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Einkommen, Geburten, Schulabschluss: Zehn Fakten über das Leben im Kreis Görlitz

Alle zwei Jahre ermittelt der Landkreis Görlitz Fakten über das Leben in der Region. Jetzt war es wieder so weit. Und der Sozialstrukturatlas enthält auch Überraschendes.

Von Sebastian Beutler
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Wir werden weniger und älter. So fasste Kreis-Sozialplaner Matthias Reuter die Zahlen über die Lebensweise im Kreis Görlitz zusammen.
Wir werden weniger und älter. So fasste Kreis-Sozialplaner Matthias Reuter die Zahlen über die Lebensweise im Kreis Görlitz zusammen. © Archivfoto: André Schulze

Alle zwei Jahre stellt das Landratsamt in seinem Sozialstrukturatlas wichtige Entwicklungen über das Leben im Kreis Görlitz zusammen. Durch die Corona-Pandemie ist diese Berichterstattung vor zwei Jahren ausgefallen, viele Daten wurden während der Pandemie gar nicht erhoben. Trotzdem hat Sozialplaner Matthias Reuter nun erneut zusammengestellt, was das Leben im Kreis Görlitz auszeichnet, wo es Schwierigkeiten gibt und wie sich diese Lebensweise im Vergleich zu der in anderen Kreisen im Freistaat Sachsen verhält. Damit sind überraschende Einsichten verbunden.

1. Landkreis Görlitz verlor seit 1990 rund 120.000 Menschen

Die Stadt Görlitz ist die einzige Kommune im Kreis, die 2021 mehr Einwohner auswies als zehn Jahre zuvor. 55.519 Einwohner zählte die Stadt 2021, zehn Jahre zuvor waren es erst 54.283. Doch warnt Matthias Reuter, dass der „jahrelange Trend der Einwohnergewinne vorerst ein Ende gefunden“ habe, seit 2018 verliert auch Görlitz wieder Einwohner. Das ist der Regelfall im Kreis Görlitz, am stärksten die Gemeinden im Nordkreis und die großen Städte. Ende 2021 lebten im Kreis Görlitz nur noch 248.000 Einwohner, zehn Jahre zuvor waren es noch 267.800. Seit 1990 hat der Kreis Görlitz knapp 120.000 Menschen verloren, nur den Erzgebirgskreis traf die demografische Entwicklung seitdem härter. Am stabilsten entwickelten sich die Städte Dresden und Leipzig.

2. Vierkirchen ist die Gemeinde mit der höchsten Geburtenrate

Mit 1,9 Geburten auf 1.000 Einwohner ist Gablenz die Gemeinde mit der zweitniedrigsten Geburtenrate in Sachsen, dicht gefolgt von Beiersdorf. In Zittau lag die Zahl von 212 Geburten wieder im langjährigen Durchschnitt. Görlitz verzeichnet dagegen mit 413 Geburten einen Wert, der ähnlich niedrig liegt wie Anfang der 1990er-Jahre. Die höchste Geburtenrate wies 2021 die Gemeinde Vierkirchen mit 10,9 Geburten auf 1.000 Einwohner auf, absolut waren es 18 Babys. Die höchste Sterberate verzeichnete Oderwitz mit 32,5 Verstorbenen auf 1.000 Einwohner. Allerdings überzeichnet das große Pflegeheim bei wenigen Einwohnern die Situation und auch die Corona-Pandemie. Oderwitz landet sachsenweit damit auf Position zwei nach Steinberg im Vogtland (37,2). Groß Düben im Kreisnorden weist mit 6,5 Toten auf 1.000 Einwohner die geringste Sterberate im Kreis auf.

3. Mehr Zuzug von 30- bis 50-Jährigen

Rückkehrer stellen eine große Gruppe unter den Menschen, die in den Landkreis Görlitz ziehen und dann seine Naturschönheiten wie hier in Waltersdorf genießen.
Rückkehrer stellen eine große Gruppe unter den Menschen, die in den Landkreis Görlitz ziehen und dann seine Naturschönheiten wie hier in Waltersdorf genießen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Auch wenn die Einwohnerzahlen der Kommunen zumeist sinken, so gibt es doch viel Bewegung durch Zu- und Fortzüge. Und die Bilanz hier ist auch für den Landkreis Görlitz positiv. 2021 zogen 6.783 Menschen zu, nur 5.897 weg. Der Landkreis Görlitz hat nach Einschätzung von Matthias Reuter endgültig hier das Tabellenende verlassen und weist höhere Zugewinne aus als der Erzgebirgskreis und der Vogtlandkreis. Am positivsten unter den Kommunen im Kreis fiel die Wanderungsbilanz von Görlitz aus, hier zogen 296 Menschen mehr in die Stadt als weg, Löbau wendete den Trend und gewinnt über 120 Einwohner hinzu, auch in Zittau bleibt der Saldo mit 100 Personen stabil positiv. Weißwasser ist seit Jahren das Schlusslicht, dieses Mal mit minus 150 Menschen. Und noch ein neuer Trend: Die Abwanderung der 18- bis 25-Jährigen geht deutlich zurück, die Zuwanderung der 30- bis 50-Jährigen steigt deutlich an. Und in dieser Altersgruppe ziehen mehr Frauen als Männer in den Kreis.

4. Polen stellen die größte Gruppe unter den Ausländern

Der Kreis Görlitz hatte 2021 mit 5,2 Prozent den höchsten Ausländeranteil unter allen Flächenlandkreisen in Sachsen. Mittlerweile ist die Zahl weiter gestiegen, auch durch die Ukraine-Flüchtlinge. Unter den Kommunen schwankt der Ausländeranteil stark. 15,5 Prozent ist der Anteil in Bad Muskau, 12,3 Prozent in Görlitz. In Gemeinden wie Beiersdorf, Gablenz, Lawalde oder Kreba-Neudorf leben so wenige Ausländer, dass ein Anteil nicht ausgewiesen wird. Mehr als die Hälfte der Ausländer kommen aus Polen (6.711) und Tschechien (915). Mit 1.900 Bürgern aus 35 anderen europäischen Nationen stellen sie zusammen fast drei Viertel aller Ausländer im Kreis Görlitz.

