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Klinikum Görlitz kämpft gegen Hebammen-Not

Mehrfach musste das städtische Krankenhaus der Kreißsaal am Wochenende schließen. Jetzt beginnen zwei neue Hebammen ihren Dienst.

Von Susanne Sodan
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Musste zuletzt manchmal geschlossen bleiben: Einer der Kreißsäle im Mutter-Kind-Zentrum in Görlitz.
Musste zuletzt manchmal geschlossen bleiben: Einer der Kreißsäle im Mutter-Kind-Zentrum in Görlitz. © Städtisches Klinikum Görlitz

Seit Donnerstag ist Stefanie Schmidt wieder daheim in Reichenbach. Vor drei Wochen brachte sie in Zittau ihr Kind zur Welt. Eine Frühgeburt, daher blieben der kleine Junge und seine Mutter länger als üblich im Klinikum Zittau. Schwierig genug eine solche Lage, noch dazu weit von der Familie weg. Zumindest zu weit für viele Besuche. Knapp 40 Kilometer liegen zwischen Reichenbach und Zittau - unter der Woche für die Familie kaum machbar, "mein Mann ist ja berufstätig, das ging nicht." Doch in Görlitz konnte Stefanie Schmidt nicht entbinden. Weil am Wochenende vor drei Wochen der Kreißsaal geschlossen war.

Die SZ hatte über den Fall berichtet: Bereits während der Schwangerschaft gab es Komplikationen. Daher hatte der Chefarzt der Frauenklinik in Görlitz Stefanie Schmidt gesagt, sie solle sofort kommen, wenn etwas geschehe. Als die Fruchtblase am 10. September platzte, setzten sie und ihr Mann sich ins Auto, riefen unterwegs in Görlitz an. Doch dort hieß es, sie solle sich nach Zittau oder Bautzen wenden. Kurzfristig waren Hebammen wegen Krankheit ausgefallen, der Kreißsaal blieb an dem Wochenende für Normalgeburten geschlossen.

Geburt in Zittau war für ganze Familie herausfordernd

In einem Notfall steht ein Arzt zur Verfügung, doch bei Normalgeburten dürfe ein Kreißsaal nur mit Hebammen betrieben werden, schilderte das Städtische Klinikum. Das sei sogar gesetzlich Pflicht. Das Handeln sei korrekt gewesen.

Die Argumentation des Klinikums kann Stefanie Schmidt bis heute schwer nachvollziehen. Die Wut über diese Lage - mit einsetzenden Wehen gesagt zu bekommen, man soll nach Zittau oder Bautzen fahren - hat sich bei ihr gelegt. "Aber ich denke schon, dass es ein Notfall war." Zumal in Zittau weitere Komplikationen auftraten, das Kind mit Kaiserschnitt zur Welt geholt wurde. Nicht grundlos blieben ihr Baby und sie drei Wochen in der Klinik.

Stefanie Schmidt und ihr Mann haben bereits vier Kinder, zwei im jugendlichen Alter und zwei kleinere. Der Ehemann arbeitet in Niesky, noch weiter von Zittau entfernt. Er arbeitete in der Zeit zwar verkürzt für die Kinder, doch Besuche in Zittau waren auch ob der weiten Strecke nur am Wochenende möglich. "Gerade für meine Kinder hat mich die Lage sehr gewurmt." Zwei, drei Tage so weit von zu Hause fort, "das wäre vielleicht nicht so schlimm gewesen. Aber gerade für unsere beiden Kleinen waren die vergangenen drei Wochen ziemlich schwer."

Erleichterung bei Klinikum

Das Klinikum war freilich auch nicht zufrieden, hatte gegenüber der SZ die personelle Situation geschildert. Das Klinikum hat mit dem sanierten und 2020 eröffneten Mutter-Kind-Zentrum mit die modernsten Kreißsäle in Sachsen. Doch ob der Personallage waren auch vor einer Woche keine Normalgeburten möglich.

Umso größer scheint beim Klinikum jetzt die Erleichterung: Zwei neue Hebammen starten. Bereits im September hat Hannah Witschas angefangen. Die 20-Jährige hat bereits ihre Ausbildung im Görlitzer Kreißsaal absolviert und vor Kurzem erfolgreich die Prüfungen bestanden, teilt das Klinikum mit. Glück für das Klinikum: Bereits während ihrer Ausbildung habe sie sich entschieden, dass sie in Görlitz bleiben will.

Hannah Witschas ist jetzt voll ausgebildete Hebamme.
Hannah Witschas ist jetzt voll ausgebildete Hebamme. © Städtisches Klinikum Görlitz

Auch wenn die personelle Lage angespannt ist, für das Team findet Hannah Witschas nur lobende Worte. Es sei ein tolles Team, das sich gut verstehe und in dem großer Zusammenhalt herrsche, "und das sich auch den Schülerinnen gegenüber so toll verhält“, sagt sie.

Optimismus bei Klinikumsleitung

Ab 1. Oktober beginnt außerdem Sylvia Schallwig in Görlitz. Eine erfahrene Hebamme, schildert das Klinikum, die zuvor freiberuflich aber auch in Krankenhäusern, zum Beispiel in Weißwasser, gearbeitet hat. „Als freiberufliche Hebamme fehlte mir zuletzt das Ursprüngliche meines Berufes, die Geburtshilfe“, sagt sie. Im November soll noch eine weitere Hebamme hinzukommen. Dann würde das Team aus 17 Hebammen bestehen.

„Wir hoffen damit, die Situation stabilisieren zu können“, sagt Klinikums-Geschäftsführerin Ines Hofmann. Hebammen-Not, ein Thema bundesweit. In Ratingen bei Düsseldorf musste kürzlich gar die Geburtsstation für sechs Wochen schließen. 17 Hebammen in Görlitz - das hört sich viel an. Jedoch arbeiten viele von ihnen in Teilzeit, da sie zusätzlich auch selbstständig tätig sind, so Hofmann. Zudem seien vier Mitarbeiterinnen schwanger oder in Elternzeit. Wenn dann noch krankheitsbedingter Ausfall dazukommt, sei es schwer auszugleichen. „Wir sind optimistisch, dauerhaft den Kreißsaal wieder stabil aufzustellen", so Ines Hofmann.

Stefanie Schmidt hofft mit. Ihre ersten vier Kinder hatte sie in Görlitz zur Welt gebracht, war mit der Betreuung damals zufrieden. Ihr Fall nun mag besonders schwerwiegend gewesen sein, "aber generell betrifft das ja viele andere werdende Mütter."