Leben und Stil
Merken

Jedem dritten Studierenden droht ein Burn-out

Zunehmender psychischer Stress führt laut TK-Report dazu, dass deutlich mehr Studenten Antidepressiva einnehmen – vor allem in Sachsen.

Von Kornelia Noack
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Emotional erschöpft.
Emotional erschöpft. © Rolf Vennenbernd/dpa

Corona-Pandemie, Prüfungsdruck, hohe Lebenshaltungskosten und Zukunftsängste hinterlassen bei Deutschlands Studierenden ihre Spuren: Immer häufiger klagen sie über Gesundheitsprobleme. Besonders die psychische Belastung hat im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit zugenommen. Das geht aus dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) 2023 hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Demnach sei mehr als jeder dritte angehende Akademiker Burn-out-gefährdet.

„Studierende haben bisher immer zu der Gruppe gehört, der es gesundheitlich überdurchschnittlich gut geht. Das hat sich geändert. Die Gesundheit liegt jetzt auf dem Niveau aller Erwachsenen“, erklärt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK.

Zwei Drittel fühlen sich erschöpft

Für den Report hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Januar 1.000 Studierende zu ihrer Gesundheit befragt. Zwei von drei (68 Prozent) gaben dabei an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate oder aktuell durch Stress erschöpft zu sein. Bei einer Vergleichsumfrage vor acht Jahren waren es mit 44 Prozent deutlich weniger.

Über Kopfschmerzen klagten 59 Prozent (2015: 47) und über Rückenschmerzen 55 Prozent (2015: 40). Auch Konzentrationsstörungen und Schlafprobleme haben zugenommen.

Kunst-Studenten am ausgeglichensten

Ihren Gesundheitszustand insgesamt bewerteten 61 Prozent der Studierenden als gut oder sehr gut. Im Jahr 2015 waren es immerhin 84 Prozent. „Permanenter Stress und häufige Belastungen können auf Dauer zu Burn-out führen“, erklärt Professor Bertolt Meyer von der TU Chemnitz, der die Befragung ausgewertet hat.

In der Gesamtschau zeigt sich, dass sich 37 Prozent der Studierenden stark emotional erschöpft fühlen, bei den Frauen sind es 44 Prozent. Besonders betroffen sind Studierende der Sprach- und Kulturwissenschaften (56 Prozent), gefolgt von den angehenden Juristen (44 Prozent) und der Gruppe der Fachbereiche Medizin, Gesundheitswissenschaften und Psychologie sowie der Gruppe der Geistes- und Sozialwissenschaften und Pädagogik (je 40 Prozent). Am wenigsten belastet fühlen sich Studierende von Kunstwissenschaften (26 Prozent).

In Sachsen deutlich mehr Antidepressiva

Die psychische Belastung führt auch dazu, dass ein Drittel mehr Studierende Antidepressiva einnehmen. Das geht aus einer Auswertung von Daten TK-versicherter Studierender im Alter zwischen 20 und 34 hervor. „Damit erhalten Studierende deutlich häufiger Antidepressiva als gleichaltrige Erwerbspersonen“, erklärt Thomas Grobe vom aQua-Institut für angewandte Wissenschaften. Bei jungen Männern seien die Verordnungen um 18 Prozent, bei jungen Frauen um 38 Prozent gestiegen.

„Das ist alarmierend. Medikamente sind in vielen Fällen ein Segen. Wir müssen jedoch im Blick behalten, dass nicht auf jede Art von Stress oder Belastung Tabletten die richtige Antwort sind“, sagt TK-Chef Baas.

In Sachsen ist die Zahl der Studierenden, die Antidepressiva bekommen, um sogar knapp 48 Prozent gestiegen. Bei gleichaltrigen Erwerbspersonen fiel der Zuwachs mit 28,2 Prozent deutlich geringer aus. Auch bei Verordnungen von ADHS-Medikamenten ist der Anteil der Studierenden in Sachsen zwischen 2019 bis 2022 gestiegen – nämlich um 81 Prozent.

Beratungsstellen werden "förmlich überrannt"

„Unsere psychologischen Beratungsstellen werden förmlich überrannt. An manchen Standorten hat sich die Wartezeit vervielfacht“, sagt Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks. Dabei sei die Belastungslage heute „deutlich existenzieller“ und „gravierender“ als vor der Pandemie.

„Es geht um soziale Isolation und Vereinsamung, die grundsätzliche Infragestellung des Studiums, und in hohem Maße auch um depressive Verstimmungen, Hoffnungslosigkeit, bis hin zu suizidalen Gedanken.“

Um die Leistungsfähigkeit der kommenden Generationen auch in Zukunft aufrecht zu erhalten, seien die Hochschulen dringend aufgefordert, in die Gesundheit ihrer Studierenden zu investieren, so TK-Chef Baas. „Wichtig ist, sich die Probleme genauer anzuschauen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln - beispielsweise mit einem gezielten studentischen Gesundheitsmanagement. Lösungen könnten etwa ein bewegungsfreundlicher Campus sein oder die bessere Organisation von Prüfungsphasen. Ein Stressreduktionskurs reicht da nicht.“ (mit dpa)