Leben und Stil
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5 Dinge, die das Krebsrisiko deutlich senken können

Der Einfluss des Lebensstils wird unterschätzt, sagt die Präsidentin des Sächsischen Krebskongresses, der sich in Chemnitz mit Prävention befasst.

Von Stephanie Wesely
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Täglich eine halbe Stunde Bewegung kann das Krebsrisiko schon senken.
Täglich eine halbe Stunde Bewegung kann das Krebsrisiko schon senken. © Markus Hibbeler/dpa-tmn

Etwa 32.000 Menschen in Sachsen erkranken jedes Jahr neu an Krebs. Ziel ist nicht nur, Krebs früher zu erkennen und damit erfolgreicher zu behandeln, sondern Krebs zu vermeiden. Zahlreiche Studien belegen, wie wirksam dabei ein gesunder Lebensstil ist. Die SZ hat darüber mit Professorin Ursula Froster gesprochen. Die Humangenetikerin aus Leipzig ist Präsidentin des 12. Sächsischen Krebskongresses, der sich am 22. April in Chemnitz vor allem mit Fragen der Ernährung, Prävention und Immunologie beschäftigt.

Frau Professorin Froster, ist ein gesunder Lebensstil wirklich so effektiv, um Krebs zu vermeiden?

Auf jeden Fall. Welches Potenzial in der Prävention steckt, ist vielen gar nicht bekannt. Deshalb freue ich mich, dass es jetzt so gute wissenschaftliche Untersuchungen darüber gibt. Und eine gute Nachricht ist es auch, dass jeder sein Krebsrisiko auch selbst deutlich senken kann.

Welche Maßnahmen sind es, die den Krebs daran hindern können, sich im Körper auszubreiten?

An erster Stelle steht das Nichtrauchen. 80 Prozent der Lungenkrebsfälle können damit vermieden werden. Denn die giftigen Stoffe, die dabei inhaliert werden, haben Auswirkungen auf den Zellteilungsprozess. Die Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen zeigen schon Wirkung, doch von einem generellen Rauchverzicht sind wir noch weit entfernt. Ein zweiter Risikofaktor ist die Sonnenexposition der Haut. Die UV-Strahlen bilden freie Radikale und lassen Hautzellen mutieren. Gut ist, dass die Menschen heute viel vorsichtiger mit der Sonne geworden sind als früher. Der Schutz, der jetzt bereits im frühen Kindesalter einsetzt, wird aber erst in 20 oder 30 Jahren messbare Effekte zeigen.

Professorin Ursula Froster leitet das Institut für Humangenetik in Zwenkau bei Leipzig.
Professorin Ursula Froster leitet das Institut für Humangenetik in Zwenkau bei Leipzig. © Sächsische Krebsgesellschaft

Und was bringen gesunde Ernährung und Sport für die Krebsvermeidung?

Sehr viel, das war bis vor Kurzem noch gar nicht so bekannt. Laut Robert Koch-Institut lassen sich vier von zehn Krebskrankheiten damit vermeiden. Beim Darmkrebs sind es sogar 50 Prozent. Eine neue große Studie mit über 4.000 Darmkrebspatienten und einer etwa gleichgroßen Vergleichsgruppe hat ähnliche Ergebnisse gezeigt. 45 Prozent der untersuchten Darmkrebsfälle waren dort auf die Nichteinhaltung der fünf Lebensstilfaktoren zurückzuführen.

Welche fünf Lebensstilfaktoren sind das?

Das waren Rauchen, häufiger Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung und Übergewicht. Die Untersuchung erfolgte per Fragebogen. Die Probanden mussten zum Beispiel ankreuzen, wie oft sie Fast Food essen, wie viel sie sich bewegen und wie hoch ihr Body-Mass-Index ist. Daraus ergab sich ein Risikoscore für Krebserkrankungen. Je mehr der fünf Lebensstilfaktoren nicht eingehalten wurden, umso höher war das Krebsrisiko.

Mit welcher Ernährung kann ich mich denn vor Krebs schützen?

Das ist sehr individuell. In der Studie wurde nur Grundsätzliches abgefragt, zum Beispiel die Häufigkeit von Fast Food und wie oft frisches Gemüse verzehrt wird. Aber als Grundsätze für eine gesunde Ernährung gelten die Attribute regional, saisonal, frisch und möglichst ohne Schadstoffe. Zudem sollte es nicht zu viel sein, denn Übergewicht hat vor allem in Bezug auf den Darm ein hohes Krebspotenzial. Ich empfehle Patienten, für ein bis zwei Wochen alles zu dokumentieren, was sie essen und trinken und dann zu schauen, was man durch gesündere Alternativen ersetzen kann. Dabei können auch Ernährungsmediziner oder Diätassistenten helfen.

