SZ + Görlitz
Merken

Rechtsextreme mit legaler Schusswaffe: Was tun die Behörden im Kreis Görlitz?

In Schleswig-Holstein urteilt ein Gericht, die Teilnahme an einem rechtsextremen Festival sei ein Grund, jemandem den Waffenschein zu entziehen. Was heißt das für den Kreis Görlitz – und wie viele Rechtsextreme besitzen hier überhaupt eine Waffe?

Von Jonas Niesmann
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wer darf eine Waffe besitzen? Das Gesetz ist hier eigentlich sehr deutlich: Rechtsextreme nicht.
Wer darf eine Waffe besitzen? Das Gesetz ist hier eigentlich sehr deutlich: Rechtsextreme nicht. © dpa

Wer sich spontan nach Feierabend eine Pistole kaufen und diese dann auf eine Demonstration oder in den Supermarkt mitnehmen will, muss dafür erst den Atlantik überqueren. Während in manchen Bundesstaaten der USA die Waffengesetze so lax sind, dass ein 18-jähriger ohne Überprüfung ein Sturmgewehr kaufen kann, ist das Tragen von Schusswaffen in Deutschland streng reglementiert. Neben Angehörigen von Strafverfolgungsbehörden wie Polizei oder Zoll bekommen nur solche Menschen eine Erlaubnis dafür, die nachweisen können, dass sie in besonderem Maße bedroht sind.

Eine Ausnahme gilt für Sportschützen oder Jäger – sie dürfen Schusswaffen zu Hause aufbewahren oder zur Jagd mit sich führen. Und es gibt Waffen, für die es einen Bedarfsnachweis gar nicht braucht: Dazu gehören Schreckschuss- oder Signalpistolen. Die hören sich harmlos an, können aber auf kurze Distanz zu schweren Verletzungen oder sogar dem Tod führen.

Dürfen Rechtsextreme eine Waffe besitzen?

Um eine Erlaubnis zum Umgang mit einer Schusswaffe ganz gleich welcher Art zu bekommen, überprüfen die Behörden beim Antrag und danach alle drei Jahre die „Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung“ des Besitzers. Eine Vorstrafe ist dann ebenso problematisch wie eine psychische Erkrankung oder Alkoholabhängigkeit.

Doch im Paragraph 5 des deutschen Waffengesetzes heißt es auch: „Die erforderliche Zuverlässigkeit zum Umgang mit einer Waffe besitzen Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind oder Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt, oder eine solche Vereinigung unterstützt haben.“

Was bedeutet das für Menschen im Landkreis Görlitz, die rechtsextreme Veranstaltungen besuchen, aktiv in rechtsextremen Parteien sind oder offen mit rechtsextremen Zielen sympathisieren? Der Verfassungsschutz definiert einen Rechtsextremisten als jemand, der „davon ausgeht, dass die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Nation über den Wert eines Menschen entscheide. Dieses Werteverständnis steht in einem fundamentalen Widerspruch zum Grundgesetz.“

Nach Paragraph 5 sind das genau solche Menschen, die die erforderliche Zuverlässigkeit zum Umgang mit einer Waffe nicht besitzen. In Schleswig-Holstein urteilte gerade das Verwaltungsgericht, die Teilnahme an einem rechtsextremen Festival, dessen Veranstalter ein ehemaliger NPD-Funktionär war, sei ein ausreichender Grund, jemandem die Erlaubnis zum Führen einer Waffe zu entziehen

Gibt es sieben rechtsextreme Waffenbesitzer im Kreis Görlitz?

Das Landratsamt Görlitz teilt auf SZ-Anfrage mit: „Liegen Tatsachen vor, dass der Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis extremistische Bestrebungen verfolgt hat oder Vereinigungen unterstützt, die solche Bestrebungen verfolgen, ist die Zuverlässigkeit (zum Führen einer Waffe) in der Regel nicht mehr gegeben.“ Was das für Mitglieder der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD bedeutet, lässt die Antwort offen.

Einer kleinen Anfrage der Linken im Sächsischen Landtag zufolge hat der Verfassungsschutz Kenntnis von sieben Menschen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen im Landkreis Görlitz, die der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen sind. Warum haben sie dann noch eine Waffe?

Was machen die Behörden?

Das Sächsische Innenministerium antwortet auf SZ-Anfrage, der Entzug einer Erlaubnis sei immer eine Einzelfallentscheidung. Auch im Landkreis Görlitz seien in den vergangenen Jahren aber „waffenrechtliche Erlaubnisse bei Personen entzogen worden, bei denen Bezüge zum Rechtsextremismus bekannt wurden.“ Das Landratsamt widerspricht dem: Im Landkreis Görlitz seien zumindest im letzten Jahr keine waffenrechtlichen Erlaubnisse aufgrund der Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene entzogen worden. Bis Redaktionsschluss hat das Landratsamt auf eine Nachfrage dazu nicht geantwortet.

Mirko Schultze, Vorsitzender der Fraktion Die Linke in Görlitz, fordert mit Blick auf das Urteil in Schleswig-Holstein gegenüber der SZ, noch einmal „genau zu überprüfen, ob Besitzer von waffenrechtlichen Erlaubnissen im Landkreis Görlitz der rechten Szene zugehörig sind oder an rechtsextremen Veranstaltungen teilgenommen haben.“ In diesem Fall solle der Waffenschein sofort entzogen werden. „Wer offen gegen die demokratische Grundordnung ist und zeigt, dass er im Zweifel auch bereit ist, gewaltsam dagegen zu verstoßen, der sollte keine Waffe besitzen dürfen“, so Schultze.