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Abnehmen auf Kassenkosten – mit der Waya-App

In der Pandemie kämpfen viele mit ihrem Gewicht. Ein zertifizierter Begleiter auf dem Handy bietet Hilfe. Was kann er?

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Die Suppe hat wenige Kilokalorien. Doch sind auch Ort und Zeitpunkt zum Essen günstig? Die App Waya hilft, solche Fragen spielerisch zu beantworten.
Die Suppe hat wenige Kilokalorien. Doch sind auch Ort und Zeitpunkt zum Essen günstig? Die App Waya hilft, solche Fragen spielerisch zu beantworten. © waya

Manchmal hilft einfach nur futtern. Täglich neue Inzidenzen, Todeszahlen und Beschränkungen, dazu noch der graue Himmel: Da muss schon mal ein Stück Kuchen als Stimmungsaufheller herhalten. Die Deutschen haben in der Pandemie kollektiv an Gewicht zugelegt. Und das, obwohl schon vorher etwa zwei von drei Männern und jede zweite Frau übergewichtig waren. Viele quälen sich seit Jahren mit Diäten. Doch oft schon nach kurzer Zeit sind die verlorenen Pfunde wieder drauf. Das ist zunehmend auch ein gesundheitliches Problem. Die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten kostet jedes Jahr Milliarden. Die Krankenkassen versuchen deshalb, ihre Versicherten mit Präventionsangeboten beim Abnehmen zu unterstützen – zum Beispiel mit Waya.

Die App

Waya ist eine Handy-App, die Wissen vermitteln will, wie man ohne Blitzdiät gesund und langfristig abnehmen kann. Sie verspricht, das ganzheitlich und wissenschaftlich fundiert zu tun. Die Zentrale Prüfstelle Prävention hat die App zertifiziert. Das heißt, dass die Entwickler Ziele, Inhalte, Methodik und Wirksamkeit nachweisen mussten. Mit diesem Qualitätssiegel versehen, übernehmen Krankenkassen die Kosten – viele die kompletten 75 Euro.

Die Entwickler

Erschaffen wurde die App von der Münchner Firma Temedica. "Wir sind ein junges Team von 80 Mitarbeitern und entwickeln seit 2016 digitale Gesundheitsanwendungen", sagt Produktmanager Josef Strenzke (32). Dazu arbeite man mit Wissenschaftlern, Medizinern, Physiotherapeuten und Ernährungsexperten zusammen. Der App-Name sei ein Fantasiebegriff. Strenzke: "Aus Diskretionsgründen. Denn wer will schon mitten im Meeting eine Push-Nachricht von seinem Abnehmbegleiter auf den Sperrbildschirm bekommen."

Der Einstieg

Das Herunterladen von Waya und das Anmelden mit Fragen zu Geschlecht, Gewicht und Gesundheit gehen schnell. Mitmachen darf nur, wer keine Ess- oder psychiatrischen Störungen hat und wer nicht schon hochgradig fettleibig ist. Die Nutzer erwarten zehn Kurse mit je fünf bis sieben Lerneinheiten. Sie können jederzeit auf dem Handy absolviert werden. "Wir empfehlen pro Woche einen Kurs", sagt Strenzke.

Die Motivationsphase

Im ersten Kurs geht es um Basics: Wie entsteht Übergewicht? Simple Antwort: Indem mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden. Was ist der Grundumsatz, was der Jo-Jo-Effekt? Per Rechner lässt sich der persönliche Body-Mass-Index ermitteln. Dann soll das Ernährungs- und Bewegungsverhalten eingeschätzt werden. Dabei helfen Fragen, die auf einer Skala von eins bis zehn per Schieberiegel zu beantworten sind: Kann ich beim Fernsehen widerstehen zu essen? Bin ich ein Apfel- oder Birnentyp? Das alles dient der Selbstanalyse. Denn anders als bei vielen Diäten geht es bei Waya nicht darum, bestimmte Lebensmittel zu verbieten, sondern zunächst Gewohnheiten zu hinterfragen und damit Schwachstellen aufzudecken. Das Abnehmen wird dabei in drei Phasen unterteilt: die mentale Vorbereitung, die Veränderung und das langfristige Gewichthalten.

Die Abnehmreise mit Waya.
Die Abnehmreise mit Waya. © waya

Ein Willkommensbrief zum Abschluss des ersten Kurses dient als Motivationshilfe. Darin sind ein Boardingpass für die Reise zu einem gesünderen Leben und zwei Magnetkarten für den Kühlschrank. Darauf lassen sich persönliche, möglichst realistische Abnehmziele notieren. Empfohlen werden etwa fünf bis sieben Prozent weniger Gewicht innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. Das ist gar nicht so einfach. Denn um ein Kilogramm Körperfett zu verlieren, muss man 7.000 Kilokalorien beim Essen einsparen oder zusätzlich durch Bewegung verbrauchen.