Gesunde Ernährung ohne Zusatzstoffe steht bei vielen Menschen heute hoch im Kurs. Auch der Fleischverzicht oder der Verzicht auf tierische Produkte. Wird Krebs dadurch zurückgehen?

Das kann heute noch niemand sagen, aber ich sehe es als ein sehr positives Signal, dass Menschen so um ihre Gesundheit bemüht sind. Doch generell muss vegane Ernährung, wie sie heute viele praktizieren, nicht gesünder sein. Wenn es sich um hoch verarbeitete Lebensmittel handelt, wenn zu viel und zu häufig gegessen wird, senkt das Krebsrisiko sicher kaum. Man muss nicht auf Fleisch oder tierische Produkte verzichten, um gesund zu leben.

Auch nicht auf rotes Fleisch, das besonders krebserregend sein soll?

Ich trenne hier nicht nach rot und weiß. Rotes Fleisch, das von Tieren aus artgerechter Haltung stammt, ist in jedem Fall gesünder als weißes Geflügelfleisch aus Massentierhaltung. Denn im Fleisch verbleiben Rückstände aus der Tierernährung. Und die ist bei artgerechter Haltung besser.

Und welchen Effekt hat die Bewegung oder der Sport auf das Krebsrisiko?

Bewegung, und vor allem solche an der frischen Luft, setzt immunologische Prozesse in Gang. Die körpereigene Abwehr wird damit gestärkt. Und ein gutes Immunsystem ist in der Lage, Krebszellen am Einnisten und Vermehren im Körper zu hindern. Hinzu kommt der psychologische Faktor. Den Kopf freizubekommen und etwas geleistet zu haben, machen glücklich. Und Glücklichsein stärkt auch das Immunsystem.

Wie oft sollte man Sport treiben?

Ich spreche nicht unbedingt von leistungsorientiertem Sport. Einen täglichen Spaziergang von einer halben Stunde kann jeder schaffen, Alt und Jung. Mindestens aber zweimal pro Woche sollte man jeweils für eine Stunde Bewegung haben, möglichst solche, bei der man ins Schwitzen kommt und die den Kreislauf ordentlich in Schwung bringt.

Bei vielen Krebskrankheiten gibt es eine familiäre Häufung. Diesen Menschen hilft es sicher nicht, nur gesund zu leben?

Das stimmt. Wir Genetiker gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der Menschen eine Krebsveranlagung hat. Die Früherkennungsprogramme setzen bei den Altersgruppen an, in denen die meisten Krebsfälle auftreten. Deshalb fallen viele durchs Raster. Auch die Familien sind heute nicht mehr so groß, dass man über Generationen verfolgen kann, wer wann Krebs hatte. Deshalb plädiere ich für einen Gentest, der jedem zustehen sollte, der das für sich wünscht. Eine auf diese Weise früh erkannte Veranlagung und Überwachung ist unterm Strich kostengünstiger als mehrere Zyklen Chemotherapie.

Verunsichert das die Menschen nicht noch mehr, wenn sie wissen, dass sie ein erhöhtes Krebsrisiko haben?

Ein Gentest muss keine psychische Belastung sein, er kann auch motivieren, die Früherkennungsangebote zu nutzen und einen gesunden Lebensstil zu pflegen. Denn auch diesen Menschen hilft ein gutes Immunsystem. Ist ein familiäres Risiko nachgewiesen, werden ohnehin frühere und engmaschigere Kontrollen angeboten. Doch ich wäre auch dafür, jedem die Früherkennungsuntersuchungen zu ermöglichen, der es möchte, ganz gleich in welchem Alter. Die Kosten dafür sind nur ein Bruchteil von denen einer Behandlung. Und früh erkannte Tumore haben meistens eine bessere Prognose.

Patiententag zum Krebskongress in Chemnitz

  • Am Samstag, dem 22. April, findet von 10 bis 15 Uhr parallel zum Sächsischen Krebskongress ein Patiententag statt, bei dem es um Möglichkeiten der Prävention und der Stärkung des Immunsystems geht.
  • Auch die bessere Versorgung der Krebspatienten und neue Therapien werden Themen sein.
  • Ort der Veranstaltung: das zentrale Hörsaal- und Seminargebäude der TU Chemnitz, Reichenhainer Straße 90.