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Großenhain: Schuldnerberater jetzt auf dem Kupferberg

76 Mitglieder gehören zum Verein Soziales Hilfswerk Mitteldeutschland, der Menschen aus der Insolvenz hilft. Die Protagonisten sind schon lange Rentner.

Von Kathrin Krüger
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Sie sind beide schon über 70, doch ans Aufhören denken sie noch nicht: Gerlinde und Rainer Hausmann vom Sozialen Hilfswerk Mitteldeutschland e. V. in ihrem neuen Büro auf dem Kupferberg.
Sie sind beide schon über 70, doch ans Aufhören denken sie noch nicht: Gerlinde und Rainer Hausmann vom Sozialen Hilfswerk Mitteldeutschland e. V. in ihrem neuen Büro auf dem Kupferberg. © Norbert Millauer

Großenhain. Gerlinde Hausmann kommt aus der Wohnungstür, ihr Mann Rainer aus der Tür des Büros nebenan, wenn sie sich etwas übergeben wollen. Auf der Dr.-Jacobs-Straße 13 ist das Soziale Hilfswerk Mitteldeutschland e. V. seit vorigem Jahr ansässig. Den Standort in der Herrmannstraße 27 haben die Hausmanns aufgegeben. Nur das Schild stehe noch. "Aus gesundheitlichen Gründen wurde mir das große Büro zu viel Verpflichtung", sagt die mittlerweile 70-jährige Vereinsvorsitzende und Schuldnerberaterin. Ihr Mann ist schon 74 Jahre, aber auch noch für den Verein jeden Mittwoch zur Sprechzeit am Telefon. Die Schuldner- und Sozialberatung können und wollen die Großenhainer nicht aufgeben. Auch oder gerade, weil sie kommendes Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiern.

Gerlinde Hausmann war Immobilienmaklerin, Rainer Hausmann zu DDR-Zeiten Betriebsdirektor der Gebäudewirtschaft. Beide haben sich in den Jahren, seit sie 1999 den Verein mit heute 76 Mitglieder gründeten, enormes Wissen angeeignet. "Bei Verschuldung und Insolvenzen sind oft Häuser mit im Spiel", sagt Gerlinde Hausmann und tippt auf den Rechner, statt dicke Ordner zu wälzen. Rund 3.800 Klienten konnte die staatlich anerkannte Beratungsstelle erfolgreich helfen. 280 Schuldner kamen aus einer Privatinsolvenz heraus. Dabei arbeiten die Hausmanns als "Familienbetrieb" mit ihren Kindern und Schwiegerkindern ausschließlich ehrenamtlich mit Aufwandsentschädigung im Verein.

Zu lange auf Hilfe verzichtet

Um Miete, Porto, Strom, Telefon- und Personalkosten abdecken zu können, erhält der Verein jährlich auf Antrag 3.000 Euro Zuschuss von der Stadt. Und 7.000 Euro vom Landkreis. "Während es bei der Schuldnerberatung der Diakonie eine Wartezeit gibt, versuchen wir, die Leute spätestens nach sechs Wochen in einen außergerichtlichen Vergleich zu bekommen", sagt Gerlinde Hausmann. Diese außergerichtlichen Einigungen würden zunehmen, weil es jetzt einen Drei-Jahreszeitraum ohne Quote zur Entschuldung gibt. Früher mussten mindestens 30 Prozent der Schulden jährlich plus die Kosten abbezahlt werden. Doch schon die Kinder von ehemaligen Schuldnern sitzen jetzt wieder als Betroffene bei den Hausmanns – das finden die Berater bedenklich.

20 bis 30 Klienten berät der Verein nach eigenen Angaben pro Monat. Über Mundpropaganda, aber auch über die Sparkasse, über Makler, das Gericht, durch Arbeitgeber oder die Banken wird er vermittelt. "Es sind überwiegend Leute mit Einkommen, die aber zu lange auf Hilfe verzichtet haben, wo sich die Schulden anhäuften", so Gerlinde Hausmann. Eine steigende Anzahl von Klienten kann Kredite nicht mehr bedienen. Anschlussdarlehen für Wohneigentum bringt teurere Zinsen. Schuldner können ihr Haus nicht verkaufen, weil es zu alt und vielleicht unsaniert ist.

25 bis 30 abgeschlossene Insolvenzverfahren jährlich

"Zu uns kommen Menschen auch auf Empfehlung", sagt Gerlinde Hausmann. Selbst aus Brandenburg oder Dresden. Empfohlen von Menschen, die oft selbst eine Verbraucherinsolvenz hinter sich haben. "Viele Ältere sind mit Schulden überfordert, weil sie das als gelernte DDR-Bürger nicht kannten", sagt Gerlinde Hausmann. Verschuldet zu sein ist ihnen peinlich. Deshalb suchen sie oft erst zu spät nach Hilfe. "Wir doktern nicht rum, wir machen, was gesetzlich möglich ist", so die erfahrene Schuldnerberaterin. Sie arbeitet mit dem Fachanwalt für Insolvenzrecht Mario Sänger zusammen, der ebenfalls ehrenamtlich im Einsatz ist.

Gerlinde und Rainer Hausmann gehören zu der Sorte Berater, die versuchen, alles möglich zu machen. "Aber immer auf der Basis von Vertrauen", so die Rentner. Wenn die Hausmanns merken, dass sie benutzt werden und die Schuldner ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, geht die Zusammenarbeit schief. "Bei uns müssen die Leute schon finanziell die Hosen herunterlassen, wenn wir ihnen helfen sollen", sagt Gerlinde Hausmann in ihrer burschikosen Art. Doch jährlich 25 bis 30 erfolgreich abgeschlossene Insolvenzverfahren sprechen für sich. Dann sind die Leute schuldenfrei und können wieder ruhig schlafen.