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Neuer Trend: Theater in Görlitzer Straßen

Mit dem Stadtspatz, einer Schauspieltruppe oder dem Opernchor um die Häuser ziehen: Diese Woche starten gleich drei inszenierte Stadtrundgänge.

Von Ines Eifler
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Die Görlitzer Puppenspielerin Anne Swoboda bietet eine Entdeckungsreise durch die Altstadt mit Puppen für Kinder und Erwachsene an. Einer der Protagonisten: der Stadtspatz.
Die Görlitzer Puppenspielerin Anne Swoboda bietet eine Entdeckungsreise durch die Altstadt mit Puppen für Kinder und Erwachsene an. Einer der Protagonisten: der Stadtspatz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Ein brüllender Löwe im Rathausturm, ein zwinkernder Mann in der Uhr, der Hirsch an einer Ecke und goldene Gänse am Ufer – damit ist die Görlitzer Altstadt an sich schon wie gemacht für einen Rundgang mit Kindern.

Die Puppenspielerin Anne Swoboda hat mit ihrem Blick für Bilder und gute Geschichten eine gute Handvoll Orte ausgewählt, an denen sich über 950 Jahre Görlitz so knapp und lebendig erzählen lassen, dass sich auch Grundschüler etwas darunter vorstellen können.

Schönhof beliebt bei Spatzen

"Der Schönhof war schon bei meinen Vorfahren vor fast 500 Jahren beliebt", sagt etwa der Stadtspatz, der immer wieder aus ihrem Theaterwagen schlüpft, "wegen seiner Simse, auf denen wir Spatzen gern hocken." Den Flüsterbogen können die Kinder aus der August-Moritz-Böttcher-Schule, mit denen Anne Swoboda ihren Stadtspaziergang erstmals ging, nicht nur ausprobieren.

Bei Anne Swobodas Stadtspaziergang können Kinder den Flüsterbogen ausprobieren.
Bei Anne Swobodas Stadtspaziergang können Kinder den Flüsterbogen ausprobieren. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Die beiden Köpfe am Flüsterbogen hat sie als Handpuppen mitgebracht, die einander erzählen, was in Görlitz geflüstert wird.
Die beiden Köpfe am Flüsterbogen hat sie als Handpuppen mitgebracht, die einander erzählen, was in Görlitz geflüstert wird. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Puppenspielerin Anne Swoboda mit Kindern der August-Moritz-Böttcher-Grundschule.
Puppenspielerin Anne Swoboda mit Kindern der August-Moritz-Böttcher-Grundschule. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Anne Swoboda führt auch in Häuser und zeigt den Kindern Bilder an bemalten Decken.
Anne Swoboda führt auch in Häuser und zeigt den Kindern Bilder an bemalten Decken. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die Puppenspielerin hat auch die beiden Köpfe, die unter den Enden des Bogens seit Jahrhunderten dem Flüstern lauschen, als Handpuppen dabei und lässt sie mit hallenden Geisterstimmen im Gewölbe die gruselige Sage vom Klötzelmönch erzählen.

"Du hast ja mehrere Stimmen", wundert sich die achtjährige Nadia. "Das ist wie eine Zeitreise", meint ihre Freundin Clementia. Denn von der fernen Vergangenheit bis in die Gegenwart reicht Anne Swobodas Stadtspaziergang mit Puppen, auf dem später noch Adam und Eva vom Biblischen Haus herabsteigen und eine polnische und eine deutsche Gans übers Brückenbauen reden.

Der Heimat ein Stück näher

"Ich wünsche mir einfach, dass Kinder auf diese Weise ein Stück ihrer Heimat entdecken", sagt die Puppenspielerin, die beim Wettbewerb "Wir sind Görlitz!" zum 950. Geburtstag der Stadt den ersten Preis für die Erarbeitung ihres Stadtspaziergangs bekam, ihn aber pandemiebedingt bisher nur selten aufführen konnte.

Daraus ist die theaterpädagogische Entdeckungsreise für Grundschüler mit Projekttag erwachsen, an dem die Kinder auch selbst kreativ werden können. Am Freitag und Sonnabend vor Pfingsten ist noch einmal jeweils die Langfassung "Mehr als 950 Schritte" für Erwachsene zu erleben.

