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Lauterbachs Hausärzte-Offensive: So soll die Versorgung besser werden

Patienten in Sachsen fällt es immer schwerer, einen Hausarzt zu finden. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will das ändern, auch mit Geld. Das reicht nicht, sagen Kritiker.

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Dringend gesucht: Deutschlandweit fehlen knapp 5.000 Hausärzte.
Dringend gesucht: Deutschlandweit fehlen knapp 5.000 Hausärzte. © Christian Charisius/dpa

Von Sascha Meyer und Kornelia Noack

Extrem lange Wartezeiten oder verwaiste Praxen auf dem Land: Schon jetzt haben Patienten in Sachsen Probleme, einen Termin bei einem Arzt zu erhalten. Künftig könnte es noch schwieriger werden. Denn die niedergelassenen Mediziner warnen davor, dass sie Patienten nicht mehr ausreichend behandeln können, falls sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessern.

Genau das will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seinen am Mittwoch vorgestellten Gesetzesplänen erreichen. Vorgesehen sind finanzielle Anreize, auch um hausärztlichen Nachwuchs zu gewinnen. In Sachsen sind derzeit 383 Hausarzt-Stellen unbesetzt – bundesweit sind es rund 5.000. Daher wolle er den Beruf „lukrativer, unbürokratischer und damit attraktiver“ machen, sagte Lauterbach. Locken soll auch, dass Hausärzte mehr von zu Hause arbeiten können, beispielsweise um Rezepte oder Krankschreibungen digital auszustellen.

Jeder dritte Hausarzt kurz vor der Rente

Die Offensive soll zudem erreichen, das Praxisnetz mit Blick auf nahe Ruhestandswellen zu erhalten. Hausärzte seien erste Ansprechpersonen für Versicherte und Lotsen im System, heißt es im Gesetzentwurf. Zwar zeigte sich zuletzt kein Rückgang mehr. Ende 2023 gab es laut Bundesarztregister 51.389 Hausärzte und damit 75 mehr als Ende 2022. Zehn Jahre zuvor waren es aber 52.262 gewesen. Bei Hausärzten ist der Anteil der Über-60-Jährigen mit 37 Prozent besonders hoch. In Sachsen steht jeder Dritte von den rund 2.600 praktizierenden Hausärzten vor dem Ruhestand.

Die Vergütung: Für Hausärzte sollen – wie schon bei Kinderärzten – übliche Budgets bei der Vergütung wegfallen. Bisher ist das Geld, das Ärzte für die Behandlung gesetzlich Versicherter erhalten, nach oben begrenzt. Dies soll verhindern, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Die Entbudgetierung bedeutet nun, dass die Ärzte Mehrarbeit sicher vergütet bekommen. „Jede Leistung wird bezahlt“, sagte Lauterbach. So soll es für Hausärzte auch attraktiver werden, wieder mehr Patienten anzunehmen.

Zu Buche schlagen dürfte das mit einem „unteren dreistelligen Millionenbetrag“ an Mehrkosten bei den gesetzlichen Krankenkassen, wie das Gesundheitsministerium schätzt. Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS), begrüßt den Schritt: „Seit Jahren werden die Praxen nur zu etwa 90 Prozent für alles bezahlt, was sie für ihre Patienten leisten.“

Neue Pauschalen: Praxen sollen eine jährliche „Versorgungspauschale“ für Patienten mit leichten chronischen Erkrankungen und wenig Betreuungsbedarf erhalten. Das soll Praxisbesuche in jedem Quartal nur zum Rezepte holen vermeiden und mehr Freiräume schaffen. Hausärzte könnten medizinisch festlegen, ob sich jemand zweimal oder achtmal im Jahr vorstellen sollte, erläuterte Lauterbach.

Eine neue „Vorhaltepauschale“ sollen Arztpraxen bekommen, die maßgeblich die hausärztliche Versorgung aufrecht erhalten. Dafür müssen sie bestimmte, noch festzulegende Kriterien erfüllen – zum Beispiel zu Haus- und Pflegeheimbesuchen oder Abendsprechstunden nach 19 Uhr.

Jugendliche: Verbessert werden sollen laut Gesetzentwurf auch psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche. Dazu soll für Planungen des Bedarfs eine neue eigene Arztgruppe gebildet werden. Dies ermögliche „eine zielgenauere Steuerung der Niederlassungsmöglichkeiten“ für entsprechende Praxen.

Transparenz: Für gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte soll ein digitales Informations- und Vergleichsangebot geschaffen werden, wie es im Entwurf heißt. Abrufbar sein sollen dort etwa Zahlen zu Genehmigungen, Ablehnungen und Widersprüchen bestimmter Kassenleistungen – aber auch zur Bearbeitungsdauer und zur Qualität von Beratungs- und Unterstützungsangeboten.

Medizinische Versorgungszentren: Für Kommunen soll es einfacher werden, medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen, in denen Ärzte unter einem Dach arbeiten.

In der Warteschleife: Um das Vorhaben in Gang zu setzen, hat Lauterbach einige in der Koalition umstrittene Punkte herausgelöst. In den parlamentarischen Beratungen sollen sie aber erneut aufgerufen werden. Dazu gehören „Gesundheitskioske“, also leicht zugängliche Beratungsstellen für Behandlung und Prävention in Gegenden mit vielen sozial benachteiligten Menschen. Stark machen will sich Lauterbach auch für ein Aus für homöopathische Leistungen auf Kassenkosten. Dies seien Versorgungen, die nicht wirkten. Dafür sollten die Kassen auch nicht bezahlen. Der Entwurf geht jetzt in den Bundestag, die erste Lesung wird noch vor der Sommerpause angepeilt.

Kritik von Kassen und Patientenschützern

Reaktionen: Nach der Vorstellung der Pläne meldeten Patientenschützer und Krankenkassen bereits Zweifel an. Ärztevertreter forderten weitere Schritte. So begrüßte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband „spürbare Verbesserungen“ durch den Wegfall der Honorar-Obergrenzen. Dies reiche jedoch nicht aus, um das Ruder herumzureißen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) monierte „wenig Mehrwert für viel Beitragsgeld“. Ohne die Vergütungsgrenzen könnten sogar weniger Anreize bestehen, Praxen in ländlichen Räumen zu führen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, eine Entscheidung dafür hänge von weiteren Faktoren ab. Und für chronisch kranke, alte und pflegebedürftige Menschen werde es immer schwieriger, einen neuen Hausarzt nach einer Praxisaufgabe zu finden. Unions-Experte Tino Sorge (CDU) bemängelte, es sei völlig offen, wie auch Fachärzte unterstützt werden sollten. (dpa/rnw)

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