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Ab wann sollte man mit Kindern nicht mehr in Babysprache reden?

Babys fühlen sich verstanden, wenn die Eltern mit ihnen lallen. Aber ihre Entwicklung befördert das nur begrenzt, weiß Sozialpädagogin Dana Mundt.

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"Oh, ein Wauwau!"
"Oh, ein Wauwau!" © 123rf

"Jetzt machst du bubu“, säuseln manche Eltern mit erhöhter Stimme, wenn sie das Baby schlafenlegen. Mit „tututut“ stimmen sie es auf die Autofahrt ein und mit „mamamam“ auf das Essen. Wenn Eltern oder Großeltern denken, dass der kleine Zwerg ja normale Worte noch gar nicht richtig verstehen kann, verfallen sie oftmals ganz unbewusst in eine alberne Sprache.

Und wenn aus dem Baby erstmals ein stolzes „tato“ für den Traktor herausplatzt, wird in der Familie die neue Wortschöpfung schon mal übernommen. Ist ja so putzig. „Wenn es sich um eine gewisse Übergangszeit handelt, ist Babysprache kein Problem“, sagt Erziehungsberaterin Dana Mundt im Interview.

Frau Mundt, warum verfallen wir so gerne in Babysprache?

Mit dem Baby liebevoll zu schmusen, zu brabbeln und eine höhere Tonlage anzuschlagen ist bei den meisten Eltern intuitiv. Sie reagieren damit auf die Signale ihres Kindes. Für das Baby sind diese „da-da“ oder langgestreckten „naaaaaaa“ wie Streicheleinheiten mit Worten, und es lächelt oder verzieht die Mundwinkel. Es reagiert darauf, weil es sich verstanden fühlt.

Eltern ahmen damit die Laute ihres Kindes nach?

Ja, und das ist genau richtig. Wenn sie gleichzeitig mit ihnen ganz normal sprechen: „Na, was ist denn los? Hast du Hunger oder ist dir die Windel zu voll? Oder was stört dich gerade?“ Das Spiegeln oder sozusagen Wiedergeben der ersten Laute und das Warten auf Antwort vom Baby ist schon wie ein erstes Gespräch. Irgendwann kommen dann die ersten richtigen Worte, auf die die Kinder und auch die Eltern meist stolz wie Bolle sind. Die ersten Ein-Wort-Sätze wie „Mama“, „Papa“, „Oma“ sind ein Meilenstein. Und nach den Wörtern folgt der nächste mit den Zwei-Wort-Sätzen.

Gibt es eine Zeitschiene, wann Kinder so weit sein sollten?

Jedes Kind hat dafür sein eigenes Tempo und sollte nicht verglichen werden mit Geschwistern oder anderen Kindern. Ein Kind ist motorisch weiter, das andere spricht sehr schnell und ein drittes beobachtet und lässt sich viel Zeit.

Dana Mundt ist Sozialpädagogin von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung.
Dana Mundt ist Sozialpädagogin von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. © M. Urban/ Dana Mundt/dpa

Wie lässt man die Babysprache wieder ausklingen?

Sprache und das Erlernen der Sprache sollte Spaß machen. Deshalb sollten Eltern weniger korrigieren nach dem Motto: „Das heißt nicht Schmetterfing, sondern Schmetterling.“ Stattdessen ist es besser, noch mal korrekt nachzusprechen, was sie verstanden haben: „Ahh, ich sehe auch den Schmetterling.“ Hilfreich ist es, Alltagsrituale sprachlich zu begleiten, etwa beim Windelwechseln: „Na, komm mal her. Wir wechseln dir jetzt die Windel. Schau mal hier...“ So weiß das Baby auch gleich, was als Nächstes passiert.

Was halten Sie davon, mit der Sprache zu spielen?

