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Auf dem Rollstuhl-Friedhof

Werden funktionsfähige Hilfsmittel in der Region entsorgt, statt sie weiter zu nutzen? Eine Nachfrage beim Zweckverband bringt überraschende Antwort.

Von Kathrin Krüger
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Rollstühle auf einem Lagerplatz einer Firma in Coswig. Auf Facebook hat dieses Foto unter Menschen, die einen Rollstuhl brauchen, eine Diskussion ausgelöst.
Rollstühle auf einem Lagerplatz einer Firma in Coswig. Auf Facebook hat dieses Foto unter Menschen, die einen Rollstuhl brauchen, eine Diskussion ausgelöst. © privat

Großenhain/Region. Ein Foto eines Recyclingplatzes der Transportfirma Hasse in Coswig macht gerade auf Facebook Schlagzeilen. Zu sehen ist ein riesiger Haufen alter Rollstühle, viele ohne Elektroantrieb, manche eventuell auch mit. Ähnliche Rollstuhlhaufen soll es auch auf der Deponie Gröbern geben. Facebook-Nutzer wie Manuela Lenuweit, die bis vor Kurzem in Strießen wohnte, sind darüber entsetzt. "Warum werden diese Rollstühle nicht weiterverwendet? Ist das nicht Verschwendung von Krankenkassenbeiträgen?" fragen sich Menschen wie Frau Lenuweit. Sie musste lange um einen Spezialrollstuhl für ihre Tochter Victoria kämpfen. Auch eine Weitergabe an die Dritte Welt wird unter den Facebook-Nutzern angeregt.

Grundsätzlich ist der Recyclingplatz in Coswig ein privater Wertstoffhof, wie es sie auch in der kommunalen Abfallwirtschaft beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ZAOE gibt. Hier abgegebene Wertstoffe werden sachgerecht und gesetzeskonform gemanagt und gegebenenfalls sortiert, um anschließend an qualifizierte kommunale oder private Verwertungs- oder Beseitigungsunternehmen übergeben zu werden, sagt ZAOE-Sprecherin Ilka Knigge. Sollten also alte Rollstühle auf diesen Wertstoffhöfen landen, sind sie von ihren früheren Nutzern dort hingebracht worden.

Die Entscheidung liegt beim Nutzer

"Grundsätzlich ist die Lieferung der Rollstühle eher eine Frage der Abfallvermeidung", so Ilka Knigge. "Die Entscheidung, ob ein Rollstuhl noch jemand nutzen kann oder ob es karitative Einrichtungen in der Nähe gibt, die diesen zurücknehmen, liegt in erster Linie beim bisherigen Nutzer bzw. Besitzer." Der ZAOE begrüße eine Wiederverwendung ausdrücklich und gibt hierzu auf seiner Internetseite und im Abfallkalender einige Alltagstipps unterm Stichwort Abfall-ABC.

Wenn die Rollstühle also erst einmal zum Wertstoffhof gebracht wurden, egal ob privat oder kommunal, werden sie zu Abfall, der nach geltendem Recht zu entsorgen oder verwerten ist. Hier gelte laut Ilka Knigge die Abfallhierarchie, also Verwertung vor Beseitigung. Beim Rollstuhl bedeute das oftmals das Recycling des Metallanteils und die Verbrennung der Reste in einer thermischen Behandlungsanlage mit Stromerzeugung.

Ob dagegen noch eine Weiterverwendung möglich ist, könne aber ein Wertstoffhof-Mitarbeiter nicht prüfen. "Gerade, wenn es sich um einen elektrischen Rollstuhl handelt, sind hierfür bestimmte Fachkenntnisse erforderlich. Es besteht auch keine wetterfeste Lagermöglichkeit für gebrauchsfähige Geräte auf den Wertstoffhöfen des ZAOE." Daher sei es so wichtig, dass die Nutzer selbst die vorhandenen Möglichkeiten der Weitergabe über Kleinanzeigen, Flohmärkte oder Ähnliches nicht nur für gebrauchsfähige Rollstühle nutzen.

Elektrische Rollstühle dürfen zudem wie alle anderen elektrischen Geräte auch nur beim kommunalen Wertstoffhof oder Fachhandel abgegeben werden. "Sie sollen gerade nicht den Weg in Dritte-Welt-Länder finden, um dort unter menschenunwürdigen und umweltbelastenden Bedingungen verschrottet zu werden", so die ZAOE-Sprecherin. Über das gesetzlich vorgeschriebene Rücknahmesystem werde sichergestellt, dass die Elektroaltgeräte in zertifizierten Anlagen fachgerecht behandelt und die Rohstoffe recycelt werden. "Die Abgabe zum Beispiel beim privaten Schrottsammler ist daher gemäß Elektrogerätegesetz nicht zulässig."

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Eine Nutzerin bei Facebook sieht das auch so. "Zuerst hart erkämpft, dann wird es nicht weiter gegeben ... So eine Verschwendung", schreibt sie. Zu bedenken ist aber auch noch die Gewährleistung. Rollstühle, Gehhilfen und Rollatoren haben als TÜV-geprüfte Geräte nicht ewig die gesetzliche Betriebserlaubnis. Sie müssen tatsächlich irgendwann entsorgt werden. Einer möglichen groß angelegten Weitergabe in andere Gegenden dieser Welt steht gegebenenfalls das deutsche Verordnungssystem entgegen.

In der Radebeuler Firma Hasse mit Coswiger Schrottannahme stellt Julia Hasse zum konkreten Foto klar, dass es sich hierbei um gewerblichen Abfall handelte. Also um einen Kunden, der Rollstühle verkauft. Er habe einen Container bestellt und die Firma mit der Entsorgung der Rollstühle beauftragt. Die Firma Hasse sei da nur eine Art Zwischenlager. Julia Hasse sagt: "Ich verstehe die Diskussion um die Rollstühle, aber uns kann man das nicht anlasten." Man könne nicht jeden Abfall auf Nachhaltigkeit prüfen. Das müsse an anderer Stelle passieren. Die gleiche Diskussion könnte es bei alten Fahrrädern oder Autos geben. Dennoch sei es möglich, sich im Einzelfall bei Bedarf an den privaten Wertstoffhof zu wenden, so Julia Hasse.