Bei sächsischen Verbraucherschützern melden sich seit Monaten immer wieder Menschen, die durch vermeintlich lukrative Investitionen in digitale Vermögenswerte viel Erspartes verloren haben. Dabei seien Anleger um Summen zwischen 8.000 und 60.000 Euro betrogen worden, sagt Jasmin Trautloft von der Verbraucherzentrale Plauen. Sie sieht ein Muster in den Lockangeboten – und wundert sich über die Risikobereitschaft älterer Leute.
Frau Trautloft, was sind das für Leute, die in Kryptowährungen investieren wollten und dabei Geld verloren haben?
Was mich am meisten überrascht hat, ist deren relativ hohes Alter. Alle Betroffenen waren 50+. Eine ältere Dame saß bei mir, die hatte Probleme, ihren Computer zu starten. Trotzdem hatte sie ein Kryptokonto in Großbritannien. Da fragt man sich: Wie haben diese Leute ihr Konto eröffnet?
Und wie lautet die Antwort?
Die Betrüger haben das Konto für sie eröffnet. Bei der Frau war es so, dass sie Werbung im Internet gesehen und die darin angegebene Nummer gewählt hatte. Danach wurde sie immer wieder von einem „Anlageberater“ angerufen. Um das Kryptokonto eröffnen zu können, musste sie ihm eine Ausweiskopie zuschicken.
Hier müssten eigentlich schon alle Alarmglocken schrillen.
Absolut. Die Leute machen sich aber keine Gedanken darüber, weil sie gerne dieses Konto wollen. Dazu kommt, dass die Berater geschult sind und sehr gut sprechen können. Eines der Opfer sagte, der Ton im Gespräch sei schnell kumpelhaft geworden. Man sei „auf einer Ebene“ gewesen.
Wie geht es nach der Kontoeröffnung weiter?
In einem anderem Fall, der sich schon Anfang 2023 ereignet hat, hatte ein Mann aus Reichenbach in der Oberlausitz dann ein Konto bei blockchain.com. Er hat sein Geld bei einer Firma namens Blockchain Access UK Ltd. angelegt. Daraufhin hat er Links geschickt bekommen, über die er mitverfolgen konnte, wie gut sich seine Anlage angeblich entwickelt. Der Berater hat ihn stetig motiviert, weiteres Geld in Krypto zu investieren.
Welche Gewinne wurden ihm in Aussicht gestellt?
Ihm wurde gesagt, er habe mit den seinen 60.000 Euro rund 79.000 Euro Gewinn erzielt. Um den mitnehmen zu können, müsse er aber 7.900 Euro Steuern zahlen und eine Versicherung in Höhe von 9.100 Dollar abschließen. Die Versicherung sei nötig, damit er auch sicher an sein Geld komme.
Hanebüchen.
Man kann es wirklich nicht glauben. Immerhin ist er an diesem Punkt skeptisch geworden, hat nicht gezahlt und stattdessen die Verbraucherzentrale eingeschaltet.
Das heißt, die Leute werden erst dann skeptisch, wenn sie versuchen, über die vermeintlichen Gewinne zu verfügen?
Ja. Doch wenn die Verbraucher hartnäckiger werden, sind ihre Kontaktpersonen plötzlich nicht mehr erreichbar.
Wie viele Fälle von Krypto-Anlagebetrug haben Sie bisher bearbeitet?
Vergangenes Jahr waren es fünf. Insgesamt sind seit 2022 rund 50 Kryptobetrugsfälle an die Verbraucherzentrale Sachsen herangetragen worden.
Konnten Sie noch etwas für Ihre Klienten erreichen? Oder geht es nur darum, ihnen schonend beizubringen, dass ihr Geld mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weg ist?