Um den inneren Schweinehund zu besiegen, sind die Hindernisse auf dem Weg zum Ziel aufzuschreiben. Und dann darf man sich bei einem Meditationsvideo entspannen und sich vorstellen, wie es sich anfühlen würde, wenn das Ziel erreicht ist: wenn die Hose wieder passt oder wenn man sich besser fühlt.

Im Gegensatz zum klassischen Abnehmratgeber fordert die App immer wieder zum Mittun auf. Dazu gehört zum Beispiel, über mehrere Tage ein Ernährungs- und Bewegungsprotokoll zu erstellen und falsches Verhalten zu identifizieren. Als Maßstab dafür dienen die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Die Veränderungsphase

In der dritten Woche lernen die Nutzer, wie gesunde Ernährung im Detail aussieht und wie man schon beim Einkaufen und beim Zubereiten des Essens Kalorien einsparen kann: Obstkuchen statt Blätterteiggebäck wählen zum Beispiel. Dämpfen statt panieren und frittieren. Regelmäßig wird dabei Gelerntes abgefragt. Für richtige Antworten gibt’s einen Grinsemund.

Ein Video verdeutlicht typische Fehler beim Essen und zeigt, wie es besser geht: zuerst Wasser trinken, kleine Portionen, langsam kauen, möglichst nur drei Mahlzeiten zu festen Tageszeiten. Das alles ist nicht wirklich neu, hilft aber, sich seines Essverhaltens bewusst zu werden: Isst man aus Einsamkeit statt aus Hunger, aus Stress, Frust oder um sich zu belohnen? Die App empfiehlt die BESER-Strategie: Bewusstwerden, Emotionale Trigger erkennen, Stopp setzen, Ersetzen mit neuen Alternativen, Routinen entwickeln.

Wer sich mindestens fünfmal die Woche 30 Minuten lang bewegt, kann den Abnehmerfolg steigern. Beim Laufen, erfährt der Nutzer, verbrennt er etwa 500 Kilokalorien. Aber auch Staubsaugen bringt 120 Kilokalorien. Die App hält mehrere Challenges (Herausforderungen) bereit, die dabei helfen sollen, sich zu steigern. Die optionale Erinnerungsfunktion mahnt täglich, ob zusätzliche Schritte oder Treppenstufen erreicht sind. Schließlich gilt es, die Macht der Bequemlichkeit zu brechen – mit Tipps, wie sich Bewegung leichter in den Alltag integrieren lässt. Am Ende jedes Kurses kommt eine Zusammenfassung per E-Mail mit Literaturtipps. Wer fünf Kurse geschafft hat, soll zudem testen, ob er ein Stressesser ist. Denn auch Stress macht dick. Es werden Strategien erklärt, dem Stress zu entgehen oder ihn zu reduzieren, zum Beispiel mit autogenem Training oder progressiver Muskelentspannung.

Die Zwischenbilanz

Nach anderthalb Monaten ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Wie viel habe ich schon abgenommen? Wie gut ist es mir gelungen, meinen Vorsätzen treu zu bleiben? Hier bietet sich an, die Chatfunktion der App zu nutzen und mit Anna-Lisa, Franziska oder Barbara über Erfolge oder Enttäuschungen zu kommunizieren.

Die Halten-Phase

Jetzt kommen die schwierigsten Wochen: Nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Deshalb geht es in einem Kurs um Fehlermanagement. Was sind kritische Situationen gewesen? Und mit welcher Strategie kann ich gegensteuern? Die App-Entwickler raten, nicht mit selbstabwertenden Gedanken zu reagieren, wenn die Waage mal mehr anzeigt. Denn nach einer Weile passe sich der Körper an das neue Energieniveau an. Der Nutzer wird aufgefordert, sich Unterstützung zu holen – jemanden zum Zuhören, aber auch zum Kochen oder gemeinsamem Trainieren. Hilfreich sei es, neue Gewohnheiten an bestimmte Ereignisse zu koppeln. Und natürlich, sich zu belohnen – nicht mit Schokolade, sondern mit einem Ausflug.

In der finalen Bilanz gilt es schließlich, nicht nur das Gewicht zu bewerten, sondern auch Dinge wie Essensart, -menge und -grund. Und natürlich neue Ziele zu formulieren. Denn die Reise geht weiter, für manche Menschen ein Leben lang.

Das Fazit

Seit dem Start vor zwei Jahren hat die App über 20.000 Nutzer. In den Bewertungen im App-Store wird die liebevolle Gestaltung, der schlüssige Aufbau und die verständliche, breit angelegte Wissensvermittlung gelobt. Auf Letztere allerdings muss man sich einlassen und Zeit für eine ehrliche Analyse einplanen. Denn bei all den spielerischen Elementen bleibt Abnehmen auch per App eine anstrengende Aufgabe. Eine Stärke der App ist, dass sie das Thema mental angeht – mit Übungen zur Motivation und Selbstkontrolle. Denn nur so lassen sich langfristige Erfolge erzielen.