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Kreis Görlitz sucht neue Asylheime in Görlitz, Niesky und Weißwasser

Der Kreistag hat dem neuen Unterkunftskonzept für Flüchtlinge zugestimmt. Doch nun warten erst die Schwierigkeiten, wie die Fälle Hirschfelde und Ebersbach zeigen.

Von Sebastian Beutler
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So sah die Ausstattung der Flüchtlingsunterkunft am Görlitzer Flugplatz 2015 aus. Ab November soll das Gebäude vorübergehend erneut Asylsuchende beherbergen.
So sah die Ausstattung der Flüchtlingsunterkunft am Görlitzer Flugplatz 2015 aus. Ab November soll das Gebäude vorübergehend erneut Asylsuchende beherbergen. ©  Archivfoto: Nikolai Schmidt

Einen Vorgeschmack auf die Aufgabe, die nun vor dem Kreis Görlitz steht, erhalten die Mitarbeiter des Landratsamtes in diesen Wochen in Hirschfelde und Ebersbach. In beiden Orten gibt es größere Objekte, in der ganz prinzipiell die Unterbringung von Flüchtlingen möglich erscheint. Und in beiden Orten gibt es heftige Proteste aus der Bürgerschaft, in Hirschfelde hat sich sogar eine Bürgerinitiative gebildet, auch Gruppen vom rechten Rand wie die "Freien Sachsen" bemühen sich nach Kräften, den Protest zu verstärken und für ihre Zwecke zu gebrauchen. Persönliche Anwürfe gegen Landrat Stephan Meyer, gegen Bürgermeister und Kreisräte inbegriffen.

Dabei geht es in beiden Orten maximal um eine Übergangsvariante von zwei Jahren. Denn dann sollen neue Flüchtlingsheime im Kreis Görlitz bereitstehen, die langfristig zusammen mit Wohnungen die Unterbringung von 2.500 Asylsuchenden gewährleisten. Landrat Stephan Meyer aber hatte schon im Sommer wahrgenommen, dass die "Stimmung in der Bevölkerung gekippt" ist und die Neigung, weitere Flüchtlinge in unmittelbarer Nähe zu akzeptieren, immer weiter sinkt. An diesem Stimmungsbild hat sich seitdem nichts geändert. Im Gegenteil. Migration ist nach verlässlichen Umfragen das Thema, das die Deutschen derzeit generell am stärksten umtreibt und das am meisten polarisiert.

Trotzdem, so hat es am Mittwoch der Görlitzer Kreistag entschieden, "wird der Landkreis Görlitz seinen Verpflichtungen zur menschenwürdigen Unterbringung von Asylsuchenden und Migranten nachkommen". Als Grundlage dient ein ebenso verabschiedetes Unterbringungskonzept. Ihm stimmten 37 Kreisräte zu, 20 Kreisräte - vor allem aus den Reihen der AfD, aber auch vereinzelt der CDU - lehnten es ab und vier enthielten sich der Stimme.

Mit diesem Konzept will der Kreis langfristig zweierlei erreichen: Die Flüchtlinge sollen ausgeglichen über den Landkreis verteilt und nach einheitlichen Standards untergebracht werden. An beiden hapert es derzeit. Dabei orientiert sich der Kreis an der Einwohnerzahl in fünf Planungsbereichen des Kreises.

Löbau und Zittau tragen derzeit die größten Lasten

Die größten Lasten tragen die Städte Löbau und Zittau derzeit, wo 442 beziehungsweise 471 Flüchtlinge dezentral in Wohnungen und in Heimen untergebracht sind. Rechnet man noch das Heim in Neusalza-Spremberg hinzu sowie Plätze in Wohnungen in Ebersbach/Neugersdorf, haben diese Bereiche langfristig genügend Kapazitäten, selbst wenn ein Heim in Zittau wie geplant geschlossen wird.

In Görlitz ist die Lage anders. Hier leben 191 Flüchtlinge in Wohnungen, ab November steht das neue Flüchtlingsheim am Flugplatz mit 60 Plätzen zur Verfügung. Doch das gilt als Provisorium für zwei Jahre. Langfristig braucht es in Görlitz ein zentrales Flüchtlingsheim mit einer Kapazität von maximal 250 Plätzen.

