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Wie sich diese junge Frau durchkämpft, um Hausärztin auf dem Land zu werden

Hausärztin abseits der Großstadt? Genau davon träumt Anna Kempe aus Dorf Wehlen. Denn auf dem Land wird sie dringend gebraucht.

Von Beate Erler
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Anne Kempe hat einen Traum: Die 30-Jährige will als Hausärztin auf dem Land arbeiten. Der Weg dahin war aber steinig.
Anne Kempe hat einen Traum: Die 30-Jährige will als Hausärztin auf dem Land arbeiten. Der Weg dahin war aber steinig. © Mike Jäger

Dass sie einmal Ärztin werden will, wusste sie schon früh. Ganz am Anfang war es noch Tierärztin. Mit etwa 15 Jahren merkt sie, dass sie sich doch lieber um Menschen kümmern will. „Ich bin da familiär geprägt“, sagt Anna Kempe. "Mein Onkel und meine Tante sind Ärzte und auch im Freundeskreis gibt es einige.“

Doch fast hätte es mit ihrem Traumberuf, der so dringend gebraucht wird, nicht geklappt. Ihr Abitur schließt sie 2013 mit einem Notendurchschnitt von 2,0 ab. Ein guter Schnitt, aber nicht gut genug für das Medizinstudium. Der Numerus Clausus (NC) liegt damals bei 1,0. Und auch heute liegt der NC je nach Bundesland und Universität meist zwischen 1,0 und 1,9. „Diesen Fokus nur auf die Abiturnote fand ich schon immer schwierig“, sagt Anna Kempe. Sie kennt viele Studenten, die diesen Schnitt im Abitur nicht hatten, aber sich im Studium dahintergeklemmt und es auch geschafft haben.

Dabei ist es schon eine Leistung, dass sie das Abitur so gut geschafft hat. Niemand fragt nach, woran es gelegen hat, dass man keinen Einser-Schnitt hat, sagt sie. Bei ihr lag es am Leistungssport. Anna Kempe spielt seit ihrem sechsten Lebensjahr Tischtennis. So gut, dass sie in der deutschen Nationalmannschaft gespielt hat und die Nummer vier in Europa war.

Ärztenachwuchs für ländlichen Raum in Sachsen

In der sechsten Klasse ging sie deshalb auch auf das Sportgymnasium in Dresden. „Durch den Leistungssport habe ich viel Unterricht verpasst“, sagt die heute 30-Jährige. "Ich hatte oft keine Schule und war zu Turnieren in der ganzen Welt unterwegs.“ Heute spielt sie in der Regionalliga und hat immer noch mehrmals in der Woche Training.

Dass es mit dem Medizinstudium doch noch geklappt hat, lag nicht an den Wartesemestern. Da hätte sie mehrere Jahre auf den Unistart warten müssen. Das Projekt „Studium in Europa - Zukunft in Sachsen“ der Kassenärztlichen Vereinigung (KV Sachsen) gibt es seit zehn Jahren. Bis Ende Januar konnten sich Interessierte für den neuen Jahrgang bewerben. Anna Kempe war im Jahrgang 2015 dabei und hat ihr Studium 2021 erfolgreich beendet.

Die Chance: Das Medizinstudium ist hier mit einem Abi-Durchschnitt bis 2,6 möglich. Das geförderte Studium wird an der Universität Pécs in Ungarn absolviert. Dafür gehen die insgesamt 40 Studenten pro Jahrgang eine Patenschaft mit einer Hausarztpraxis in Sachsen ein, bei der sie die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin machen. Außerdem verpflichten sie sich anschließend, für mindestens fünf Jahre außerhalb der Großstädte Dresden und Leipzig tätig zu sein.

„Ich wollte immer Hausärztin sein und in meiner Heimat praktizieren“

Denn Nachwuchs auf dem Land wird dringend gebraucht. In Sachsen gibt es 450 unbesetzte Hausarztstellen, so die KV Sachsen. Die jungen Ärzte gehen eher in die Städte und in Krankenhäuser. Deshalb gibt es vor allem im ländlichen Raum Versorgungseinschränkungen. Und der Ärztemangel wird in den nächsten Jahren noch zunehmen, da viele der jahrelang praktizierenden Hausärzte in Rente gehen. „Die Absolventen aus Pécs tragen erheblich dazu bei, die ärztliche Versorgung in Sachsen zu sichern“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen, Dr. med. Klaus Heckemann.

Seit 2019 sind insgesamt 43 Absolventen aus dem Projekt zur Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin zurück in Sachsen. So wie Anna Kempe, die gebürtig aus Dorf Wehlen stammt. Als sie das erste Mal von der Möglichkeit hört, bewirbt sie sich nicht. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, fünf Jahre so weit weg zu sein“, sagt sie. Schließlich geht sie doch nach Ungarn, denn sie will in Deutschland nicht ewig warten.

Hausärztin zu sein, war immer ihr Wunsch und auch die Vorstellung in Sachsen und im ländlichen Raum arbeiten zu müssen schreckt sie nicht ab. „Ich wollte sowieso immer wieder zurück in meine Heimat“, sagt sie. Das Studium in Ungarn war sehr gut, die Universität habe einen hohen Anspruch und die Ausbildung sei gut strukturiert, sagt sie. Aber es war auch sehr hart: Fünf Jahre Vollzeit-Studium und danach ein Jahr mit Praktika in Sachsen. Ihre Patenschaft hat sie mit einer Praxis in Radeberg abgeschlossen.

KV übernimmt Studiengebühren

Zuletzt war sie in ihrer Weiterbildungszeit zur Allgemeinmedizinerin zwei Jahre im Krankenhaus Bischofswerda tätig. Aktuell ist sie am Krankenhaus Dresden Friedrichstadt in der Neurologie. Sie macht Visiten, führt Untersuchungen durch, schreibt Arztbriefe, führt Angehörigengespräche. Bis Anna Kempe als Hausärztin praktizieren kann, werden aber noch drei Jahre vergehen. Deshalb weiß sie auch noch nicht, wo es sie hin verschlägt. Auf jeden Fall nicht nach Dresden oder Leipzig.

Sie ist dankbar für die Möglichkeit, in Ungarn ihren Traumberuf studiert haben zu können. Es gab auch viele Studenten, die das Studium in Pécs privat bezahlt haben. „Das ist sehr teuer und können sich meist nur Ärztekinder leisten“, sagt Anna Kempe. Durch das Stipendium hat die KV Sachsen die Studiengebühren übernommen und ihre Eltern mussten nur die Unterhaltskosten zahlen.