SZ + Leben und Stil
Merken

Wie Verbraucher mit vermeintlichen Testseiten getäuscht werden

Für fast jedes Produkt gibt es im Internet mittlerweile einen Testbericht. Seriös ist kaum einer, warnt Jürgen Stellpflug vom Verein Testwatch.

Von Sylvia Miskowiec
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wirklich das Beste? Testseiten im Netz sind selten seriös.
Wirklich das Beste? Testseiten im Netz sind selten seriös. © 123rf

Mittlerweile sind es über 500 Webseiten, die Jürgen Stellpflug und sein Team durchgeforstet haben. Sie alle tragen das Wort „Test“ im Namen: beste-testsieger.de, expertentesten.de, deutscher-produkttest-vergleich.de, aber auch auf Produkte gemünzte Namen wie alarmanlagen-test.de oder fahrradhelmetest.de. Das Problem: Keine einzige dieser Seiten habe nachvollziehbar und standardisiert getestet, bilanziert Jürgen Stellpflug. Er ist Vorsitzender des Vereins Testwatch, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Tests und Gütesiegel genauer zu untersuchen.

Herr Stellpflug, 500 Testseiten im Netz klingen viel. Haben Sie wirklich alle durchgeguckt?

Aber ja, und das sind noch längst nicht alle. Geben Sie in eine Suchmaschine ein Produkt ein, meinetwegen Hundefutter, dazu das Wort „Test“, und Sie landen auf zahlreichen Seiten, die Ranglisten mit angeblich getesteten Produkten anpreisen. Doch wie das Ranking zustande gekommen ist und wie getestet wurde, bleibt oft nebulös. Wenn schon kein standardisiertes Verfahren angewendet wird, sollte darauf klar hingewiesen werden. Das passiert hier aber nicht. Stattdessen liest man Selbstlob à la „gemäß journalistischen Grundsätzen arbeiten wir unabhängig und bevorzugen keine Marke oder Firma“ und „bei unseren Vergleichstests legen wir großen Wert auf eine transparente, einfache und strukturierte Darstellung“. Schöne Worte, aber meist nichts dahinter.

Wie sind die Seiten denn dann auf die Ergebnisse gekommen?

Die meisten sind schlicht Fakes, also gar nicht echt, sondern nur von einem Algorithmus bedient, der Werbung ausspeit und auf dubiose Shopseiten weiterleitet. Manche referieren nur andere Testergebnisse, oft die der Stiftung Warentest. Das mag harmlos erscheinen, ist dennoch Irreführung der User. Andere wiederum sammeln positive Kundenmeinungen aus verschiedenen Shops, um das dann als „Test“ anzubieten. Die vermeintlich geprüften Produkte werden zu Webshops wie Amazon verlinkt. Das bringt den Testseiten Provision, zwischen einem bis zwölf Prozent des Warenwerts. All so was hat mit einem seriösen Test, der mit anerkannten Standards prüft, nichts zu tun.

Jürgen Stellpflug ist Vorsitzender von Testwatch und war Chefredakteur und Geschäftsführer der Zeitschrift Ökotest.
Jürgen Stellpflug ist Vorsitzender von Testwatch und war Chefredakteur und Geschäftsführer der Zeitschrift Ökotest. © Jürgen Gocke Fotodesign

Was ist mit Seiten, die angeben, Produkte nur zu vergleichen?

Die sind ebenso irreführend. Davon gibt es geschätzt mehrere Tausend im Netz, allen voran vergleich.org. Die Portale sind allerdings auch hier aufgemacht wie Tests, also mit Tabellen und Bewertungen. Die Anbieter küren „Vergleichssieger“ oder „Preis-Leistungs-Sieger“, manche sogar „Testsieger“. Doch die Noten wie „sehr gut (1,1)“ sind wie bei den Fake-Test-Seiten völlig willkürlich. Das konnten wir immer wieder nachweisen.

Das Geschäft scheint sich aber zu lohnen...

Ja, das lässt sich daran erahnen, dass manche Firmen eine Vielzahl solcher Vergleichsseiten betreiben. Die GFDK Gesellschaft für digitale Kaufberatung verantwortet zum Beispiel akkuschrauber.com, aktenvernichter.org, babyfon.org, babywippe.net, backofen.com oder batterie.org. Nachdem wir über 50 ihrer Seiten gefunden hatten, haben wir die Suche eingestellt.

