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In Sachsen könnte viel mehr ambulant operiert werden

Kassenärzte-Chef Andreas Gassen fordert, die Zahl der Klinik-Operationen deutlich zu reduzieren und mehr ambulant vorzunehmen. Mediziner sehen darin nicht nur Kostenvorteile. Die Krankenhausgesellschaft fürchtet Wartezeiten.

Von Stephanie Wesely
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Eine OP-Schwester legt das OP-Besteck aus. Der Kassenärzte-Chef plädiert für künftig mehr ambulante OPs.
Eine OP-Schwester legt das OP-Besteck aus. Der Kassenärzte-Chef plädiert für künftig mehr ambulante OPs. © Oliver Berg/dpa (Symbolbild)

Berlin/Dresden. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen fordert, die Zahl der Klinik-Operationen deutlich zu reduzieren und die Möglichkeiten für ambulante Behandlungen auszuweiten. „Wir brauchen eine Kehrtwende bei den Operationen. Es gibt unverändert viel zu viele stationäre Behandlungen in Deutschland“, sagte er in einem Interview. Von den rund 16 Millionen stationären OPs im Jahr könnten drei bis vier Millionen ambulant durchgeführt werden, auch von niedergelassenen Ärzten.“

In Sachsen werden pro Jahr etwa 220.000 Patienten ambulant operiert, zwei Drittel davon in Arztpraxen, sagt Klaus Heckemann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). Aus seiner Sicht könnten 120.000 Eingriffe, die derzeit noch stationär erfolgten, hinzukommen. „Das wäre auch aus Kostengründen sinnvoll“, sagt er.

Allerdings dürfe nicht allein anhand der Diagnose festgelegt werden, ob eine Operation stationär oder ambulant erfolge. „Wichtig ist die Sicherheit des Patienten. Die Entscheidung muss immer von seinem gesundheitlichen und körperlichen Befinden abhängig gemacht werden“, so Heckemann.

Weniger Ausgaben und Infektionen

Außerdem brauche es eine gerechtere Finanzierung. Sollen ambulante und stationäre Operationen gleichwertig sein, müssten sie auch gleich honoriert werden.“ Das bedeute bei dem einen etwas mehr, bei dem anderen etwas weniger Geld, so Heckemann.

Diese Forderung erhebt auch die Krankenhausgesellschaft Sachsen. Ambulante OP-Leistungen würden derzeit schlechter vergütet als stationäre. Sie sind damit weniger attraktiv. Im Durchschnitt seien 34 Prozent der anfallenden Kosten nicht durch die Erlöse gedeckt, so die Gesellschaft.

Der Katalog mit ambulant möglichen Operationen umfasst derzeit knapp 3.100 Diagnosen. Am häufigsten seien Gassen zufolge Leisten- und Gelenk-Operationen. Mit einer steigenden Zahl ambulanter Operationen ließe sich aber nicht nur Geld sparen. Auch Infektionen durch gefährliche Krankenhauskeime würden reduziert.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat ablehnend auf den Vorstoß von Gassen reagiert. „Der Vorschlag klingt gut, ist aber völlig unrealistisch“, sagte Vorstandschef Gerald Gaß. Schon heute müssten gesetzlich Versicherte viele Monate, zum Teil weit über ein halbes Jahr auf einen Termin beim Facharzt warten. „Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie sich dieser Zustand noch weiter verschlechtern würde, wenn jetzt noch zusätzlich Millionen Patienten aus den Krankenhäusern auf Operationen in den Arztpraxen warten müssten.“

Gaß zeigte sich offen dafür, dass auch niedergelassene Ärzte in Kliniken operieren. Gerade komplexere ambulante Operationen sollten an den Krankenhäusern durchgeführt werden, um dort in einem für Patienten gesicherten Umfeld auf mögliche medizinische Risiken gut und qualitativ hochwertig reagieren zu können.

Bund und Länder hatten sich vor einer Woche auf Eckpunkte für eine Klinikreform verständigt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will über den Sommer einen Gesetzentwurf dazu erarbeiten. In Kraft treten soll die Reform Anfang 2024. Die Pläne sehen vor, das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern, um Kliniken vom Druck zu immer mehr Fällen zu lösen. Daher sollen sie 60 Prozent der Vergütung allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dies soll auch kleinere Kliniken auf dem Land absichern. (mit dpa)