An diesem Sonntag ist die Lutherkirche in Görlitz bis auf den letzten der mehr als 600 Plätze ausverkauft, wenn Schauspieler Ben Becker mit seinem Soloabend "Ich, Judas" gastiert. Er trägt einen Text des Schriftstellers Walter Jens vor - eine fiktive Verteidigungsrede des Judas Ischariot, desjenigen Jüngers, der laut der biblischen Geschichte Jesus durch einen Kuss verraten hat.

Vier Tage später steht dann anstelle von Ben Becker Klezmer-Klarinettist Giora Feidman in der Lutherkirche in Görlitz. Die Künstler scheuen den Auftritt in der Lutherkirche selbst dann nicht, wenn es kalt ist. Denn die Kirche ist nicht beheizbar. Die freie Sicht von den Plätzen auf den Altarraum und damit die Künstler sowie die gute Akustik des Gotteshauses ist wichtiger.

Und das spricht sich in der Branche herum. So sangen auch schon des Öfteren Peter Orloff und die Donkosaken in der Lutherkirche. Sie gaben den entscheidenden Hinweis nun auch Heinz Georg Kramm, der am 21. Januar in der Lutherkirche den Abschluss seiner Kirchenlieder-Tournee "Die Himmel rühmen" feiern wird. Heinz Georg Kramm ist besser bekannt als "Heino". Gegen die Kälte empfiehlt der Sänger seinem Publikum, sich dick anzuziehen und mit Decken in die Kirche zu kommen. Er selbst wird auf einem beheizbaren Teppich stehen.

Wenn er kommt. Dahinter stehen jetzt dicke Fragezeichen. Wie die BILD-Zeitung am Wochenende berichtete, habe der Sänger aus Sorge um seine Frau alle Termine vorerst abgesagt. Eine Anfrage der SZ beantwortete sein Management am Wochenende noch nicht. Als Heino vor einer Woche in Görlitz war, da kam die Sprache auch auf seine Frau Hannelore. Sie könne wegen einer alten Unfallverletzung zwar nur am Rollator laufen, aber sonst ginge es ihr gut. Heino schloss nicht aus, dass sie Mitte Januar auch nach Görlitz käme.

Wenn Heino in Görlitz auftritt und seine Tournee bestreitet, lägen hinter ihm Konzerte in 22 Städten in drei Ländern. Geplant war, dass es bereits am kommenden Freitag in Rheydt losgehen sollte. Zwischendurch wird er auch noch seinen 85. Geburtstag am 13. Dezember feiern - da sah der ursprüngliche Tourneekalender fünf Tage Pause vor.

Doch Heino geht nicht nur einmal auf Tournee durch die 23 Städte, sondern sogar zweimal. Rechtzeitig vor dem Start der Konzerte besuchte er bereits alle Städte und gab Pressekonferenzen, so auch in Görlitz am vergangenen Wochenende. Tags zuvor war er bereits beim MDR-Fernsehen in der Talkshow "Riverboat" und im Nachmittagsprogramm zu sehen. Da stand nicht nur seine über 60-jährige Bühnenlaufbahn im Mittelpunkt, sondern auch seine neue CD mit den populärsten Ballermann-Liedern, also neue Trink- und Spaßlieder. Sie würden die Volkslieder der jungen Generation sein, nannte Heino als Grund, warum er sie auch singen würde. Und Spaß macht ihm das Singen nach eigenem Bekunden nach wie vor.

Doch in Görlitz versicherte er, dass er auch als Zugabe diese Lieder nicht zum Besten geben würde. Stattdessen vielleicht ein Hit-Medley, womöglich auch das Schlesierlied. Heino ist, was das betrifft, ein gebranntes Kind in Görlitz. Als er vor zehn Jahren, 2014 in der Görlitzer Kreuzkirche ebenso mit Kirchenliedern auftrat, waren ursprünglich auch zwei Songs von Rammstein und den Ärzten dabei. Daraufhin intervenierte der Gemeindekirchenrat unter Pfarrer Albrecht Bönisch, Heino gab nach und strich die Lieder vom Programm.

