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"Freital ist eine Stadt, in der die Dinge noch in Bewegung sind"

Die neue Baubürgermeisterin Josephine Schattanek verteidigt im Interview die Pläne für das Stadtzentrum und spricht über die Verkehrsprobleme.

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Erstmals steht in Freital eine Frau an der Spitze von Bauamt und Stadtplanung: Josephine Schattanek.
Erstmals steht in Freital eine Frau an der Spitze von Bauamt und Stadtplanung: Josephine Schattanek. © Egbert Kamprath

Frau Schattanek, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Eindruck von Freital?

Ja, das war im August 2002, kurz nach der Flut. Ich war damals Studentin in Dresden und bin mit dem Bus nach Freital gefahren. Es sah fürchterlich aus wegen der Hochwasserschäden. Und ich erinnere mich auch an alte Industrieanlagen. Der erste Eindruck war also nicht sehr gut. Seitdem ist jedoch enorm viel passiert.

Inzwischen leben und arbeiten Sie hier seit vielen Jahren. Was schätzen Sie an Freital?

Aufgrund der Kessellage gibt es sehr schöne, vielfältige städtebauliche Räume. Egal, wo man in Freital steht, man sieht immer irgendwo einen grünen Hang. Und Dresden befindet sich vor der Haustür. Freital ist auch eine Stadt, in der Dinge noch in Bewegung sind und wo man Gestaltungsspielraum hat – bisher durchaus auch finanziell.

Sie sind seit einigen Wochen im Amt. Fühlen Sie sich schon eingearbeitet?

Ich arbeite bereits seit Januar 2017 als Amtsleiterin des Stadtplanungsamts und habe meinen jetzigen Amtsvorgänger, Baubürgermeister Jörg-Peter Schautz, zuletzt mehrmals vertreten, auch für längere Zeit. Der Übergang war also nicht so abrupt. Ich führe jetzt übergangsweise das Stadtplanungsamt erst einmal noch weiter, bis die Stelle nachbesetzt ist. Was für mich in dem Umfang neu ist, sind die vielen Abstimmungsrunden, die man als Zweite Bürgermeisterin führt, und die Themen des Stadtbauamtes. Da arbeite ich mich derzeit in die Vorgänge noch ein. Viele Projekte kenne ich zwar, aber eben nicht so detailliert.

In Freital wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten viel gebaut, auch abgerissen und umstrukturiert. Ist – abgesehen vom Stadtzentrum – noch etwas zu erledigen?

Stadtentwicklung ist kein statisches System, das irgendwann abgearbeitet und abgeschlossen ist. Es entwickeln sich immer neue Themen. Ganz konkret betrifft das in Freital zum Beispiel die Innenentwicklung, wo es unter anderem mit dem Goetheplatz, dem Platz der Jugend oder auch der Freifläche gegenüber der Porzelline größere Flächenpotenziale gibt. Aber es geht nicht nur um Neues, sondern auch um den Erhalt, wobei der finanzielle Spielraum dafür sicherlich nicht größer wird. Und wir müssen überlegen, wie wir Parkanlagen, die dem Klimawandel unterliegen, und Plätze als Orte des öffentlichen Lebens zukunftsfähig und unter den gegebenen Rahmenbedingungen weiterentwickeln.

Was sind für die sieben Jahre ihrer Amtszeit die wichtigsten Vorhaben auf Ihrer Liste?

Mit ganz oben steht der Neubau der Feuerwache Döhlen. Aber wichtig ist auch der Erhalt unserer Infrastruktur. Ich meine damit Schulen, Kindergärten, das Kulturhaus, Straßen. Und wir erarbeiten derzeit einen neuen Flächennutzungsplan. Ich weiß, das klingt für Außenstehende oft unverständlich und abstrakt. Aber dahinter steckt viel Arbeit über mehrere Jahre. Es ist ein großes, aufwendiges Werk, die planungsrechtliche Grundlage der Stadt für die nächsten 10 bis 15 Jahre, an dem wir seit 2021 arbeiten und das wir hoffentlich 2025 zur Genehmigung einreichen werden.

Hat Freital ein Verkehrsproblem und braucht es eine weiterführende Umgehungsstraße ab der Hüttenstraße bis zum Ortsausgang?