Wenig bekannte Geschichten aus der Nikolaivorstadt

Zu einem zweiten szenischen Stadtrundgang kann man sich für Pfingstmontag anmelden. Der Bürgerrat Klingewalde, Altstadt, Nikolaivorstadt hatte schon länger vor, den ältesten Teil von Görlitz, die Nikolaivorstadt, stärker zu würdigen. "Aber nicht mit einer gewöhnlichen Stadtführung, sondern einer Folge gespielter Szenen", sagt Hagen Aye, Bürgerrat für die Nikolaivorstadt.

Musikalisch-poetisch-theatraler Spaziergang durch die Nikolaivorstadt, eine Initiative des Bürgerrats für dieses Görlitzer Viertel.
Musikalisch-poetisch-theatraler Spaziergang durch die Nikolaivorstadt, eine Initiative des Bürgerrats für dieses Görlitzer Viertel. © Julia Boegershausen

So haben die Freispielbühne um den Schauspieler Andreas Rüdiger und die Künstlerin Julia Boegershausen sowie mehrere Laiendarsteller aus dem Bürgerrat unter dem Titel "Wandel(n) in der Nikolaivorstadt" Szenen für zwölf Orte zwischen Finstertor und Lunitz entwickelt, an denen sie die Geschichte der Nikolaivorstadt erlebbar machen.

Hagen Eye und Julia Boegershausen haben dafür geforscht und manches entdeckt, wovon auch viele Görlitzer nichts wissen. Etwa den Wäschetrockenplatz "Auf der Wüstgen" am Finstertor, die vermutliche Herkunft des Namens "Bogstraße" oder warum in der "Unterstadt" kein Bier ausgeschenkt werden durfte.

Vom Mittelalter über die französische Belagerung unter Napoleon bis hin zu Arbeiteraufständen in der Tuchfabrik Ende des 19. Jahrhunderts haben die Akteure kleine Geschichten erdacht und einstudiert. Nach der Premiere am Montag ist der Rundgang noch einmal beim Viathea am 8. und 9. Juli geplant sowie für das Stadtteilfest auf der Pestwiese des Nikolaifriedhofs am 3. September, das der Bürgerrat vor einigen Jahren ins Leben rief und wo auch die Idee zu dem Rundgang entstand.

Mit Gesang durch die Altstadt

Mit einer dritten künstlerischen Stadtführung bringt der Chor des Gerhart-Hauptmann-Theaters Musik in die Stadt. Bis Ende Juli zieht er an jedem Mittwoch vom Brunnen am Obermarkt "Mit Gesang von Tor zu Tor".

Bis Ende Juli ist der Görlitzer Opernchor jeden Mittwoch ab 11 Uhr an verschiedenen Stellen der Altstadt zu erleben.
Bis Ende Juli ist der Görlitzer Opernchor jeden Mittwoch ab 11 Uhr an verschiedenen Stellen der Altstadt zu erleben. © EGZ
Jeden Mittwochvormittag im Juni und Juli ist der Görlitzer Opernchor an verschiedenen Stellen der Altstadt zu erleben.
Jeden Mittwochvormittag im Juni und Juli ist der Görlitzer Opernchor an verschiedenen Stellen der Altstadt zu erleben. © EGZ

Die 20 Chormitglieder aus acht Nationen singen kunstvoll-erfrischende Lieder meist alter Meister an beliebten Plätzen der Görlitzer Altstadt. Chorleiter Albert Seidl stammt selbst aus Graz und weiß aus Erfahrung, was es in Görlitz alles zu entdecken gibt. So wird er zwischen den Liedern in seinem sympathischen österreichischen Dialekt Besuchern etwas über bekanntere und weniger bekannte Schätze der Stadt erzählen.

Mehr als 950 Schritte: 3. Juni, 17 Uhr; 4. Juni 16 Uhr; Tickets: i-event 03581 421362, Görlitz-Information 03581 4757-0

Wandel(n) in der Nikolaivorstadt: 6. Juni, 17 Uhr; Reservierung: 0170 4939522

Mit Gesang von Tor zu Tor: bis 27. Juli jeden Mittwoch ab 11 Uhr am Brunnen, Obermarkt; Tickets: Görlitz-Information 03581 4757-0, [email protected]