Dieses Mal stünden vor allem die populären Kirchenlieder im Mittelpunkt: Das Ave verum von Mozart, Beethovens "Die Himmel rühmen", das auch das Motto für die Konzertreihe gab, "Ich bete an die Macht des Himmels" oder "Guten Abend, gute Nacht". Niemand der großen Künstler, so sagt Heinos Manager Helmut Werner, singe heute noch diese Lieder auf der Bühne. In diese Lücke stößt Heino.

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Und er bringt Anita Hegerland aus Norwegen mit, die als kleines Kind gemeinsam mit Roy Black "Schön ist es auf der Welt zu sein" gesungen hatte. Die beiden lernten sich im Sommer in Kitzbühel kennen, als die Plattenfirma von Roy Black aus Anlass seines 80. Geburtstags Anfang des Jahres zu einer Erinnerungsfeier an den Schlagerstar eingeladen hatte, der bereits 1991 gestorben war.

Auf dem Fest sang Hegerland an der Seite des österreichischen Sängers Andreas Gabalier den alten Roy-Black-Schlager. Als er das Duett hörte, so erzählt Heino-Manager Helmut Werner, habe er zu Heino gesagt, das kannst Du wahrscheinlich besser. Und so kommt nun die norwegische Schlagerlegende mit, singt nicht nur das Duett, sondern auch Nicoles Siegertitel vom Eurovision Song Contest "Ein bisschen Frieden" sowie einen geistlichen Andrew-Lloyd-Webber-Song.

Für Heino, so erzählt der Sänger, seien die Kirchenlieder auch ein kleines Déjà-vu mit seiner Kindheit. In einer sehr katholischen Familie aufgewachsen, waren diese Lieder allgegenwärtig, sein Großvater war Kantor. Deswegen wollte er auch Musiker werden. Doch der Vater fiel im Krieg und seine Mutter drang darauf, dass er erst einmal einen anständigen Beruf erlernte: So wurde er Bäcker und Konditor. Seinen Durchbruch als Sänger schaffte er in den 1960er-Jahren.

In der DDR hatte Heino Auftrittsverbot. Doch als die Mauer gefallen war, nutzte er gleich die ersten Chancen, um in den neuen Ländern aufzutreten. So kam er auch nach Görlitz in die Stadthalle, es sei, so meint er sich dieser Tage zu erinnern, sein erster Auftritt in den neuen Ländern gewesen. Voll sei die Halle gewesen, Fahnen hätten die Besucher mitgebracht und seine Songs mitgesungen. Das Schlesierlied oder das Riesengebirgslied trafen damals den Nerv seines Publikums.

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Mittlerweile hat Heino verschiedene Ausflüge auch in andere Musikrichtungen unternommen. Er sang Pop-Lieder nach, vor allem seine Cover-Version des Rammstein-Hits "Sonne" gab zu reden, auch seine eigenen Lieder nahm er als Hardrock auf und jüngst eben die Ballermann-Songs. Vor Tausenden sang er auf dem Münchner Oktoberfest, seine Videos werden auf dem sozialen Netzwerk TikTok hunderttausendfach abgespielt. Mit 85 hat es Heino dank eines geschickten Managements geschafft, auch bei der jüngeren Generation ein Begriff zu sein.

Das ist natürlich auch in Görlitz bekannt. Kirchenmusikdirektor Reinhard Seeliger fasste das in folgende Worte: "Wenn Heino kommt, dann hat er eine große Fangemeinde." Doch von ihr seien sicher nicht alle Mitglieder einer Kirche. So würden sie mit diesem Konzert von Heino eben Lieder hören, mit denen sie nicht mehr vertraut sind. Vor allem sollen sie diese auch mitsingen, wünscht sich der Schlagersänger.

Und diese Gelegenheit wollte sich Seeliger dann nicht nehmen lassen und regte an, ob Heino nicht eines der bekannten schlesischen oder aus Görlitz stammenden evangelischen Kirchenlieder singen könnte. Auf große Gegenliebe stieß das noch nicht. Aber es sind ja auch noch drei Monate Zeit. Von den Karten für das Görlitzer Konzert sei aber bereits die Hälfte vergriffen. Nun fragen sich alle: Kommt Heino?

Die Karten für 55 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr gibt es über die Internetseite von eventim.