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Kosten fürs Pflegeheim in der Region Döbeln explodieren

Bei vielen Bewohnern reicht die Rente nicht mehr, um den Platz im Seniorenheim zu bezahlen. Was das für Folgen für jeden Einzelnen und den Landkreis hat.

Von Cathrin Reichelt
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Viele Senioren, die in Pflegeheimen betreut werden, können sich den Eigenanteil nicht mehr leisten.
Viele Senioren, die in Pflegeheimen betreut werden, können sich den Eigenanteil nicht mehr leisten. © SAE Sächsische Zeitung

Mittelsachsen. Die alte Dame lebt bereits seit einigen Jahren in einem Seniorenheim in der Region Döbeln. Regelmäßig bekommt sie Besuch von ihren Kindern, die in der Nähe wohnen. Der Sohn kümmert sich um alle bürokratischen Belange – und damit auch um die Finanzierung des Pflegeheimplatzes. Die war bisher mit der Rente, Witwenrente und dem Ersparten der Frau gesichert.

Doch ein Brief des Seniorenheimes versetzte den Kindern jetzt einen Schock und ließ den Sohn zum ersten Mal in seinem Leben zum Telefon greifen und das Sozialamt im Landratsamt Mittelsachsen anrufen.

Ab März sollen die Kosten für den Platz explosionsartig steigen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Abschluss einer neuen Pflegesatzvereinbarung mit den zuständigen Kostenträgern geplant. Das sind die Verbände der Pflegekassen und der überregionalen Träger der Sozialhilfe.

Der Grundbetrag für die Frau mit einem Pflegegrad 2 liegt bisher bei rund 2.400 Euro. Da sie schon einige Jahre im Seniorenheim betreut wird, erhält sie einen Leistungszuschlag, sodass sich der Betrag auf 1.900 Euro reduziert. Künftig liegt die Zuzahlung voraussichtlich bei reichlich 3.700 Euro. Wie hoch der Leistungszuschlag sein wird, ist noch unklar.

Sach- und Personalkosten gestiegen

Das Seniorenheim begründet die extreme Erhöhung mit gestiegenen Sachkosten in den Bereichen Steuern, Abgaben, Versicherungen, Energie, Wasser und Verwaltungsbedarf.

Hinzukommen höhere Löhne und Gehälter für Pflege- und Betreuungskräfte sowie die Mitarbeiter der Verwaltung, aber auch ein Preisanstieg in den Bereichen Küche, Wäscherei und Reinigung, die durch Fremdfirmen abgedeckt werden.

Die Frau muss ihr Erspartes fast komplett für die Bezahlung des Pflegeheimplatzes einsetzen. Laut Gesetz darf sie lediglich 10.000 Euro behalten. Und ihr stehen pro Monat 180 Euro für den sofortigen Verbrauch zu. Davon muss sie aber nicht nur den Friseur, die Fußpflege, Kleidung, Kosmetik oder mal eine Zeitschrift bezahlen, sondern auch Medikamente und medizinisches Material, wie Katheter. Aber dafür reicht das Geld nicht, sagt der Sohn.

Der geplante Anstieg der Pflegeheimkosten hat nicht nur Auswirkungen auf jeden einzelnen Bewohner, sondern auch auf die Ausgaben des Landkreises Mittelsachsen. Der springt ein, wenn sich Bewohner den Pflegeheimplatz nicht mehr leisten können.

Darauf hat auch das Heim aus der Region Döbeln in seinem Schreiben verwiesen und angemahnt, dass sich die Bewohner oder deren Angehörige vorsorglich an das Sozialamt wenden sollen, sobald absehbar ist, dass sie die Kosten nicht mehr allein aufbringen können.

55 Prozent mehr Anträge in einem Jahr

Zum einen zahlt das Amt frühestens ab dem Zeitpunkt, an dem der Bedarf gemeldet wurde. Zum anderen ist der Bearbeitungszeitraum sehr lang. „Wir sprechen aktuell von sechs bis sieben Monaten“, erklärt Landkreissprecher André Kaiser auf Nachfrage dieser Zeitung. Jeder Antrag sei individuell, daher variiere die Bearbeitungszeit.

Bereits in den vergangenen Jahren sind im Sozialamt zunehmend mehr Anträge auf die finanzielle Unterstützung von Pflegebedürftigen eingegangen. „Zum Stichtag 31. Dezember 2022 hatten wir 1.028 registrierte Vorgänge. Dazu gehörten laufende Fälle sowie Neuanträge, über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden war. Ein Jahr später waren es bereits 1.593 derartige Vorgänge“, vergleicht der Landkreissprecher.

Damit erfolgte eine Steigerung von rund 55 Prozent. Die Ausgaben für die Hilfe zur Pflege, zu der die häusliche, ambulante, Kurzzeit- oder stationäre Pflege, aber zum Beispiel auch Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung gehören, beliefen sich im vergangenen Jahr in Mittelsachsen auf 6,77 Millionen Euro. 2022 waren es noch 4,53 Millionen Euro.

In diesem Jahr rechnet die Landkreisverwaltung aufgrund der höheren Eigenanteile mit einer weiteren Erhöhung. Eine konkrete Schätzung, wie hoch die Ausgaben in diesem Bereich ausfallen werden, sei jedoch schwierig.

Anträge oft unvollständig

Um die Flut der Anträge schneller bearbeiten zu können, ist bereits vor einigen Monaten ein Callcenter damit beauftragt worden, telefonische Anfragen zu beantworten. Außerdem wurde das Personal im Sozialamt verdoppelt.

Oft müssen die Mitarbeiter die Anträge mehrfach in die Hand nehmen, „denn fast alle Anträge sind unvollständig“, so Kaiser. Erforderliche Nachweise müssen nachgefordert werden. Auch ergeben sich im Laufe der Prüfung solcher Unterlagen erneut Fragen hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Vor allem im Bereich der ambulanten Hilfe zur Pflege würden die Zuständigkeitsfragen komplexer und damit zeitaufwendiger in der Bearbeitung. Für die korrekte Berechnung des Leistungsanspruchs werden die gültigen Vereinbarungen der stationären Pflegeeinrichtungen benötigt.

„Viele Pflegeheime erledigen dies zeitnah, bei einzelnen Einrichtungen ist dies leider nicht der Fall“, sagt der Pressesprecher.

Das Landratsamt Mittelsachsen sei aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelungen unter Umständen auch für Bewohner in Pflegeheimen außerhalb des Landkreises zuständig. Die Bearbeitung dieser Fälle sei meist zeitintensiver.