennung noch groß. "Wir wurden diskreditiert und es wurde sich noch nicht einmal die Mühe gegeben, sich mit unseren Argumenten auseinander zu setzen", sagt er im Rückblick. Er stehe nach wie vor zu seinem Schritt und habe auch nicht vor, diesen wieder rückgängig zu machen. (mit SZ/tig)

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