Görlitz
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Hafenpläne gab es in Görlitz schon vor 100 Jahren

Mit dem Berzdorfer See hat Görlitz einen Hafen erhalten. Doch schon vor 100 Jahren gab es Pläne, die Stadt über einen Abzweig des Elbe-Oder-Kanals mit Ost- und Nordsee zu verbinden.

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Boote liegen im Hafen von Tauchritz am Berzdorfer See. Mit dem See hat es Görlitz zur Hafenstadt geschafft.
Boote liegen im Hafen von Tauchritz am Berzdorfer See. Mit dem See hat es Görlitz zur Hafenstadt geschafft. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Von Ratsarchivar Siegfried Hoche, Görlitz

Seit einigen Jahren ist Görlitz Hafenstadt. Möglich gemacht hat es die Flutung des Tagesbaus Berzdorf. Mit der Gestaltung des Berzdorfer Sees entstand in Tauchritz ein Hafen für Segel- und jetzt auch Motorboote. Deren Zahl hat sich in den vergangenen Jahren nach Angaben des Hafenbetreibers, dem Görlitzer Großvermieter Kommwohnen, verdoppelt. Und mancher von ihnen träumt sogar davon, mit Booten vom Hafen Tauchritz über Neiße und Oder bis zur Ostsee zu fahren. Dieser Traum ist keineswegs neu. Ein Blick in den dicken Ordner des in Görlitz gegründeten Elbe-Oder-Kanal-Vereins fördert überraschende Pläne zutage.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts plante man in Preußen den Bau des Mittellandkanals, einer Wasserstraße, die Rhein, Weser, Elbe und Havel miteinander verbinden sollte. In Ostdeutschland befürchtete man aber große Absatzeinbußen für die schlesische Landwirtschaft und Industrie in Mitteldeutschland und besonders im Großraum Berlin. Die Handelskammer Breslau regte daher mit einer Denkschrift die Erbauung eines Elbe-Oder-Kanals zwischen Torgau und Maltsch an. Das Projekt wurde aus politischen Gründen im Berliner Abgeordnetenhaus abgelehnt.

Seit 1901 machte sich die Görlitzer Handelskammer dann aber für das Projekt stark. Schnell gewann man die Kammern in Cottbus, Dresden und Chemnitz, den Verband sächsischer Industrieller und Städte wie etwa Hamburg als politische Verbündete. Auch der Erste Weltkrieg unterbrach die Planungen nicht. Im Oktober 1918 beauftragte die Görlitzer Handelskammer den Regierungsbaumeister Schulz (Berlin) mit der Fertigung einer fundierten Denkschrift. Bis 1924 unternahm man, wenn auch erfolglos, zahlreiche Vorstöße bei der Reichsregierung.

Eine Kanalabzweigung nach Görlitz vorgesehen

Völlig überraschend legte im Jahr 1924 der Landesbaurat Freystedt in Liegnitz ein neues Projekt vor. Er gewann für seine Trasse besonders die Bunzlauer und Liegnitzer Geschäftswelt. Sein Kanalprojekt streifte Liegnitz, Klitschdorf, Kohlfurt, Weißwasser, Senftenberg und Torgau. Eine Kanalabzweigung verlief über Penzig nach Görlitz. Wir verfügten also heute bereits über einen großen Hafen, wäre dieses Projekt verwirklicht worden.

Die Görlitzer Handelskammer protestierte jedoch heftig gegen diese Pläne. Sie meinte, es gäbe nur Erfolgschancen, wenn das Bauprojekt einheitlich in Berlin durch alle bisher gewonnenen Körperschaften vertreten würde und es wirtschaftlich machbar sei. Es folgten zahlreiche emotionsgeladene Debatten, in deren Ergebnis man den Vorsitzenden des Niederschlesischen Städtetages, den Görlitzer Oberbürgermeister Georg Snay bat, einen Elbe-Oder-Kanal-Verein zu gründen, um eine Einigung zu erzielen und die Baukosten aufzubringen.

Am 11. Mai 1925 war es so weit. Die Vereinsgründung erfolgte im großen Sitzungssaal im Görlitzer Rathaus. Snay wurde zum Vorsitzenden gewählt. Mehr als hundert Städte, Kommunalverbände, Kammern, Firmen und Gewerkschaften gehörten ihm an. 1927 schien der Erfolg nahe. In Senftenberg wollte der Verkehrsminister als einen ersten Schritt ein Kanalbauamt einrichten. Es sollte eine Machbarkeitsstudie für einen Kanal, der die Elbe und die Niederlausitzer Braunkohlegebiete verbinden sollte, entwickeln. Auch die Oderstrombauverwaltung Breslau sollte entsprechende Vorarbeiten leisten.

In einem der Kanalbaupläne zwischen Elbe und Oder wurde auch Görlitz mit einem Stichkanal berücksichtigt, der zum Teil die Neiße nutzen sollte.

Bis 1930 erfolgten vom Verein und den Behörden umfangreiche Planungen. Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens konnte der Verein sehr glaubhaft belegen, trotz erforderlicher gewaltiger Staubecken, um die Oder und den Kanal ständig schiffbar zu erhalten. Spätere politische Umbrüche verhinderten aber die Umsetzung.

Knapp 100 Jahre dient wenigstens der Berzdorfer See den Booten vom Hafen Tauchritz als Segelrevier.