SZ + Görlitz
Merken

Brutaler "Freundschaftsdienst" führt Görlitzer ins Gefängnis

Wenn zwei Vorbestrafte das Schuldeneintreiben in die Hand nehmen und es dann aus dem Ruder läuft. Das Landgericht Görlitz hat nun harte Urteile gesprochen.

Von Frank Thümmler
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Symbolfoto
Symbolfoto © dpa

Im Landgericht Görlitz herrschte am Dienstagvormittag explosive Stimmung. Zur Urteilsverkündung im Verfahren gegen zwei Görlitzer, denen vorgeworfen worden war, auf brutale Weise einen Mann in dessen Wohnung zusammengeschlagen und die Familie beraubt zu haben, waren neben der Freundin des einen Angeklagten auch zahlreiche Verwandte des anderen im Gerichtssaal. Als Richter Uwe Böcker die Gefängnisstrafen gegen beide Angeklagten ausgesprochen hatte, platzte es aus einem gerade Verurteilten raus: "Ihr habt doch wie die Irren auf den eingeschlagen", rief er den zwei jugendlichen Männern im Zuschauerbereich zu. Eine Frau schrie zurück: "Du hast doch meinen Mann in diese ganze Sch... reingezogen". Es folgten gegenseitig unflätige Rufe bis Richter Böcker drohte, den Saal räumen zu lassen.

Die Enttäuschung des Verurteilten über den Urteilsspruch konnte man nachvollziehen. Schließlich hatte sein Verteidiger Christian Penning eine Bewährungsstrafe gefordert und er hoffte, vielleicht schnell wieder auf freien Fuß zu kommen. Das Gericht unter Vorsitz von Richter Uwe Böcker aber hatte ihn als Mittäter wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe, den anderen Angeklagten zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt - natürlich ohne Bewährung – und war damit den Forderungen des Staatsanwalts gefolgt. Der Sachverhalt, so schilderte es Böcker in seiner Urteilsbegründung, sei dank des Geständnisses des einen Angeklagten und der Zeugenaussagen - vor allem der Opfer - klar: Die beiden Angeklagten waren überzeugt, dass das Opfer 360 Euro Schulden bei einer Freundin hatte und wollten diese eintreiben. Sie machten sich auf zur Görlitzer Wohnung des Opfers, der "Glatzkopf" trat die Hauseingangstür ein. An der Wohnung des Opfers wurde geklopft. Der zweite Angeklagte, stark alkoholisiert, begann sofort mit einer Prügelorgie gegen den Mann, während der "Glatzkopf" ihm beim Versuch, die Polizei anzurufen, das Handy entriss und der schockierten Frau erklärte, man wolle jene 360 Euro Schulden eintreiben. Der "Glatzkopf" habe sich dann entfernt und das Handy mitgenommen. Außerdem fehlten am Ende nach Angaben der Opfer ein iPhone 14 und 300 Euro Bargeld. Auch die anderen Eindringlinge, neben dem zweiten Angeklagten noch zwei junge Kerle, verließen gegen die Versicherung, das Geld würde binnen einer halben Stunde aufgetrieben, das Haus und trafen bei ihrer Rückkehr auf die Polizei. Da rief der zweite Angeklagte dann verbotene rechtsradikale Parolen und griff Beamte an.

Geraubtes Handy war doch noch da

So richtig schwierig wurde dieser Fall dadurch, dass sich herausstellte, dass die Opfer wohl nicht die komplette Wahrheit gesagt hatten. Das iPhone 14 war gar nicht weg. Ein Zeuge sagte vor Gericht, er habe es im Nachgang für die Opfer verkaufen sollen. Offensichtlich wollten die Opfer von dem grausigen Überfall auch finanziell ein wenig profitieren und den Angeklagten den Handyklau zusätzlich anhängen. Richter Böcker aber reichten auch die beiden anderen abhanden gekommenen Dinge (300 Euro Bargeld und einfaches Handy) für eine Verurteilung wegen Raubes.

Das hatten beide Verteidiger in ihren Plädoyers anders gesehen. Beide Verteidiger glaubten den Opfern nach jener iPhone-Lüge nicht, dass auch die 300 Euro fehlten, zumal deren Wegnahme auch niemand beobachtet hatte. Und Christian Penning, der Verteidiger des "Glatzkopfs", erklärte, für das von seinem Mandanten entrissene Handy habe es keine Zueignungsabsicht gegeben, es sei nur darum gegangen, den Anruf bei der Polizei zu verhindern. Er hatte schließlich ja auch ausgesagt, das Handy im Treppenhaus einer der Frauen in die Hand gedrückt zu haben. Wer aber nichts raubt, könne auch nicht als Räuber bestraft werden. Außerdem machte Penning für seinen Mandanten einen "Mittäterexzess" geltend. Die prügelnde Eskalation sei nicht abgesprochen gewesen, im Gegenteil, sie habe seinen Mandanten überrascht. Folglich könne er dafür nicht bestraft werden. Er forderte, seinen Mandanten lediglich wegen einer "heftigen" Nötigung, die diese "Schnapsidee eines Aktes von Selbstjustiz" juristisch gewesen sei, zu verurteilen zu einer Freiheitsstrafe, die noch deutlich zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Sein Kollege Ehlers sah für seinen prügelnden Angeklagten, der allerdings in den letzten sieben Jahren straffrei geblieben war, eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren als angemessen an.

Das Gericht unter Vorsitz von Uwe Böcker folgte den Argumenten der Verteidiger nicht. Vielmehr glaubte er bezüglich der 300 Euro trotz der "iphone-Lüge" der Aussage der Opfer. Dem "Glatzkopf " rechnete er zwar sein Geständnis in der Urteilsbemessung zugute, glaubte ihm davon aber nur das, was ihn belastete (zum Beispiel war das Eintreten der Haustür nicht mal angeklagt). Natürlich, so schilderte es Böcker, habe er sich jenes entrissene Handy zueignen wollen. Und so kam es doch zu einer Verurteilung wegen Raubes mit deutlich höheren Strafen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Beide Verteidiger werden mit ihren Mandanten beraten, ob sie in Revision gehen. Das Problem: Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfolgt keine erneute Beweisaufnahme, ein Wort-Protokoll der Aussagen vor dem Landgericht existiert nicht. Vor dem BGH wird nur geprüft, ob das Urteil juristisch korrekt ist.