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Germania-Aus trifft Dresden hart

Die Insolvenz ist ein schwerer Schlag für Klotzsche. Dort galt die Airline als Hoffnungsträger. Ein Dresdner Insolvenzrechtler hat nun das Sagen.

Von Michael Rothe
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Auch in Dresden bleiben die Maschinen von Germania am Boden.
Auch in Dresden bleiben die Maschinen von Germania am Boden. © Christian Juppe

"Willkommen an Bord!“ So lud noch am Dienstag die Homepage von Germania Reisende zum Mitflug ein. Eine Airline mit jährlich vier Millionen Passagieren, inkludiertem „Full Service an Bord“ und „mit dem Gespür zur Marktlücke“, wie sie sich selbst in ihrem Internetauftritt preist. Ganz oben auf der Website prangt der „Travellers´ Choice Award“. Das Bewertungsportal TripAdvisor hatte die Gesellschaft 2018 zur besten deutschen Airline gekürt. Doch schon der nächste Klick verrät: Germania ist pleite.

Der Insolvenzantrag war bereits am Montagmittag gestellt, aber geheimgehalten worden. In der Nacht zum Dienstag wurden alle Maschinen aus dem Ausland nach Deutschland geholt, um dem vorläufigen Verwalter den Zugriff zu garantieren.

Der, der nun bei Germania das Sagen hat, heißt Rüdiger Wienberg. Der Dresdner Insolvenzrechtler hat auch in Sachsen namhafte Pleitiers betreut: wie den Textilhersteller Neue Erba Lautex, den Dresdner Fotovoltaikhändler Sunstrom AG, den Telekomausrüster Sphairon in Bautzen, die Leipziger Druckerei Offizin Andersen Nexö, den Messeveranstalter TMS und gerade Litarion in Kamenz, einen Hersteller von Lithium-Ionen-Zellen für Energiespeicher.

Nach SZ-Informationen war ursprünglich geplant, Germania à la Air Berlin in Eigenverwaltung weiterzuführen. Doch dazu wäre ein Massekredit nötig gewesen, der sich nicht bereitstellen lässt. Nun deutet einiges auf Abwicklung hin – und dass Germania vom Markt verschwindet.

Die Pleite trifft besonders den Dresdner Flughafen. Dort war Germania ein wichtiger Kunde und galt nach jahrelangem Passagierschwund als Hoffnungsträger. 2018 waren in Klotzsche gut 1,76 Millionen Passagiere gezählt worden, weniger als im Jahr 2000. Germania-Flieger hoben laut Winterflugplan 23 Mal pro Woche in Dresden ab. Im vorigen Sommer avancierte das Unternehmen mit 47 Starts zu 27 Zielen gar zum Ferienflieger Nummer 1. Die Passagierzahl hat sich seit 2014 auf 300.000 vervierfacht. Seit Mai stationiert Germania, die in ihrem Grün-Weiß als Sachsens Freistaats-Airline durchginge, eine dritte Maschine in Dresden. Solche Übernachtungsgäste gleichen mit je sechs Crews einem mittelständischen Unternehmen.

„Mit dem Angebot kommen wir unserem Versprechen nach, Dresden als Standort nachhaltig zu entwickeln“, erklärte im Herbst 2017 Sieghard Jähn, damals Mitglied der Chefriege. Germania wolle Dresden enger in sein europäisches Städte-Netzwerk einbinden. Davon sei man nicht abgekommen, versicherte Germania-Sprecher Lars Wagner noch im Dezember der SZ. Dresden sei „ein sehr wichtiger Standort“.

Schwierige Suche nach Ersatz

Dennoch stellte die Airline danach ihre Linie nach St. Petersburg ein – „aus wirtschaftlichen Gründen“. Die Buchungen seien „nicht zufriedenstellend“. Seit April 2018 war sie zweimal wöchentlich ins „Venedig des Nordens“ gedüst, als erste Linie zwischen den Partnerstädten seit der Wende. Für kommenden Sommer standen auch Barcelona, Bastia, Thessaloniki, Monastir, Athen sowie Dalaman und Larnaka im Plan. Stattdessen wurde der Flugbetrieb in der Nacht zum Dienstag eingestellt und für die Airline sowie zwei Schwesterfirmen Insolvenz beantragt. Die Schweizer Germania Flug AG und die Bulgarian Eagle seien aber nicht betroffen, teilte Germania mit.

Es sei nicht gelungen, „unsere Finanzierungsbemühungen zur Deckung eines kurzzeitigen Liquiditätsbedarfs erfolgreich zum Abschluss zu bringen“, sagt Airlinechef Karsten Balke. Da sei nur der Insolvenzantrag geblieben, was er bedaure, besonders für die etwa 1 100 Beschäftigten. Fluggäste, die ihren Flug nicht antreten könnten, „bitte ich um Entschuldigung“.

Als Grund für die Pleite nennt Balke „unvorhersehbare Ereignisse wie massive Kerosinpreissteigerungen über den Sommer des vergangenen Jahres bei gleichzeitiger Abwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar, erhebliche Verzögerungen bei der Einflottung von Fluggerät sowie eine außergewöhnlich hohe Anzahl technischer Serviceleistungen an der Flotte“.

Vor einem Monat hatte es erste Meldungen über die Finanznot gegeben, zwei Wochen später Entwarnung. Balke sprach von eingeworbener Hilfe, die über die angestrebten 15 Millionen Euro hinausgehe. So habe man sich „die mittel- und langfristige Perspektive“ als unabhängige Fluggesellschaft gesichert. Die Buchungslage sei gut und liege auch für den Sommer über dem Vorjahreswert, hieß es.

Das Aus von Germania ist die zweite Hiobsbotschaft für Sachsens Airports binnen kurzer Zeit. Im Dezember war bekannt geworden, dass der Billigflieger Ryanair die Verbindung Leipzig–London einstellt und sich aus der Messestadt ganz zurückzieht.

Die Mitteldeutsche Flughafen AG, Muttergesellschaft der Flughäfen Dresden und Leipzig-Halle steht nach eigenem Bekunden in engem Kontakt zu Germania, anderen Airlines und Veranstaltern, um für Dresden Ersatz zu finden. Das wird nicht einfach, „denn leider Gottes verschwindet eine nach der anderen vom Markt“, sagt Konzernsprecher Uwe Schuhart. „Aber ganz aussichtslos ist die Situation nicht“.