Freital hat eine hohe Verkehrsbelastung im Tal, da stimme ich zu. Aber der Bau einer Umgehungsstraße geht mit einem hohen finanziellen Aufwand einher. Sagen kann ich, dass im Flächennutzungsplan ein Korridor dafür vorgesehen ist. Aber es gibt einige Herausforderungen: Da wäre zum Beispiel die Kreuzung der Bahntrasse, dann sind auf der Südstraße Wohnlagen betroffen und die Straße muss auch am Edelstahlwerk vorbeigeführt werden. Am Ende wird es eine politische Entscheidung sein, ob man eine solche Straße überhaupt planen und bauen möchte.

Die Dresdner Straße ist nach wie vor laut, abgasbelastet, hoch frequentiert. Der Einzelhandel ist hingegen weitestgehend verschwunden. Wird sich daran noch mal etwas ändern?

Die Zeit der Einkaufstraßen in einer Länge, wie sie die Dresdner Straße hat, ist vorbei. Aber wir versuchen in Teilabschnitten Einfluss zu nehmen, zum Beispiel mit einem Quartiersmanagement in Deuben, Unterstützung der Händler, Mitfinanzierung von Veranstaltungen. In Potschappel haben wir bereits wie an einer Perlenschnur attraktive Orte mit Aufenthaltsqualität entstehen lassen: der Markt, die Sitzecke an der Turnerstraße, der Platz an der Sparkasse. Dadurch schaffen wir einige Rahmenbedingungen für Händler.

Stichwort Stadtzentrum: Sind Sie mit der Entwicklung der Planung eigentlich zufrieden, was den zeitlichen und inhaltlichen Aspekt anbelangt?

Das Stadtzentrum sozusagen als Generationenaufgabe ist ein Bereich, der sich etwa zwischen dem Mühlenpark und der geplanten Feuerwache aufspannt – nicht nur das Areal Sächsischer Wolf. Dieses wiederum ist ein komplexer innerstädtischer Standort, auf den sich viele Anforderungen konzentrieren. Wir müssen uns aber davon lösen, dass sich alles, was man sich vorgestellt und gewünscht hat, am Sächsischen Wolf abspielt. Diese Fläche ist nur ein Puzzleteil. Das Stadtzentrum ist weitaus größer und umfasst eben auch den Neumarkt, das Technologiezentrum, den Mühlenpark und weitere Flächen. Inhaltlich bildet der Plan, der uns vorliegt, das ab, was der Stadtrat mehrheitlich entschieden hat.

Viele Freitaler befürchten, dass Sie ein Einkaufszentrum bekommen, statt ein Stadtzentrum. Teilen Sie die Befürchtungen?

Handel war immer ein zentrales Element von Innenstadtlagen. Und Lebensmittel sowie Drogerieartikel haben im Gegensatz zu den klassischen Innenstadtsortimenten noch steigende Umsätze vor Ort. Wir brauchen dort solche Frequenzbringer. Die Aufgabe wird sein, die Menschen dazu zu bringen, nicht nur mit dem Auto vorzufahren, einzukaufen und wieder wegzufahren. Deshalb arbeiten daran, das Stadtzentrum als Ganzes mitzuentwickeln, also an der Planung eines attraktiven Umfelds mit Wohnen, Arbeiten, Aufenthaltsqualität. Ich befürchte, dass wir mit der Vorverurteilung der geplanten Bebauung dem Stadtzentrum einen Bärendienst erweisen. Deshalb wäre es toll, wenn die Freitaler auch eigene Ideen hätten und das Stadtzentrum als Gesamtes mitgestalten.

Vor Jahren wollte sich Freital um eine Landesgartenschau bewerben. Wird das in den nächsten Jahren noch mal ein Thema?

Eine Landesgartenschau ist ein ganz tolles Instrument der Stadtentwicklung und des Stadtmarketings. Aber das muss man auch wirklich wollen, denn es muss einem klar sein, dass das viel Arbeit ist und Geld kostet, dessen Nutzen nicht 1:1 finanziell messbar ist. Für die letzten Landesgartenschauen wurden mit Fördermitteln 20 bis 30 Millionen Euro eingesetzt. Am besten ginge so etwas interkommunal entlang der Weißeritz. Als Landschaftsarchitektin wäre ich natürlich gern dabei, denn eine Landesgartenschau ist eine nachhaltige, zeitgemäße Art der Stadtentwicklung.

Das Gespräch führte Annett Heyse.