Viel. Das kann man gut mit Wortspielen, Reimen oder Abzählversen machen. Losgehen kann das schon im Beikostalter mit Tischsprüchen wie „Piep piep piep, recht guten Appetit“ bis hin zu Zahnputzliedern ab dem ersten Zähnchen.

Was fördert die Sprachentwicklung außerdem?

In gemeinsamen Rollenspielen kann man gern mal mit in eine Rolle schlüpfen und auch mal Babysprache nutzen, wenn man das Baby mimt. Aber ansonsten bitte „normal“ kindgerecht reden. Das ist und bleibt für die kindliche sprachliche Entwicklung das Allerbeste. Dabei sollte man beim Miteinandersprechen auf den direkten Blickkontakt achten, statt währenddessen nur aufs Handy zu blicken. Das ist auch für eine deutliche Aussprache sehr wichtig.

Eine gute Möglichkeit ist es, in einfacher kindgerechter Sprache gemeinsam Lieder zu singen. Auch Finger- und Handpuppen-Theaterspiele oder Rollenspiele am Kaufmannsladen regen die Sprachentwicklung an. So begreifen Kinder die Welt. Nicht zu vergessen ist das gemeinsame Anschauen und Lesen von Bilderbüchern. Seinen Kindern Geschichten zu erzählen regt ihre Kreativität und die Vorstellungskraft an.

Also ist es gar nicht schlimm, Babysprache zu sprechen?

Wenn man sie nur gelegentlich nutzt, nicht. Jedoch lernt man Sprechen am besten durch die richtige Sprache. Und als Eltern möchte man später ja auch nicht, dass die Kinder im Kindergarten ausgelacht werden, wenn sie dann noch „Gagag“ oder „Wauwau“ sagen.


Das sind die Meilensteine der Sprachentwicklung

Geburt bis 2. Lebensmonat: Schreien ist die wichtigste Art, sich mitzuteilen. Es unterscheidet sich, wenn das Baby hungrig oder müde ist oder Schmerz empfindet.

2. und 3. Lebensmonat: Erste Lallphase. Das Baby gurrt und probiert sich aus, wobei die Laute zufällig durch Muskelbewegungen in Mund, Hals und Kehlkopf entstehen.

4. Monat: Die Stimme wird jetzt auch zum Lachen und Juchzen eingesetzt.

6. Monat: Zweite Lallphase, in der neue Laute entstehen. Das Baby bildet erste Silbenketten, die es in Tonhöhe und Lautstärke variiert. Es „spricht“ in seiner eigenen Sprache.

9. Monat: Das Baby kann weitere Laute und erstmals auch Doppelsilben sprechen. Es lernt zu flüstern.

12. bis 18. Monat: In dieser Zeit sprechen die meisten Babys ihr erstes Wort, am häufigsten ist das „Mama“ oder „Papa“. Wenige Kinder, meist Mädchen, tun das schon im 9. Monat, andere lassen sich damit bis zur Mitte des dritten Lebensjahres Zeit. Laufen und sprechen lernen konkurriert, sodass entweder zuerst gesprochen oder zuerst gelaufen wird.

15. Monat: Der Wortschatz wird erweitert, aber Wörter sind nicht immer vollständig und fehlerfrei. Ihre Bedeutung entspricht auch nicht immer der der Erwachsenen.

18. Monat: 90 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen haben inzwischen ihre ersten drei Worte außer „Mama“ und „Papa“ gesprochen. Nun werden Wörter gesammelt und der passive Wortschatz vergrößert.

2. Lebensjahr: Hat das Kind genug Wörter (etwa 50), beginnt es, sie in Zwei-Wort-Sätzen zu kombinieren. Jetzt kommt es zur sogenannten Wortschatzexplosion: Statistisch gesehen lernt jedes Kind nun jeden Tag neun neue Wörter. Es kann auch „Nein“ sagen.

3. Lebensjahr: Sätze werden länger, einfache Sätze richtig gebildet, erste Nebensätze.

Quelle: Deutscher Bundesverband für Logopädie