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Eine Ära endet: Görlitzer Theater- und Musikverein hat neuen Vorsitzenden

Renate Winkler prägte die Arbeit des Vereins seit 1990. Jetzt hat die frühere Lehrerin den Jüngeren die Bahn geebnet. Es sind große Fußstapfen, in die ihr Nachfolger Matthias Beier tritt.

Von Sebastian Beutler
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Auch für zwei neue Yamaha-Flügel fürs Görlitzer Theater warb der Theater- und Musikverein zwischen 2003 und 2009 die nötigen Gelder ein.
Auch für zwei neue Yamaha-Flügel fürs Görlitzer Theater warb der Theater- und Musikverein zwischen 2003 und 2009 die nötigen Gelder ein. © SZ/Christian Suhrbier

Eine Ära ist zu Ende. Renate Winkler hat den Görlitzer Theater- und Musikverein über mehr als drei Jahrzehnte geprägt. Sie gehörte gleich dem ersten Vorstand an, der Ende November 1990 gewählt wurde und Jörg Ignatius zum Vorsitzenden bestimmte. Später unterstützte sie als Stellvertreterin den früheren Landeskirchenmusikdirektor Rolf Lammert, der zwischen 1994 und 1999 an der Spitze des Vereins stand. Und schließlich wählten die Mitglieder die einstige Lehrerin 1999 zur Vorsitzenden. Alle vier Jahre bestätigten die Mitglieder sie in dieser Funktion. Bis zum Montag vergangener Woche.

Wenn sie es gewollt hätte, dann wäre sie noch einmal gewählt worden. Doch die Frau aus dem Jahrgang 1937 wollte nicht, sondern Jüngeren den Vortritt lassen und den nötigen Generationswechsel vollziehen. So steht nun der freischaffende Künstler Matthias Beier als erst vierter Vorsitzender seit der Neugründung an der Spitze des Theater- und Musikvereins und tritt, wie er selbst sagt, "in große Fußstapfen".

Renate Winkler prägte die Arbeit des Görlitzer Theater- und Musikvereins seit 1990, seit 1999 als seine Vorsitzende.
Renate Winkler prägte die Arbeit des Görlitzer Theater- und Musikvereins seit 1990, seit 1999 als seine Vorsitzende. © Privatfoto

Es sind nicht nur diese zweieinhalb Jahrzehnte, in denen Renate Winkler formal als Vorsitzende den Verein durch alle vereinsrechtlichen Klippen sicher manövrierte, sondern es ist das vielfältige Wirken, für die der Verein und sie selbst auch in der Öffentlichkeit stehen. Das fängt bei Spendeninitiativen für die neuen Stühle des Theaters oder einen neuen Vorhang oder eine neue Harfe oder einen neuen Flügel an, geht über die Wahl der Publikumslieblinge und die Ausgestaltung des Welttheatertages, der jedes Jahr am 27. März begangen wird, bis hin zu eigenen Veranstaltungsformaten wie den Theater-Stammtisch, Publikumsgespräche, Kammermusikreihen oder die beliebten Konzerte zum Jahresausklang in der Krypta der Peterskirche.

Die Aufzählung muss unvollständig bleiben angesichts der Vielzahl an Aktivitäten. Selten traf ein Wort so auf einen Verein zu wie auf den Theater- und Musikverein in den vergangenen Jahren, das der damalige Bürgermeister und vormalige Theater-Intendant Michael Wieler anlässlich der 25-Jahr-Feier des Vereins im Theater zitierte. Vereine seien "Selbstmotivation der Gesellschaft" und bilden ein "zerebrales Netz" über den Institutionen. Ob schon er diese Einsichten teilte, so stammen sie nicht von Wieler selbst, sondern vom Kultursoziologen Friedrich Tenbruck.

Und deswegen gehörte es für den Verein und seine Vorsitzende ganz selbstverständlich auch dazu, sich in die öffentlichen Debatten einzumischen. Da ging es vor allem um ausreichend Geld für den Betrieb des Theaters, aber auch um höchst umstrittene Inszenierungen. Beispielsweise 2004, als Roland May am Zittauer Schauspiel Shakespeares "Hamlet" provokant auf die Bühne stellte.

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Mit Matthias Beier folgt nun auf Renate Winkler ein regelmäßiger Theatergänger, ein Opernliebhaber, dessen Tochter Dramaturgin an der Staatsoper Hannover ist und dessen Frau als Musiklehrerin arbeitet und Cello im Niederschlesischen Kammerorchester spielt. Und der bislang mit seiner Kunst auf dem Stalag-Gelände in Zgorzelec sowie durch seine Mitarbeit an der Kulturhauptstadt-Bewerbung von Görlitz einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Der 56-Jährige, der selbst eine AG Künstlerische Fotografie an den beiden Görlitzer Gymnasien sowie der Oberschule Innenstadt lehrt, will zunächst einmal in die großen Fußstapfen hineinwachsen und Bewährtes fortführen, manches auch wiederbeleben, was in der Corona-Pandemie zwangsläufig zurückgefahren werden musste.

Matthias Beier übernimmt jetzt den Vorsitz des Theater- und Musikvereins. Der Künstler leitet eine Foto-AG an verschiedenen Görlitzer Schulen und ist durch seine Kunstwerke auf dem Stalag-Gelände in Zgorzelec bekannt geworden.
Matthias Beier übernimmt jetzt den Vorsitz des Theater- und Musikvereins. Der Künstler leitet eine Foto-AG an verschiedenen Görlitzer Schulen und ist durch seine Kunstwerke auf dem Stalag-Gelände in Zgorzelec bekannt geworden. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

An seiner Seite hat er eine illustre Gruppe im Vorstand. Beispielsweise den Generalvikar des Bistums, Markus Kurzweil, die Görlitzer Stadträtin Gabriele Kretschmer, die Rechtsanwältin Christina Bergert oder die Kulturmanagerin Agnieszka Bormann. Vor allem aber sorgt sein Stellvertreter Rolf-Thomas Lehmann für Kontinuität, denn diese Aufgabe füllte der Selbstständige auch schon in den vergangenen Jahren aus.

Und ganz aus der Welt des Theaters ist auch Renate Winkler nicht. Ein großes Premierenabonnement hat sie ganz selbstverständlich für die kommende Spielzeit für sich und ihren Mann abgeschlossen.