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Als Görlitzer Hausärzte einen Fahrer hatten

In Hagenwerder wurde 1958 eine große Ambulanz für Kraftwerk Braunkohlengrube eröffnet. Sie diente auch der Bevölkerung.

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In diesem Gebäude auf der Robert-Koch-Straße in Hagenwerder befand sich einstmals das Betriebsambulatorium von Kraftwerk und Braunkohlewerk.
In diesem Gebäude auf der Robert-Koch-Straße in Hagenwerder befand sich einstmals das Betriebsambulatorium von Kraftwerk und Braunkohlewerk. © privat / Joachim Neumann

Der 1. April des Jahres 1958 war ein wichtiger Tag für das Kraftwerk „Völkerfreundschaft“ und das Braunkohlenwerk „Oberlausitz“ im Süden von Görlitz. An jenem Tag vor 65 Jahren wurde das Betriebsambulatorium in Hagenwerder als Gemeinschaftseinrichtung beider Großbetriebe übergeben und diente fortan sowohl den Mitarbeitern als auch der medizinischen Versorgung der Bürger von Hagenwerder und umliegender Dörfer.

Die Besonderheit dabei: Das medizinische Personal wurde gemeinsam vom Kreisarzt und den beiden Betriebsdirektoren bestellt. Fachlich unterstanden diese Angestellten aber ausschließlich dem Amtsarzt (Kreisarzt). In dem Haus auf der Robert-Koch-Straße von Hagenwerder praktizierten Dr. med. Sickor als Ärztlicher Leiter mit einer Sprechstunde für Allgemeinmedizin, zwei weitere Allgemeinmediziner, zwei Zahnärzte, ein Augenarzt und ein Gynäkologe.

Für jeden Arzt gab es die erforderlichen Schwestern und je eine Arztsekretärin. Im Lauf der Zeit kamen auch noch Praxen für Inneres und HNO dazu. Im Ambulatorium gab es zudem eine eigene Röntgenabteilung, ein medizinisches Labor, eine psychotherapeutische Abteilung, eine Bäder- und Massageabteilung, Bestrahlungs- und Gymnastikräume sowie eine Apotheke. Für die ortsnahe Unterbringung des Personals stellte man in Hagenwerder vier Wohnungen bereit.

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In den großen Werken wurden Betriebssanitätsstellen geführt, die dem Ambulatorium mit unterstellt wurden. Dazu gehörte neben Kraftwerk und BKW (jeweils mit Arzt und Krankenschwester besetzt) auch der Tagebau Olbersdorf nahe der Stadt Zittau (stundenweise von einem Arzt betreut). Das Betriebsambulatorium Hagenwerder war zudem die Leitstelle für das Betriebsgesundheitswesen im gesamten Kreis Görlitz-Land, ihm oblag außerdem die fachliche Betreuung der Gemeindeschwesternstationen von Hagenwerder, Deutsch Ossig und Schönau-Berzdorf. Den Allgemeinmedizinern stand für Hausbesuche ein eigener Pkw mit Fahrer zur Verfügung. Und in den Betrieben gehörten geländegängige Krankenwagen rund um die Uhr zum Standard des Fuhrparks.

Ende der 1980er-Jahre reichte die Einrichtung nicht mehr aus. Es wurde ein moderner Anbau geschaffen. In diesem befand sich eine neue Röntgenanlage, auch die Apotheke wurde großzügig erweitert. Allerdings wurde der Neubau 1989 nicht mehr seiner Bestimmung übergeben. Die politische Wende brachte das Aus für die Kohle- und Energiebetriebe und damit auch für angeschlossene Einrichtungen.

Bereits installierte medizinische Geräte wurden ausgebaut, billig verkauft oder gar verschenkt. Die Apotheke wurde ausgelagert. Der Anbau wurde wieder abgerissen. Das Ambulatoriumsgebäude von 1958 ist heute in Privatbesitz, ein schlüssiges Nutzungskonzept aber nicht bekannt.

Den Beitrag (Text und Bild) entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung dem vom regionalen Verein Oberlausitzer Bergleute unter Vorsitz von Joachim Neumann gestalteten Bergbaukalender 2023.