Letzteres. Die Leute kommen aber schon mit der Ahnung zu mir, betrogen worden zu sein. Geld zurückholen konnte ich bisher nie. Das Problem ist ja, dass die Berater sofort unerreichbar sind, sobald ihre Opfer konsequent ihr Geld zurückverlangen. Dann bleibt oft nur die Empfehlung, Anzeige wegen Betrugs zu erstatten. Denn für die Polizei ist natürlich auch die Häufigkeit der Fälle interessant.
Müssten nicht die beteiligten Plattformbetreiber an der Aufklärung solcher Fälle mitwirken?
Meine Vermutung ist, dass es für die beteiligten Unternehmen, die mit Kryptowährungen handeln, schwer nachzuvollziehen ist, ob ein Konto mit einer gestohlenen Identität eingerichtet wurde oder nicht. Das zu ermitteln, ist aber eher Aufgabe der Polizei als der Verbraucherschützer.
Wie reagieren die Leute, wenn Sie ihnen eröffnen, dass ihr Geld weg ist?
Häufig sagen sie: „Das habe ich mir schon gedacht.“ Das Gefühl des Betrogenseins ist längst da, wenn sie merken, dass sie zwar weiter investieren sollen, aber kein Geld kriegen. Dann geht es nur noch darum, Gewissheit zu bekommen. Was mir echt ans Herz ging, war die Reaktion eines älteren Herrn, dem ich sagen musste, dass ich Fälle wie seinen schon mehrmals hatte und es sich dabei um Betrug handelt. Daraufhin sagte er: „Dann habe ich jetzt nichts mehr.“ Wegen solcher Geschichten braucht es Aufklärung. Man fragt sich ja: Wie kommen ältere Menschen auf die Idee, ausgerechnet in Kryptowährungen zu investieren?
Gute Frage. Wie lautet Ihre These?
Diese Leute haben nicht viel, wollen das aber vermehren. Weil sie irgendwo gehört haben, dass „Krypto cool“ sei, lassen sie sich dann bequatschen.
Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel auf Basis einer Blockchain. Das ist eine öffentlich einsehbare, dezentrale, nicht manipulierbare Datenbank, die in chronologischer Reihenfolge Transaktionen speichert.
Prominente Währungen sind unter anderem Bitcoin, Ethereum und Tether. Der Kurs von Kryptowährungen schwankt teilweise sehr stark. In Spitzenzeiten 2021 war ein Bitcoin knapp 69.000 Euro wert.
Kryptowährungen ermöglichen bargeldlosen Zahlungsverkehr ohne zentrale Instanzen wie Banken oder Aufsichtsbehörden. (rnw)
Was sehen Sie als kleinsten gemeinsamen Nenner bei allen Betrugsopfern?Leichtgläubigkeit. Und die Tendenz, sich von einem Gesprächspartner am Telefon einlullen zu lassen. Sich blenden lassen von der Aussicht, mit wenig Geld viel Gewinn zu machen. Eine Weile war das Thema Kryptowährungen ja omnipräsent in den Medien. Das hat zum Glück nachgelassen. Was aber bei den Leuten hängen geblieben ist: Es funktioniert, und damit lässt sich schnell eine Menge Geld verdienen.
Dass die Leute ihr Geld vermehren wollen, ist nichts Ehrenrühriges. Was versuchen sie außer Krypto, und wo holen sich sich ebenfalls blutige Nasen?
Die meisten Fälle, bei denen Leute ihr Geld verlieren und danach zu uns kommen, beginnen mit zu viel Vertrauen. Sprich: Jemand hat einen Anlageberater im Bekannten- oder Freundeskreis, der ihm irgend eine Anlage schmackhaft macht und ihre Risiken kleinredet. Dann wird nicht mehr genau gelesen, was unterschrieben wird.
Nennen Sie bitte mal ein weiteres Beispiel einer für viele zu riskanten Anlageform.
Ich habe Käufer einer Nachranganleihe bei mir sitzen gehabt, die sich des eingegangenen Risikos gar nicht bewusst waren.
Was ist eine Nachranganleihe?
