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Urlauber zögern bei Reisen nach Polen

Görlitzer Reisebüros verzeichnen Absagen und Zurückhaltung beim Verreisen ins Nachbarland. Dabei sind Reisen sicher - sagt Polens Fremdenverkehrsamt.

Von Gabriela Lachnit
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Urlaub an der polnischen Ostsee ist bei Deutschen und Bürgern anderer Nationen beliebt. Doch der Ukraine-Krieg führt zu Verunsicherungen bei vielen Urlaubern.
Urlaub an der polnischen Ostsee ist bei Deutschen und Bürgern anderer Nationen beliebt. Doch der Ukraine-Krieg führt zu Verunsicherungen bei vielen Urlaubern. © Foto: polen.travel

Sandro Rötschke von Urania-Reisen am Görlitzer Klosterplatz vermittelt ausschließlich Reisen nach Polen, darunter an die Ostsee und ins Gebirge. "Momentan haben wir keine Stornierungen von Buchungen, in der Vergangenheit aber schon", sagt er. Begründet wurden diese meistens mit dem Krieg in der Ukraine. Nachvollziehen kann der Leiter des Reisebüros das aber nicht.

Zurückhaltung beim Buchen

Zwar sei bei den Buchungen das Vor-Corona-Niveau fast wieder erreicht, aber er spüre die Zurückhaltung der Menschen. Alfred Theisen, Inhaber von Senfkorn-Reisen in der Görlitzer Brüderstraße, sieht die Sache ähnlich. Auch er spricht von zögerlichem Buchungsverhalten. Sogar Absagen aufwendig vorbereiteter Gruppenreisen musste er kürzlich hinnehmen: Eine Gruppe aus Süddeutschland hatte eine Bildungsreise nach Krakau/Kraków gebucht und dann storniert - mit dem Ukraine-Krieg als Begründung.

Alfred Theisen denkt mit Bedauern daran, dass er manche Urlaubsziele, die in der Vergangenheit stets beliebt waren, jetzt tatsächlich nicht anbieten kann, darunter nach Lemberg/Lwiw in der Westukraine. "Reisen mit Besuch der dortigen Oper hatten wir sehr gut verkauft", erzählt Theisen. Nach Ostpolen wurden gern Bildungsreisen gebucht, um den polnischen Hochadel und seine Schlösser kennenzulernen. Hier wie auch bei Reisen nach Oberschlesien oder an die polnische Ostsee sieht er derzeit aber eine geringere Nachfrage.

Schloss Lomnitz/Lomnica im Hirschberger Tal.
Schloss Lomnitz/Lomnica im Hirschberger Tal. © Foto: GT

Eher Kurzurlaub - aber spontan gebucht

Gabriela Duma, Marketingleiterin auf Schloss Lomnitz/Lomnica im Hirschberger Tal, beobachtet derzeit weniger Gäste aus Deutschland. "Wir sind mit unserem Restaurant auf Tagesgäste spezialisiert, die hier immer etwas Besonderes geboten bekommen, wie erst am letzten Wochenende einen Biergarten mit Livemusik", erklärt sie. Es fehlen die Tagesgäste, die als Gruppe mit dem Bus anreisen. Im Hotel dagegen sei das Buchungsverhalten ähnlich wie in Deutschland: Gäste machen Kurzurlaub und entscheiden sich spontan. Langfristige Buchungen sind mittlerweile Ausnahmen, obwohl es Stammgäste aus Deutschland, Polen und Westeuropa gibt.

Einige Gründe dafür sehen sowohl Theisen als auch Duma im Ukraine-Krieg. Die große Zahl ukrainischer Flüchtlinge in vielen Städten Polens schreckt offenbar ab, Urlaub in Polen zu machen. Insgesamt sei es aber die derzeitig angespannte Situation mit Krieg, Energiekrise und Inflation, die die Menschen verunsichern und ihr Geld zusammenhalten lässt, vermuten Duma und Theisen. Sandro Rötschke dagegen sieht, dass sich potenzielle Urlauber zu wenig mit Fakten auseinandersetzen. "Man könnte meinen, einige Leute denken, dass in Zgorzelec Panzer rollen, wenn im Donbass geschossen wird", bringt er es sarkastisch auf den Punkt.

