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Stadtwerke Görlitz und Niesky erhöhen Strompreise

Die Versorger sprechen selbst von einer Preisexplosion für Strom an den Börsen. Jetzt reagieren sie. Für viele Kunden bedeutet das schmerzhafte Mehrausgaben.

Von Sebastian Beutler
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Die Strompreise in Görlitz und Niesky steigen. Aber es gibt Unterschiede.
Die Strompreise in Görlitz und Niesky steigen. Aber es gibt Unterschiede. © Archiv/Rainer Weisflog (Symbolfoto)

Ende Dezember war Stadtwerke-Vertriebschef Sacha Caron nicht mehr zum Lachen zumute. Die Strompreise kletterten in bislang ungekannte Höhen an der Börse, zugleich wollten immer mehr Kunden Strom von den Görlitzer Stadtwerken beziehen, weil ihr bisheriger Anbieter pleite gegangen war oder die Stromversorgung eingestellt hatte.

Es waren dramatische Tage, die Caron und Stadtwerke-Vorstand Matthias Block in diesem Ausmaß noch nie erlebt haben. Die Folgen spüren sie noch jetzt. Der Strompreis ist zwar im Vergleich zu Dezember gesunken, liegt aber immer noch dreimal so hoch wie im langjährigen Mittel der vergangenen Jahre. Auch schlagen die Preise täglich nicht mehr so aus, und doch fallen die Preise zum kurzfristigen Nachbestellen von Mengen täglich sehr verschieden aus.

Sacha Caron ist Prokurist und Verkaufschef bei den Stadtwerken Görlitz.
Sacha Caron ist Prokurist und Verkaufschef bei den Stadtwerken Görlitz. © Stadtwerke Görlitz AG

Astronomische Preise für Neukunden

Das alles bekamen zunächst jene Kunden zu spüren, die in den vergangenen Jahren besonders preiswert Strom von Discountern bezogen hatten. Ihre Versorger kündigten die Verträge zuletzt oder gingen gleich ganz in Insolvenz. Das sind mittlerweile über 40 Anbieter. Die Folge: Ihre Kunden wurden ersatzweise vom regionalen Versorger mit Strom beliefert. In dem Fall die Stadtwerke Görlitz AG. So ist es vom Gesetzgeber her geregelt.

Es gibt schönere Anlässe, als die größten Preissteigerungen der vergangenen Jahre anzukündigen: der Görlitzer Stadtwerke-Vorstand Matthias Block.
Es gibt schönere Anlässe, als die größten Preissteigerungen der vergangenen Jahre anzukündigen: der Görlitzer Stadtwerke-Vorstand Matthias Block. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Doch für diese zusätzlichen Kunden hatten sich die Stadtwerke nicht mit Strom und auch nicht mit Gas eingedeckt. Während sie für die langjährigen Bestandskunden langfristig Strommengen an der Börse zu vergleichbar günstigen Preisen einkaufen, mussten sie im Dezember für Hunderte Neukunden ausgerechnet zu den teuersten Preisen seit Jahren zukaufen. Dadurch aber stieg der Tarif für diese Neukunden auf astronomische 89 Cent pro Kilowattstunde beim Arbeitspreis. Bei Bestandskunden kostet der Arbeitspreis in der teuren Grundversorgung 33 Cent pro Kilowattstunde.

Wie den Stadtwerken erging es auch anderen Versorgern. Die Stadtwerke Niesky, so erklärt deren Geschäftsführer Holger Ludwig gegenüber der SZ, haben ebenso solche Erfahrungen gemacht. Auch sie mussten schnell Strommengen zu horrenden Preisen zukaufen, was die Tarife für die von den Discountern gewechselten Kunden in die Höhe schießen ließen.

Versorger bieten nur noch Grundversorgung an

Auch der Nieskyer Stadtwerke-Chef Holger Ludwig hat solche Zeiten noch nicht erlebt.
Auch der Nieskyer Stadtwerke-Chef Holger Ludwig hat solche Zeiten noch nicht erlebt. © André Schulze

Nun könnten diese Neukunden die Ersatzversorgung innerhalb weniger Tage wieder kündigen. Sie ist eigentlich nur dafür gedacht, dass Kunden nicht ohne Strom dastehen, wenn ihr Versorger nicht mehr liefert. Doch genau das ist für viele dieser Neukunden jetzt schwierig. Wenn man beispielsweise dieser Tage auf der Internetseite des Regionalversorgers Enso seine Daten eingibt, wird einem lediglich die teure Grundversorgung angeboten, keine anderen günstigen Produkte. Die Versorger haben sie vom Markt genommen. Das bestätigen auch die Stadtwerke Görlitz und Niesky. Lediglich bei einem Umzug innerhalb von Niesky kann der günstigere Tarif mitgenommen werden. Wer hingegen im Moment nach Niesky zieht und von den Stadtwerken Strom beziehen will, erhält nur den teuren Grundtarif angeboten.

