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Kann AIDS bis 2030 besiegt werden?

In Sachsen leben etwa 3.400 Menschen mit dem HI-Virus. Zunehmend infizieren sich auch Heterosexuelle. Hoffnung macht ein Vorsorgemedikament.

Von Sylvia Miskowiec
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Rote Schleife als Zeichen der Solidarität - am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag.
Rote Schleife als Zeichen der Solidarität - am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag. © dpa-Zentralbild

In sieben Jahren soll es kein HIV und kein AIDS mehr auf der Welt geben, sagt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Deutschland zumindest hat sich bereits viel getan im Kampf gegen das Immunschwächevirus. Im vergangenen Jahr steckten sich neuen Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) 1.900 Personen mit HIV an, ungefähr so viele wie im Jahr zuvor. Ende der 1980er-Jahre, zur Hochzeit von HIV, waren es noch rund 4.000 jährlich. Insgesamt leben in Deutschland etwa 90.8000 Infizierte mit dem Immunschwächevirus, davon 3.400 in Sachsen.

Risiko Drogengebrauch

„Die Gründe für die rückläufigen Zahlen sind bessere Aufklärung, niederschwellige Testangebote und eine wirksame antivirale Therapie, die ein weitgehend normales Leben ermöglicht und auch vor einer Übertragung des Virus schützt“, sagt Infektiologe Christoph Spinner. Doch die Ansteckungen sinken nicht für alle Personengruppen. Bei Heterosexuellen und bei Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, stiegen sie leicht an. Etwa 520 Menschen infizierten sich Spinner zufolge im vergangenen Jahr auf heterosexuellem Weg, 2021 waren es 440. Davon traf es mehr Frauen (310) als Männer (210). Rund 370 weitere Menschen infizierten sich beim intravenösen Drogengebrauch, rund 60 mehr als im Vorjahr.

Kasse zahlt für Medikament

Ein wirksamer Schutz gegen eine HIV-Infektion ist die Nutzung eines Kondoms beim Geschlechtsverkehr. Die zweite, weniger bekannte Möglichkeit, ist die sogenannte Präexpositionsprophylaxe, kurz Prep. Dafür nehmen Menschen, die potenziell gefährdet sind, sich anzustecken, täglich oder über mehrere Tage rund um den riskanten Sexualkontakt ein Medikament ein. „Die beiden enthaltenen Wirkstoffe gelangen unter anderem in die Zellen der Schleimhäute, die beim Sex mit Körperflüssigkeiten oder Schleimhäuten des Partners in Kontakt kommen“, erklärt die Deutsche Aidshilfe anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember. „Wenn HI-Viren in diese Zellen eindringen, können sie sich nicht vermehren, was eine HIV-Infektion verhindert.“ Dafür müsse jedoch eine ausreichende Menge der Wirkstoffe im Blut und in den Schleimhäuten vorhanden sein. Wird das Medikament abgesetzt, verschwindet die Schutzwirkung.

Seit September 2019 ist Prep in Deutschland für Menschen mit einer erhöhten HIV-Infektionsgefahr eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse. Ein solches Risiko haben zum Beispiel Frauen und Männer, deren Partner HIV-positiv ist sowie Männer, die Sex mit Männern haben. Laut RKI nehmen immer mehr Personen Pep in Anspruch. „Nach Schätzungen nutzten im September etwa 39.000 Menschen bundesweit die Präexpositionsprophylaxe“, sagt RKI-Projektleiter Daniel Schmidt. Ende 2022 sei man von 32.000 Nutzenden ausgegangen, in Jahr davor von rund 19.000. Allerdings könnten Schmidt zufolge wesentlich mehr Menschen von dem Schutz profitieren. Bislang würden fast ausschließlich – zu 98 Prozent – bi- und homosexuelle Männer das Medikament nutzen.

Pille danach gegen HIV

Zudem gibt es als Notfallmedikament so etwas wie eine „Pille danach“, die sogenannte HIV-Postexpositionsprophylaxe, kurz Pep. „Sie wird nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen, wenn man davon ausgeht, dass dabei ein relevantes HIV-Infektionsrisiko bestanden haben könnte“, sagt Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband. „In der Regel wird über vier Wochen eine Kombination von drei Medikamenten verschrieben.“ Mit einer Pep muss so schnell wie möglich nach dem riskanten Sex begonnen werden: am besten innerhalb von zwei bis 24 Stunden, spätestens nach 48 Stunden. Die Deutsche Aidshilfe informiert über Kliniken, die Pep anbieten. Die Krankenkassen bezahlen diese Behandlung in der Regel.

Gute Lebensprognose

Wer sich mit HIV infiziert hat, kann mittlerweile dank ausgefeilter Therapie auf eine gute Prognose hoffen, sofern die Behandlung früh begonnen hat. 96 Prozent der hierzulande Diagnostizierten erhalten entsprechende Medikamente. Bei den allermeisten Behandelten sind keine HI-Viren mehr nachweisbar. Dann sind die Infizierten nicht mehr ansteckend und erkranken nicht an AIDS. Von AIDS spricht man, wenn das Virus das Immunsystem soweit geschwächt hat, dass der Körper Infektionen nur noch eingeschränkt selbst bekämpfen kann. Ganz aus dem Körper entfernen lässt sich das HI-Virus allerdings nicht. Die Medikamente müssen lebenslang eingenommen werden.

Dem Ziel der WHO, bis 2030 HIV und AIDS den Garaus zu machen, erteilt das RKI aber eine Absage. „Eine Elimination ist unrealistisch, solange es keinen Impfstoff gibt – und ein solcher ist nicht in Sicht.“ Weltweit lebten 2022 rund 39 Millionen Menschen mit HIV. Etwa 1,3 Millionen infizieren sich pro Jahr neu mit dem Immunschwächevirus, besonders in Nordafrika, dem Mittleren Osten und in Osteuropa, vor allem in Russland. In Teilen Osteuropas entwickelt sich den RKI-Wissenschaftlern zufolge gerade eine Epidemie unter Heterosexuellen. Schuld daran sei vor allem eine fehlende effektive Präventionsarbeit unter Drogenkonsumenten. (mit dpa)