Der Marktplatz in Breslau/Wroclaw fehlt auf keiner Besuchsliste von Touristen in der polnischen Stadt.
Der Marktplatz in Breslau/Wroclaw fehlt auf keiner Besuchsliste von Touristen in der polnischen Stadt. © Foto: polen.travel

Tourismusbranche schöpfte Hoffnung

Doch für das Hinausschieben oder die Absage einer Reise nach Polen gibt es objektiv keine Gründe. "Reisen nach Polen sind genauso sicher wie in Deutschland", erklärt Konrad Guldon. Er ist der Direktor des polnischen Fremdenverkehrsamtes in Deutschland. Nachdem Anfang dieses Jahres die Corona-Zahlen in Polen stark zurückgingen und die Maßnahmen weitestgehend aufgehoben wurden, schöpfte die polnische Tourismusbranche Hoffnung: Es wurden wieder mehr Reisen nach Polen gebucht.

Dann kam mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs eine starke Verunsicherung, sodass teilweise Reisen storniert wurden. "Inzwischen erleben wir wieder eine gewisse Normalisierung. Hotels an der Ostseeküste, aber auch in Niederschlesien und anderen Regionen melden uns, dass es sehr viele kurzfristige Buchungen auch von deutschen Gästen gibt", erklärt er. Suche man in den Buchungsportalen nach beliebten Ostseebädern wie Kolberg, Swinemünde oder Zoppot, finde man derzeit kurzfristig nur noch wenige freie Zimmer.

Wie in Deutschland seien auch in Polen die Preise in den letzten Monaten infolge des Ukraine-Krieges deutlich gestiegen. "Aber noch immer hat man bei uns einen Preisvorteil – das wissen auch deutsche Gäste zu schätzen, die infolge der größeren wirtschaftlichen Unsicherheiten gern preisbewusst verreisen möchten", betont Konrad Guldon.

Konrad Guldon
Konrad Guldon © Foto: polen.travel

Beliebte Ferienzentren weitab vom Kriegsgeschehen

Schon sehr früh wies das polnische Fremdenverkehrsamt darauf hin, dass die beliebtesten Ferienzentren des Landes weit entfernt von der Ukraine liegen. "An der polnischen Ostseeküste oder im Hirschberger Tal der Schlösser ist man nicht unsicherer als in der Sächsischen Schweiz oder im Erzgebirge und in Breslau genauso sicher wie in Dresden", nennt der Direktor Beispiele. Zwar wurden anfangs des Ukraine-Krieges auch einige Ferienunterkünfte genutzt, um die Vielzahl von ukrainischen Flüchtlingen rasch zu versorgen, aber die meisten kamen privat unter und sind heute weitestgehend in das normale Leben integriert.

"Deshalb kann ich nur alle deutschen Gäste dazu einladen, Polen in diesem Sommer oder im Herbst zu besuchen", sagt Konrad Guldon und verspricht den Gästen einen entspannten Urlaub, der aber auch zahlreiche kulturelle Events bieten kann, die in den kommenden Monaten stattfinden. Er benennt dabei Europas größtes Festival Pol’and’Rock, auch das Woodstock Festival Polens genannt, vom 4. bis 6. August an der Pommerschen Seenplatte bei Stettin/Szczecin und das Event Wratislavia Cantans vom 9. bis 18. September in den schönsten Konzertsälen von Breslau/Wroclaw und Umgebung.

Auch das ist Polen - Berge in der Tatra.
Auch das ist Polen - Berge in der Tatra. © Foto: polen.travel

Polen bereitet internationale Events vor

Auch internationale Organisationen sehen offenbar keinen Grund, Polen zu meiden, merkt Konrad Guldon an. So wird im November erstmals ein Welt-Treffen der Konferenz- und Kongressbranche mit rund 1.000 Teilnehmenden in Krakau/Kraków stattfinden. Für die Handball-Weltmeisterschaft der Männer im Januar 2023 laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Polen ist zusammen mit Schweden Ausrichter der WM. Das deutsche Team tritt in der Vorrunde in Kattowitz/Katowice an. "Wir registrieren dort bereits jetzt großes Interesse deutscher Fans, die die Spiele in der legendären Veranstaltungshalle Spodek miterleben möchten", erklärt Guldon - darunter vielleicht auch Fans aus dem handballbegeisterten Görlitz.