Und der hat es ab 1. März in sich. Zu diesem Zeitpunkt erhöhen die Stadtwerke Niesky ihren Grundtarif von 16,30 auf 32,93 Cent pro Kilowattstunde. Zwar fließen in den Gesamtpreis noch andere Bestandteile ein, die jetzt nicht steigen, sodass die Steigerung des Gesamtpreises nicht ganz so drastisch ausfällt, aber auch hier steigt der Tarif von 34,40 auf 51,03 Cent pro Kilowattstunde.

Wenigstens die Bestandskunden bleiben vorerst von Erhöhungen verschont. Die meisten haben einen Vertrag bei den Stadtwerken Niesky über zwei Jahre. Und noch besteht die Hoffnung, dass sich die Preise auch wieder beruhigen. "Doch wenn sich die Preise befestigen auf dem höheren Niveau, dann rutscht die breite Masse nach", sagt Holger Ludwig. Mit anderen Worten: Dann müssen die Stadtwerke die höheren Kosten auch an diese Kunden weitergeben.

Auch höhere Preise für Bestandskunden in Görlitz

Bei den Stadtwerken Görlitz passiert genau das bereits zum 1. April.

Nachdem das Unternehmen bereits zum 15. Januar einen neuen Grundversorgungstarif für Neukunden eingeführt hat, wird ab 1. April der Strom-Arbeitspreis für die Bestandskunden über alle Produkte um knapp 20 Prozent oder 5,95 Cent pro Kilowattstunde (brutto) steigen, beim Gas geht es sogar um ein Drittel aufwärts - um 2,89 Cent pro Kilowattstunde. Trotz dieser Erhöhungen, ist sich Sacha Caron sicher, seien diese Preise im Vergleich mit anderen Anbietern noch attraktiv.

Zumal auch die Mitbewerber jetzt nach und nach Preiserhöhungen zum 1. April ankündigen. So beispielsweise die Enso, die den Grundtarif auf 33,01 Cent pro Kilowattstunde anhebt.

Die Görlitzer Stadtwerke halten aber daran fest, den Neukunden von den Discountern höhere Tarife anzubieten als ihren langjährigen Bestandskunden. Das ist umstritten in der Branche, die Verbraucherschützer von Finanztip halten das für nicht erlaubt. Niesky geht deswegen ab 1. März einen anderen Weg und führt nur noch einen Grundtarif für alle ein. Aber die ersten Landgerichte haben einer solchen Kostentrennung jetzt zugestimmt. Der Görlitzer Stadtwerke-Chef Matthias Block sieht dadurch seine Strategie auch bestätigt. Er sehe nicht ein, sagt er gegenüber Sächsische.de, dass langjährige Kunden dadurch bestraft werden, dass sich einige andere am Markt verzockt haben.

Hoffnungen auf Preissenkungen

Zwar hoffen auch die Stadtwerke Görlitz auf eine Beruhigung an den Strommärkten. Vor allem die geopolitischen Krisen wie zwischen der Ukraine und Russland, die leeren Gastanks in Deutschland sowie die gestiegene Nachfrage der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie haben die Preise nach oben schnellen lassen. "Wenn die Preise sinken, werden wir auch wieder mit unseren Tarifen heruntergehen", sagt der Görlitzer Stadtwerke-Chef Matthias Block.

Auch die Bundesregierung will reagieren, Finanzminister Christian Lindner schlug vor, die Ökostrom-Umlage bereits Mitte des Jahres ersatzlos zu streichen und nicht erst Ende dieses Jahres. Das würde brutto 4,43 Cent pro Kilowattstunde ausmachen. Doch ob es so kommt, ist nicht klar. Und durch die CO2-Zertifikate steigt der politische Preis für Strom ohnehin jährlich weiter. Bleibt ein Trost für alle Bestandskunden: Eine Kündigung ihrer Stromverträge schließen die Stadtwerke kategorisch aus.