Berliner Eigentümer lassen Görlitzer Häuser verfallen

Obere Jauernicker Straße? Seit Juli 2019 voll gesperrt. Dresdener Straße 18 und 18a? Bürgersteig und fünf Parkplätze seit Anfang des Jahres abgesperrt. Bismarckstraße 23? Identisch. Überall drohen Häuser oder Teile davon auf die Straße zu stürzen. Damit zumindest niemand verletzt wird, stehen die Absperrungen.
Anwohner wollen Parkplätze zurück
Anwohner und parkplatzsuchende Autofahrer sind genervt von diesen Dauerzuständen. Was sie nicht wissen können: Die Eigentümer in diesen drei – und noch einigen weiteren – Fällen sind identisch. Es handelt sich hier wie da um das Berliner Unternehmen Thamm & Partner.
Von einer Pleite-Firma kann allerdings keineswegs die Rede sein. Ab 2009 hat sie in Görlitz mindestens zehn Gebäude hochwertig saniert und in aller Regel auch voll vermietet: Hugo-Keller-Straße 5, Konsulstraße 6, Otto-Buchwitz-Platz 3, Löbauer Straße 5 und 20, Jauernicker Straße 61 und 62, Landeskronstraße 18 und zuletzt die Breite Straße 20 und 21. Doch damit nicht genug: Im Internet wirbt das Unternehmen für seine „History Objekte“ in Berlin, Potsdam, Leipzig sowie Görlitz – und preist auch seine aktuellen Neubauprojekte in Leipzig und Potsdam an. Wie eine schlecht laufende Firma sieht das alles nicht aus.
Nach SZ-Informationen gehören Thamm & Partner in Görlitz etwa 40 Häuser, neben den zehn hochwertig sanierten eben auch sehr viele Gründerzeithäuser in sehr schlechtem Zustand – teilweise notgesichert, teilweise noch nicht einmal das. 31 stehen auf einer Liste vom April 2017, die der SZ vorliegt, weitere sind noch dazu gekommen. Doch warum passiert mit diesen Häusern seit vielen Jahren gar nichts? Die Firma selbst hält sich gegenüber der SZ sehr bedeckt. Früher führte der Görlitzer Immobilienmakler Frank Schacher die SZ durch all jene Gebäude, deren Sanierung er vor Ort begleitete. Irgendwann aber bekam Schacher offensichtlich aus Berlin einen Maulkorb verpasst: Er darf zu den Aktivitäten der Firma nichts mehr sagen.
Chefin will Texte umschreiben
Bei Thamm & Partner ist Alexander Althammer für die Görlitzer Häuser zuständig. Doch auch er äußert sich nicht. Alle Presseveröffentlichungen würden über den Tisch von Geschäftsführerin Angela Thamm gehen, erklärte er Anfang März am Telefon. Wenn die Sächsische Zeitung über die Firma berichten wolle, dann nur, wenn Frau Thamm den Text vorab lesen und nach Belieben verändern könne. Als die SZ solche Praktiken ablehnte, sagte Althammer ein persönliches Gespräch zu, wenn Frau Thamm das nächste Mal in Görlitz sei. Er wolle sich melden, versprach er Anfang März. Seither herrscht Funkstille.
Die Stadtverwaltung scheint ähnliche Erfahrungen mit Thamm & Partner zu machen. Das Hauptproblem ist die seit 14 Monaten voll gesperrte obere Jauernicker Straße, wo das Haus Nummer 31 auf die Straße zu stürzen droht. Die Absperrung hat Thamm & Partner selbst bezahlt, doch ansonsten ist nichts Sichtbares passiert. Auf SZ-Nachfrage wiederholt die Stadt gebetsmühlenartig, sie sei „mit dem Eigentümer im Gespräch“. Über den Eigentümer und über Gesprächsinhalte zeigt sie sich verschwiegen, will offenbar niemanden verprellen. Doch Thamm & Partner scheint kein einfacher Gesprächspartner zu sein. „Natürlich wünschen auch wir uns, dass wir schneller zu Ergebnissen kommen“, erklärt jetzt Baubürgermeister Michael Wieler auf SZ-Nachfrage. 14 Monate Stillstand seien für die Stadt nicht zufriedenstellend.
Stadt will Fassade erhalten
Der Wunsch der Stadt wäre, die Fassade zu erhalten, sagt Wieler: „Sie hat einen hohen Denkmalwert.“ Leider könne die Stadt das Ganze nicht beschleunigen. Dadurch, dass die Straße abgesperrt ist, sei zumindest keine Gefahr im Verzug. Kann die Straße noch fünf Jahre gesperrt bleiben, wenn die Gespräche nicht vorankommen? „Theoretisch ist das möglich, aber wir streben das auf keinen Fall an“, so Wieler.
Wenn die Untere Denkmalbehörde der Stadt mit den Berlinern nicht vorankommt: Kann das Landesamt für Denkmalpflege in Dresden eingreifen? „Die Firma Thamm & Partner ist (...) auch dem Landesamt bekannt“, sagt Sprecherin Sabine Webersinke. Die alleinige Zuständigkeit – außer, wenn der Abriss beantragt werden sollte – liege aber bei der Stadt Görlitz. „Ein Abriss wurde nach unserem Kenntnisstand nicht beantragt. Derzeit prüft die Stadt wohl verschiedene Möglichkeiten, um den Eigentümer zu unterstützen“, sagt sie.
Nachbar wollte Ruine kaufen
Auch Karsten Tobias aus Freital, der derzeit die Jauernicker Straße 38 saniert, würde gern eingreifen. Sein Nachbarhaus, die ruinöse Nummer 39, gehört Thamm & Partner. Tobias wollte den Berlinern das Gebäude abkaufen: „Dann könnte ich zwei benachbarte Häuser sanieren und hätte nicht nebenan eine Ruine stehen.“ Dieser Plan hat sich allerdings mittlerweile zerschlagen: Thamm & Partner verkaufen das Haus nicht. Warum? Auch Tobias hat keine Antwort erhalten.