5. Im Zittauer Gebirge leben die meisten Rentner

Erstmals gibt es drei Gemeinden im Landkreis, in denen die Zahl der Kinder und Rentner zusammen höher ist, als die der Einwohner im erwerbsfähigen Alter. Es sind Oybin, Jonsdorf und Olbersdorf. Die drei Orte sind auch die Gemeinden im Kreis mit dem höchsten Anteil an Rentnern. In Seifhennersdorf, Quitzdorf am See, Ebersbach-Neugersdorf, Olbersdorf, Großschönau, Rietschen, Jonsdorf, Kottmar und auch in Zittau leben mehr als fünf Prozent Hochaltrige über 85 Jahre. In 23 Gemeinden des Kreises hat mehr als jeder zehnte Einwohner das Alter von 80 Jahren erreicht. Mehr als zehn Prozent der Einwohner im gesamten Kreis sind älter als 80 Jahre.

6. Im Schnitt verdienen die Menschen im Kreis Görlitz am wenigsten in Sachsen

Diese Forderung haben die Menschen im Landkreis Görlitz schon lange.
Diese Forderung haben die Menschen im Landkreis Görlitz schon lange. © dpa-Zentralbild

Der Kreis Görlitz weist in Sachsen das niedrigste monatliche Haushaltseinkommen mit 1.957 Euro auf, es sank sogar im Vergleich zu 2019 – das gab es sonst nirgends im Freistaat Sachsen. Den höchsten Wert hat der Kreis Nordsachsen mit 2.405 Euro. Auch beim durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen bildet der Kreis Görlitz das Schlusslicht mit 1.327 Euro, in der Stadt Dresden kommt ein Einwohner im Schnitt im Monat auf 240 Euro mehr. Sozialplaner Matthias Reuter kommt zu dem Schluss, dass nach Jahren des Aufholens der Abstand des Kreises zum sächsischen Durchschnitt wieder wächst.

7. Die meisten Pflegebedürftigen in Sachsen leben im Kreis Görlitz

Seit 2011 verzeichnet der Kreis Görlitz durchgehend die höchste Zahl an Pflegebedürftigen je 1.000 Einwohner in Sachsen. Es waren 105 im Jahr 2021, absolut sind es 26.000 Pflegebedürftige. Und jedes Jahr kommen 2.400 hinzu, Tendenz steigend. Den geringsten Anteil von Pflegebedürftigen unter den sächsischen Kreisen verzeichnet das Vogtland mit 66 auf 1.000 Einwohnern. Doch mehr Pflegebedürftige heißt nicht, dass auch immer mehr Senioren in Altenheimen betreut werden. Ganz im Gegenteil. Die Quote der Pflegebedürftigen in stationären Heimen sank auf den neuen Tiefstand von 13,4 Prozent. Nur in den Kreisen Meißen und Bautzen ist der Anteil noch geringer. Sozialplaner Matthias Reuter kommt daher zu dem Schluss: „Noch funktioniert es, dass die in Rente gehenden Babyboomer ihre Eltern pflegen“. Doch mittlerweile zehn Prozent der Pflegebedürftigen, die professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, sind Empfänger von Sozialhilfe. Dazu tragen auch teure betreute Wohnformen bei.

8. Zehn Prozent aller Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss

Im Kreis Görlitz verlassen nur rund 27 Prozent eines Jahrgangs die Schule mit dem Abitur. Das ist nach dem Erzgebirgskreis und Nordsachsen der niedrigste Anteil von Gymnasiasten. Sachsenweit liegt er bei 32 Prozent. Und zehn Prozent aller Jugendlichen verlassen im Kreis Görlitz die Schule ohne einen Abschluss.

9. Die Wohnfläche ist im Kreis Görlitz die größte in Sachsen

Im Kreis Görlitz kommt auf jeden Einwohner eine Wohnfläche von rund 48 Quadratmetern. Es ist der höchste Wert in ganz Sachsen. Ein Anhaltspunkt für einen großen Anteil an Eigenheimen, die im Regelfall größere Wohnflächen haben als Mietwohnungen. Die höchsten Mietsteigerungen gab es in Großschweidnitz: Im Schnitt lagen die Mieten hier 37 Prozent höher als 2019. Sinkende Mieten verzeichnen Ebersbach-Neugersdorf, Löbau und am stärksten Oppach.

10. Viele dicke Kinder leben in Löbau und Umgebung

Überflüssige Pfunde tragen viele Kinder im Kreis Görlitz mit sich herum.
Überflüssige Pfunde tragen viele Kinder im Kreis Görlitz mit sich herum. © Steffen Füssel

In Löbau und Umgebung leben besonders viele Kinder mit Übergewicht. Das zeigt sich in den Schuleingangsuntersuchungen, die jedes Jahr stattfinden. Jedes zehnte Kind ist hier bei der Untersuchung 2021 adipös gewesen, hatte also einen Körpermasseindex (BMI) von über 30. Die Werte haben sich im Vergleich zu den Jahren vor Corona mehr als verdoppelt. Die Schuleingangsuntersuchungen haben aber noch mehr zutage gefördert. So bereitet den Kindern in Görlitz seitliches Springen oder rückwärts laufen kaum Schwierigkeiten, in Zittau und Umgebung aber stellten die Ärzte bei 28 Prozent der Kinder Probleme fest.