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„Das Aus für Gas- und Ölheizungen ist Wunschdenken“

Ab 2024 sollen keine neuen Öl- und Gasheizungen eingebaut werden. Handwerker im Kreis Görlitz sehen große Probleme. Doch es gibt auch andere Stimmen.

Von Susanne Sodan
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Die Energiekosten machen vielen Menschen ohnehin Sorgen.
Die Energiekosten machen vielen Menschen ohnehin Sorgen. © dpa-tmn

Die Freisprechung der Gesellen in der Synagoge Görlitz kürzlich hat Daniel Siegel viel Hoffnung gegeben. Viele Gesellen haben ihre Prüfungen mit sehr guten Noten bestanden, erzählt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Es sind viele bereit, anzupacken bei der Energiewende.“ Doch so kurzfristig?

Es geht um das geplante schrittweise Verbot von herkömmlichen Gas- und Ölheizungen. Beschlossen ist der Gesetzentwurf noch nicht. Nach aktuellem Stand beinhaltet dieser, dass der neue Einbau von Heizungen, die ausschließlich auf fossilen Energieträgern beruhen, ab 2024 nicht mehr erlaubt sein soll. Eine Ausnahme soll gelten, wenn eine bestehende Heizung kaputtgeht, dann haben die Eigentümer drei Jahre Zeit für die Umrüstung.

Um ein generelles Verbot geht es aber vorerst nicht: Bereits eingebaute Gas- und Ölheizungen sollen zwar auch verschwinden, haben aber noch eine Galgenfrist von 30 Jahren.

Daniel Siegel, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Görlitz, warnt, man könne nicht nur eine Sache in die Hand nehmen. An einem baldigen Aus für Gas- und Ölheizungen würde viel mehr hängen.
Daniel Siegel, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Görlitz, warnt, man könne nicht nur eine Sache in die Hand nehmen. An einem baldigen Aus für Gas- und Ölheizungen würde viel mehr hängen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

"An einer Sache hängen zehn weitere"

Dennoch, „das Problem ist das Kurzfristige“, sagt Daniel Siegel. Vor allem bei neuen Einbauten, bei denen ab kommendem Jahr die Wärme zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen soll - was eben de facto das Aus für Gas- und Ölheizungen bedeuten würde. „Es ist nicht so, dass Handwerker nicht Gewehr bei Fuß stehen würden für bessere Energieeffizienz in Gebäuden. Aber wir haben keine Planungssicherheit mehr.“ Denn am Ziel, auf fossile Stoffe zu verzichten, hänge viel mehr.

Bauphysik zum Beispiel. „Nehmen wir ein Einfamilienhaus mit einer alten Ölheizung“, schildert Siegel. Oft sei es nicht damit getan, die Heizung durch ein modernes System zu ersetzen, „weil Energieeffizienz nicht bei der Heizung aufhört. Muss ich mir dafür vielleicht auch das Dach ansehen oder die Außendämmung?“ Dann gehe es auch um die Frage, welches moderne Heizsystem oder welche Kombinationen - Pellets, Wärmepumpe, Solar - für das jeweilige Gebäude die nötigen Leistungen bringen. „Dazu kommen die Kosten, und teils haben wir noch immer Lieferengpässe." Auch Fernwärme ist als Alternative möglich - für die man aber einen Anschluss braucht.

So sei man auch rasch beim Thema Baugenehmigung, die so schnell nicht erteilt ist, und beim Denkmalschutz - besonders im Kreis Görlitz: „Die Umgebindehäuser sind eine Besonderheit für die Oberlausitz. Aber wäre es wirklich so furchtbar, rückseitig Solarpaneele anzubringen?“, fragt er. „Man kann nicht nur eine Sache anfassen, es hängen noch zehn weitere daran.“

Enttäuscht vom Gesetzentwurf

Viel Unsicherheit schlägt Boris Schröder derzeit entgegen. Der Görlitzer Schornsteinfegermeister spricht tagtäglich mit Hausbesitzern. Die Idee, mehr alternative Energie zu nutzen, hält er erstmal nicht für falsch, „aber der jetzige Gesetzentwurf ist für mich Wunschdenken.“ Ihm ist gerade der Wärmetauscher seiner Heizung kaputtgegangen. Allein damit sei er im vierstelligen Kostenbereich. „Beim Einbau einer Wärmepumpe liegt man im guten fünfstelligen Bereich, das würde jeden Haushalt vor Herausforderungen stellen.“

Wie Siegel sagt auch er: Es hängt mehr daran. „Wurde beispielsweise ein Gebäude aus den 1970er Jahren nie ordentlich gedämmt, nützt eine Wärmepumpe gar nichts. Dann muss man erstmal energetisch aufbauen.“ Schröder ist enttäuscht von dem Gesetzentwurf, „ein Wirtschaftsminister müsste es besser wissen.“

Kritik auch auf Bundesebene

Auch auf Bundesebene gibt es Kritik. Sowohl FDP als auch Linke kritisieren an dem Gesetzentwurf die Gefahr, dass Mieten und Baukosten noch weiter in die Höhe schießen. Auch die SPD, wie die FDP Koalitionspartner der Bündnisgrünen, verwies auf die sozialen Auswirkungen, fordert etwa Härtefalllösungen.

Die Umrüstung bei Heiztechnik wird bereits gefördert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderte nun, staatliche Förderung so zu gestalten, dass auch finanziell schwächere Menschen nicht abgehalten werden, energieeffizient zu sanieren. Es kommt darauf an, sagt Daniel Siegel dazu: „Wer wird gefördert, welche Bedingungen sind dann daran geknüpft?“

"Besser jetzt in die richtige Richtung investieren"

Janet Conrad und Dr. Christian Conrad haben ein Görlitzer Altstadthaus klimaneutral gemacht. Sie wollen Ängste nehmen.
Janet Conrad und Dr. Christian Conrad haben ein Görlitzer Altstadthaus klimaneutral gemacht. Sie wollen Ängste nehmen. © Martin Schneider

Die andere Seite: Ganz neu ist das Thema nicht. Deutschland ist gesetzlich verpflichtet, bis 2045 auf Öl- und Gasverbrennung zu verzichten, schildert Janet Conrad von den Bündnisgrünen in Görlitz. Sie und ihr Mann haben es geschafft, ein Altstadthaus klimaneutral zu sanieren. „Ich halte es für sehr wichtig, jetzt in der richtigen Richtung zu investieren, und nicht noch länger in die falsche Richtung zu laufen.“

Die Angst vor den Kosten könne sie verstehen. „Das Problem ist aber, je länger wir warten, umso mehr kostet es uns. Wir sehen überall gerade die Klimaauswirkungen, die wirtschaftlich massive Folgen haben werden. Dann doch lieber jetzt noch versuchen umzusteuern.“

Es gebe Lösungen, sagt sie aus Erfahrung. „Ich finde auch, es braucht mehr Unterstützung, dass es sozial gerecht bleibt, die Leute Lust darauf haben, etwas zu verändern.“ Besonders in Görlitz mit seinen vielen denkmalgeschützten Häusern sei es wichtig, bei energieeffizienten Sanierungen voranzukommen. „Wir müssen mit dem Denkmalschutz bessere Lösungen finden. Je länger man zögert, umso größer wird der Berg am Ende.“