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Tierisch gute Lerneffekte

Auf dem Alpakahof finden Schüchterne und Willensstarke zueinander. Kinder und Kranke profitieren davon.

Von Frank Korn
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Santo (links) und Fabian lassen sich auch vom Regen nicht abhalten, mit den Alpakas zu kuscheln. Für beide Jungs sind es die Lieblingstiere.
Santo (links) und Fabian lassen sich auch vom Regen nicht abhalten, mit den Alpakas zu kuscheln. Für beide Jungs sind es die Lieblingstiere. © Dietmar Thomas

Geringswalde. Voller Vorfreude stürmen Fabian, Santo, Lea und Nena aus dem Auto. Die Viertklässler aus der Heinrich-Hoffmann-Förderschule in Schweikershain sind zu Gast auf dem Alpakahof in Altgeringswalde. Anett Stenzel, die den Hof mit ihrem Mann Ronald führt, fordert die Kinder zum Begrüßungsritual auf. Alle legen die Hände aufeinander und rufen: „Chaka, wo ist denn mein Alpaka.“ Und schon geht es mit einem Eimer Futter auf die Weide. Die Alpakas sind bereits an die Kinder gewöhnt. Sie kommen heran und lassen sich füttern.

Stenzels bieten seit drei Jahren tiergestützte Therapie und Pädagogik an, die auch bei verhaltensauffälligen Kindern angewendet wird. „Wir hatten unsere Ausbildung bei einer sehr liebevollen Lehrerin, die selbst jede Menge Tiere besaß. Von Ratten über Hühner, Enten und Gänse bis hin zu Alpakas. Uns wurde beigebracht, dass man auch mit Kleintieren therapeutisch und pädagogisch arbeiten kann, weil die Tiere ja jeden Tag versorgt werden müssen“, sagt Anett Stenzel. Der spezielle therapeutische Effekt ist, dass die Tiere die Kinder spiegeln. Wenn die Kinder sehr laut sind, sind die Tiere aufgeregt. Sie lassen sich dann oftmals nicht so führen und schon gar nicht anleinen. Dann begreifen die Kinder, ohne großartiges Reden, dass sie erst einmal selbst ruhig werden müssen, um den Zugang zu den Tieren zu finden. „Das Geniale an der Sache ist, dass die Tiere eine Endorphinausschüttung anregen. Gerade die Alpakas haben ja auch so eine Art Kuschelfaktor“, sagt Anett Stenzel.

Die Kinder aus der Schweikershainer Schule kommen im Rahmen eines Ganztagsangebotes einmal in der Woche auf den Alpakahof. „Diese Angebote werden über das Landratsamt gefördert“, erklärt Anett Stenzel. „Die Förderschulen in Rochlitz und Schweikershain bieten verschiedene Dinge an. Wir haben uns da mit eingebracht.“ Gerade für verhaltensauffällige Kinder, die Erziehungshilfe brauchen, sei das eine gute Erfahrung. „Wir packen viel Naturpädagogik mit hinein“, so Stenzel. Dabei stecken die Kinder zum Beispiel Sonnenblumen oder stellen Kräuterbutter her. Ebenso stehen der Bau von Laubhöhlen oder die beliebte Schnitzeljagd auf dem Programm. Die tiergestützte Therapie ist aber nicht nur für verhaltensauffällige Kinder geeignet. „Zu uns kommen auch Selbsthilfegruppen psychisch Kranker“, sagt Anett Stenzel.

Bei der Fütterung fressen die Alpakas aus der Hand. „Das fühlt sich gut an“, sagt Santo. Fabian kuschelt derweil mit Amira. Willig lässt sich das Tier das Halfter anlegen und von dem Jungen führen. Schulsoziologin Melanie Neumann kann eine unmittelbare Wirkung auf die Kinder feststellen. „Sie werden ruhiger, denn wenn sie laut sind, überträgt sich das sofort auf die Tiere“, sagt sie. Die Kinder merken, dass die Tiere Arbeit machen. „Sie sind nicht nur klein und niedlich, sondern sie werden auch größer und erfordern immer Aufmerksamkeit“, so Neumann.

Ein Stück entfernt ist zu beobachten, wie Nena mit Alpaka-Mädchen Elsa „kämpft“. Alpakas können stur sein, das bekommt das Mädchen gerade zu spüren. Offenbar ist es dem Tier gerade alles etwas zu viel. Es lässt sich nicht mehr führen. Nena zerrt zunächst am Halfter, doch erst als sie ruhiger wird, geht das Alpaka wieder mit. Die Kinder erfahren, dass man die Tiere bei jedem Wetter versorgen muss. Sie lernen, mit Gesundheit, Krankheit und manchmal sogar mit Tod umzugehen.

„Im vergangenen Jahr hatten wir eine kleine Stute, die ist nur sechs Tage alt geworden. Die haben sie auch kennengelernt, das war schon dramatisch“, erinnert sich Anett Stenzel. Das Muttertier sei krank geworden, deshalb musste das Kleine mit der Flasche ernährt werden, habe es aber nicht geschafft. Schon oft habe sie die Frage gestellt bekommen, wie denn Alpakas schmecken. „Bei uns kriegen die Tiere Rente, wir schlachten keine“, sage sie dann immer.

Am Anfang gehen die Tiere meist noch auf Distanz. „Wenn sie sich aber an denjenigen gewöhnt haben, dann lassen sie sich auch streicheln und kuscheln mit dem Kind“, so Stenzel. Lustigerweise finde sich immer der entsprechende Partner zum Tier. Wer dominant sei, wähle ein scheues Tier aus. Eher schüchterne Menschen bekommen es dagegen mit einem kräftigen Tier zu tun.