Ganz ähnlich stellt sich die Situation in Weißwasser dar. Auch dort hat erst im Juni in Boxberg ein neues Heim geöffnet, auch dieses soll nur zwei Jahre genutzt werden, auch in der Region Weißwasser will der Kreis ein neues Heim mit bis zu 250 Plätzen einrichten.

Schließlich sieht das Landratsamt auch in Niesky Handlungsbedarf. Dort existiert zwar bereits ein Heim mit knapp 100 Plätzen, doch könnte ein zweites Heim nötig sein oder zahlreiche Wohnungen für die dezentrale Unterbringung.

So will der zuständige Beigeordnete Thomas Gampe nun nach dem Beschluss im Kreistag mit den Rathauschefs in Görlitz, Niesky und Weißwasser noch in diesem Jahr über mögliche Standorte für die neuen zentralen Heime sprechen. Während der Weißwasseraner OB, Torsten Pötzsch, seine Solidarität im Kreistag zusicherte, stimmte der Görlitzer OB Octavian Ursu zwar dem Konzept zu, eine Stellungnahme liegt von ihm genauso nicht vor wie von der Nieskyer Oberbürgermeisterin, die nicht Mitglied des Kreistages ist.

Ist der Ausländeranteil der bessere Maßstab?

Dabei verwies Sebastian Wippel von der AfD-Fraktion, dass die vorgesehene Verteilung entsprechend der Einwohnerzahl über den Landkreis seiner Ansicht nach zu kurz greife und Schwächen aufweise. Stattdessen solle eher der Ausländeranteil als Maßstab genommen werden. Und da bräuchte Görlitz angesichts der knapp 5.000 polnischen EU-Bürger in der Stadt viel weniger Flüchtlinge aufzunehmen. Landrat Stephan Meyer wies diesen Vergleich zurück. Beide Gruppen könne man nicht miteinander vergleichen, es handle sich bei den Polen um Menschen, die sozialversicherungspflichtig arbeiten gehen würden und als EU-Bürger auch Teil der Gesellschaft seien.

Tatsächlich hat Wippel aber durchaus eine Schwäche des Konzeptes aufgezeigt. Denn es berücksichtigt mit keinem Wort die Ukraine-Flüchtlinge. Von den 3.000 Ukrainern, die seit Februar 2022 vor dem Krieg Russlands in ihrer Heimat in den Landkreis geflohen sind, lebt knapp die Hälfte in Görlitz. Nimmt man auch hier den Bevölkerungsanteil der Stadt am Landkreis Görlitz zum Maßstab, ist das die doppelte Anzahl, die die Stadt Görlitz eigentlich tragen müsste.

Die AfD jedenfalls lehnt eine weitere Unterbringung von Flüchtlingen ganz generell ab. Das ist nicht neu, doch Wippel nutzte die Gelegenheit, seinen Standpunkt nochmals zu unterstreichen. Der Kreis könne es sich finanziell nicht leisten, die Infrastruktur von Kitas, Arztpraxen und Schulen reiche nicht aus, die Verwaltung sei be- und überlastet, die Sicherheit sei gefährdet und es gehe ohnehin bereits ein Riss bei Fragen der Migration durch die Gesellschaft. Außerdem bezeichnete Wippel den Beschluss im Kreistag als "Demokratiesimulation", weil der Landrat das Konzept auch ganz allein durchsetzen könne. Er sei in dieser Frage allein zuständig.

Der Görlitzer Stadtrat und Kreisrat Joachim Schulze (Grüne) aber freute sich, dass der Kreistag dazu beitragen konnte, ein Konzept zu erarbeiten, mit dem "die große Mehrheit des Kreistages Einsicht in die Notwendigkeit" zeige. Und zwar zu seiner "Pflicht zur Unterbringung", zugleich aber auch Bund und Land in die Pflicht nimmt. Denn der Landkreis übernimmt für sie diese Aufgabe und kann dafür nicht noch finanziell das Nachsehen haben.