Ein verzinstes Wertpapier. Sie investieren beispielsweise 10.000 Euro in ein Unternehmen, das Ihnen im Gegenzug jedes Jahr fünf Prozent Zinsen zahlt. Nach einer festen Laufzeit – etwa fünf Jahre – wird das Geld zurückgezahlt. Bei einer Nachranganleihe steht aber im Kleingedruckten, dass Sie als Anleger Ihr Geld nachrangig nach anderen Gläubigern zurückbekommen. Das heißt, wenn diese Firma in Insolvenz geht, werden erst alle anderen Gläubiger bedient. Sie bekommen erst ganz zum Schluss Ihr Geld. Das ist ein hohes Risiko. Das muss dem Anleger vor der Unterschrift sehr deutlich klar gemacht werden.
Noch eine andere Anlageform, deren Nachteile Sie erwähnt haben wollen?
Die unternehmerische Beteiligung. Eine solche Anlage hat üblicherweise eine sehr lange Laufzeit. In einem meiner Fälle war es so, dass ein Mann etwas für sein Kind ansparen wollte. Als Summe vereinbarte er 18.000 Euro, also 50 Euro im Monat. Was er aber nicht gelesen hatte: In dem speziellen Fall war eine Kündigung erst nach 30 Jahren möglich. Auch hier ist die Firma in Zahlungsschwierigkeiten geraten, und er hat keine Möglichkeit, an sein Geld zu kommen. Trotzdem muss er weiter einzahlen, weil er seine Pflichteinlage noch nicht geleistet hat.
Sind die Sachsen in Zeiten hoher Inflation risikobereiter in ihren Anlageentscheidungen geworden?
Sehe ich so nicht. Vielen Leuten fehlt einfach die Idee. Dabei ist es gar nicht so schwer, wenn man mit Festgeldern bei einjähriger Laufzeit auf vier Prozent kommt. Bei Onlinebanken, klar, aber immerhin.
Ab welchem Renditeversprechen ist Misstrauen angebracht?
Schwierige Frage. Ich habe gestern mit einer Frau gesprochen, die meinte, sie könne mit ETFs locker jedes Jahr neun Prozent verdienen. Wenn die Betonung auf „jedes Jahr“ liegt, halte ich das für eine ziemlich riskante Anlage. Bei allem, was über neun Prozent hinausgeht, muss man sich bewusst sein: Das bedeutet hohes Risiko.
Haben Sie selber schon in Kryptowährung investiert?
Als Privatperson? Nein. Dafür habe ich in meinem früheren Berufsleben als Bankangestellte schon zu viel erlebt.
1. Top-Aussichten: Die Dokumentation angeblich steigender Gewinne erfolgt teilweise in sehr einfachen Darstellungen.
2. Verlorene Kontrolle: Anleger bekommen Links zugeschickt, über welche sie die Geldentwicklung verfolgen können. Die Chance, alles selbst online oder per App nachprüfen zu können, besteht nicht.
3. Sensible Daten: Die Betrüger fordern die Zusendung einer Personalausweiskopie oder eines Fotos der Unterschrift.
4. Geld-Nachschub: Allgegenwärtig ist die Forderung nach weiteren Anlagegeldern. Dabei wird gedrängt – bis hin zum Vorschlag, doch Kredit aufzunehmen.
5. Stockende Kooperation: Sobald Anleger über ihr Geld und ihren Gewinn verfügen wollen, werden sie von ihren telefonischen Ansprechpartnern vertröstet. Es gibt immer neue Gründe, weshalb das Geld nicht ausgezahlt werden kann.
6. Blockade: Hartnäckige Rückforderungswünsche werden mit dem Hinweis auf Steuerzahlungen gekontert, oder es werden „Auslösebeträge“ gefordert. Dabei werden Fristen gesetzt, nach deren Ablauf das Geld nicht mehr zugängig sei.
Die Verbraucherzentrale Sachsen berät zum Thema Anlagebetrug: Terminvereinbarung unter 0341-696 2929 oder online.