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Hohe Lebensmittel-Preise: Endlich wird es besser

Bei jedem Einkauf spüren die Menschen im Kreis Görlitz, wie sehr die Preise angezogen haben. Obwohl die Statistiker mittlerweile eine sinkende Inflationsrate vermelden. Wie passt das zusammen. Eine Spurensuche in Görlitz.

Von Jonas Niesmann
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Kein schönes Andenken bei den Preisen: Die gesammelten Kassenzettel von drei Jahren Einkaufen in Görlitz.
Kein schönes Andenken bei den Preisen: Die gesammelten Kassenzettel von drei Jahren Einkaufen in Görlitz. © Jonas Niesmann

Vor dem Edeka-Markt in der Görlitzer Innenstadt ist vielleicht ein guter Ort, um Menschen zu fragen: Was denken Sie über die Preise für Lebensmittel? „Früher habe ich geglaubt, wenn die Kinder aus dem Haus sind, könnte ich nochmal ein paar längere Reisen machen. Da habe ich mich mein ganzes Berufsleben darauf gefreut“, sagt eine Rentnerin, die gerade ihre Einkäufe ins Auto lädt. „Aber das ist bei den Preisen heute unmöglich. Da heißt es: Essen oder Reisen. Beides geht nicht.“ Man müsse zweimal überlegen, was man kauft, sagt ein Ehepaar, das kurz darauf aus dem Laden kommt. Mehr als früher würden sie heute auf Rabattaktionen achten. „Wenn die Butter gerade im Angebot ist, kaufen wir gleich zehn Stück. Zwei Euro pro Packung ist sonst einfach nicht drin.“

Seit dem Jahr 2020 sind die Kosten für Lebensmittel massiv gestiegen - das spürt jeder, der regelmäßig Einkaufen geht. Um eine Idee zu bekommen, wie sehr die Preise wirklich angezogen haben, hat die Sächsische Zeitung die Kassenzettel eines Supermarktes in Görlitz der vergangenen drei Jahre ausgewertet. Zwei Beispiele: Eine Packung Butter der Marke Kerrygold kostete im April 2021 noch 1,19 Euro. Zwei Jahre später waren es schon 1,49 Euro, also eine Preissteigerung von 25 Prozent. Der gleiche Vollkorntoast kostete im November 2021 noch 69 Cent, eineinhalb Jahre später lag der Preis bei 1,19 Euro. Hier betrug die Preissteigerung also sogar 72 Prozent.

Grundnahrungsmittel teils um 50 Prozent teurer

Wer sich nicht auf ein paar verknitterter Zettel oder ein Gefühl verlassen will, ruft beim Statistischen Landesamt Sachsen an. Dessen Mitarbeiter ermittelt seit vielen Jahren jeden Monat den Preis für die immer gleichen Produkte in Sachsens Supermärkten. Für die Sächsischen Zeitung hat das Amt die Preise von Januar 2020 mit denen von Januar 2024 verglichen. Die Zahlen sind erschreckend.

Trauriger Spitzenreiter ist Zucker, er hat sich in den vergangenen vier Jahren um ganze 91 Prozent verteuert – kostet also fast das doppelte. Nicht so tragisch, sollte man meinen, wer futtert schon löffelweise Zucker. Doch es stehen auch andere Lebensmittel auf der Liste ganz oben: So sind Eier beispielsweise um fast 50 Prozent teuer geworden, Brot und Gemüse um 40 Prozent, Fleisch und Milch um etwa 30 Prozent. Und auch Olivenöl ist deutlich im Preis gestiegen.

Nun ist seit der Corona-Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine fast alles teurer geworden. Globale Lieferketten wurden unterbrochen, Energie wurde knapper und dadurch teurer. Doch in keinem anderen Bereich explodierten die Kosten so sehr wie bei den Lebensmitteln. Die sind im Schnitt heute 36 Prozent teurer als im Anfang 2020. Der Anstieg ist damit fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Bereiche, wozu auch Miete, Energie oder Dienstleistungen zählen. Der lag lediglich bei gut 19 Prozent.

Die Preise für Lebensmittel sind vor allem im Jahr 2022 schneller gestiegen als der Rest.
Die Preise für Lebensmittel sind vor allem im Jahr 2022 schneller gestiegen als der Rest. © SZ Grafik / Gernot Grundwald

Die extremen Preissteigerungen bei Lebensmitteln macht Verbraucherschützer stutzig. So zweifelt die Verbraucherzentrale daran, dass die Preissteigerungen lediglich auf höheren Kosten beruhen. Die Teuerung könne seit Mai 2022 „nicht ausschließlich durch Erzeuger- und Energiepreise erklärt werden. Gewinnmitnahmen liegen also nahe", schlussfolgert eine Studie der Versicherung Allianz Trade. Und auch das ifo-Institut in Dresden kam schon 2022 zu dem Schluss, dass manche Händler ihre Preise wohl stärker erhöhen, als es mit gestiegenen Kosten zu erklären wäre. Konkret heißt das: Großhändler könnten im Fahrwasser der Inflation noch eine Schippe drauflegen, um ihre Gewinne zu maximieren - zulasten der ohnehin schon stark belasteten Verbraucher. Konkrete Belege gibt es dafür bisher nicht, Supermarkt-Ketten haben die Vorwürfe in der Vergangenheit abgestritten.

Häufig beobachten die Verbraucherzentralen auch versteckte Preiserhöhungen durch geringere Füllmengen und veränderte Rezepturen. Sie fordern deshalb die Politik und das Kartellamt auf zu prüfen, ob Handel und Lebensmittelhersteller die aktuelle Lage ausnutzen. Zumindest aus kartellrechtlicher Sicht seien solche Mitnahmeeffekte aber gar nicht relevant, heißt es dazu aus dem Bundeskartellamt. Kartellrechtlich verboten wären nur Preisabsprachen zwischen den Supermärkten – dafür gebe es derzeit aber keine Anhaltspunkte.

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Im Supermarkt gibt es Grund zur Hoffnung

Bei all diesen Schreckensszenarien war es eine frohe Kunde, die das Statistische Bundesamt am vergangenen Donnerstag verkünden konnte: Die Inflationsrate, also die Verteuerung von Waren und Dienstleistungen gegenüber dem Vorjahresmonat, lag im Februar 2024 nur noch bei 2,5 Prozent. Deutschlandweit ist das der niedrigste Wert seit Juni 2021. Und an den Supermarktkassen gibt es sogar noch mehr Grund zur Hoffnung: Während in den letzten zwei Jahren die Lebensmittelpreise stets schneller als die Verbraucherpreise insgesamt gestiegen sind, lag die Steigerung im Februar erstmals deutlich unter dem Durchschnitt. Um nur 0,7 Prozent haben sich Lebensmittel in Sachsen innerhalb eines Jahres verteuert.