Menschen werden also eher veralbert denn informiert.

In manchen Fällen kann das aber auch gefährlich werden. Solch einen Fall gab es etwa bei expertentesten.de, vor denen die Stiftung Warentest schon vor fünf Jahren gewarnt hat. Das Portal hatte einer Fritteuse das Testurteil „Gut“ verpasst, Warentest dagegen sagte: Mangelhaft. Denn die Nutzer des Geräts könnten sich heftig die Finger verbrennen, da am Deckel mehr als 110 Grad gemessen wurden, schreiben die Warentester.

Das ist bitter, aber vielleicht ein unglücklicher Einzelfall?

Nein. In meinen Augen noch schlimmer war ein vermeintlicher Test für Kinderautositze der Portale testsieger.digital, test-undspar.de, kaufberater.co, testsieger.live. Hier wurde ein Modell mit „sehr gut“ bis „gut“ ausgezeichnet. Die Stiftung Warentest dagegen warnte vor einem „hohem Risiko beim Seitenaufprall bei vorgeschriebener Verwendung ohne Rückenlehne ab 25 Kilogramm“ und kam auf ein „Mangelhaft“. Während die Stiftung Warentest wirklich etwa per Crash-Test prüft, schreiben andere: „Unsere Rankings werden durch künstliche Intelligenz (AI) aus der algorithmischen Analyse aus Hunderttausenden von Kundenbewertungen zu Produkten, Marken, dem Serviceniveau der Händler als auch Beliebtheitstrends und vielem mehr erstellt.“ In meinen Augen komplett unseriös.

Kann man denn gar nichts gegen solche Seiten tun?

Doch, Verbraucherzentralen könnten beispielsweise klagen, aber es passiert nicht viel – obwohl es ein beispielhaftes Urteil gibt! Das Oberlandesgericht Köln hat der Seite test.net die Veröffentlichung eines „Tests“ von Akkuschraubern verboten. Begründung: Verbraucher würden sowohl durch den Domainnamen test.net als auch durch die Bezeichnung „Test“ irregeführt. Denn „der angesprochene Verbraucherkreis“ gehe davon aus, „dass die Produkte tatsächlich getestet“ wurden und erwarte von „einem Warentest nicht nur eine statistische, algorithmusbasierte Auswertung der publizierten Produktinformationen und des Verbraucherechos“. Allerdings sind viele Seitenbetreiber für die Gerichte schwer greifbar, denn sie sitzen im Ausland, wie der Betreiber der Seiten, die den Kindersitz „getestet“ haben, die Compare Factory. Sie residiert in Dubai.

Wie kann ich solche Seiten denn erkennen?

Vorsicht ist immer angebracht, wenn die Produkte verlinkt sind, denn dann steckt dahinter ein Verkaufsinteresse. Ebenso hellhörig sollten Sie werden, wenn nur total gut bewertete Dinge angepriesen werden und jegliches schlechtes, unvorteilhaftes Urteil fehlt. Auch da geht es den Seitenbetreibern eher um merkantile Interessen, denn was toll bewertet wird, verkauft sich gut. Zudem gibt das Impressum Aufschluss über die Seriosität. Ist da eine Firma in Übersee oder Fernost angegeben, wird es kritisch, gibt es gar kein Impressum: auf jeden Fall Finger weg.

Wer arbeitet in Ihren Augen überhaupt mit seriösen Tests?

Gut nachvollziehbar sind die Tests der Stiftung Warentest. Doch auch hier gilt es aufzupassen, denn immer wieder versuchen unseriöse Internetseiten, durch den Namensbestandteil „warentest“ vom guten Ruf der Stiftung Warentest zu profitieren und damit Geschäfte zu machen. Sie nennen sich warentest-deutschland.de oder warentest-institut.eu. Der korrekte Name der Internetseite der Stiftung Warentest ist jedoch www.test.de. Das Portal Vergleich.org hingegen schaltet Anzeigen mit ähnlich klingendem Seitennamen wie warentest.vergleich.org/test+vergleich/2022, offenbar um bei Google-Suchen mit Begriffen wie „warentest“ oder auch „test“ schnell gefunden zu werden.