"Ich wollte mich nicht mehr verdreschen lassen"

Großenhain. Der 53-jährige Frank Gollmer wirkt sanft und eher zurückhaltend. Doch angreifen sollte man ihn besser nicht: Gollmer ist nämlich der Kampfkünste mächtig. Und so etwas wie der Bruce Lee von Großenhain. Er brachte die Sportarten Karate, Kung-Fu und vor allem Wing Tsun in die Stadt.
Seit nunmehr 30 Jahren unterrichtet er das in Gruppen und in Einzeltraining auch privat. Anderen Selbstverteidigung beizubringen, ist Frank Gollmers Ziel. Als Kind hat er selbst kennengelernt, wie wichtig das sein kann.
"In der Schule musste ich immer Deckung suchen, ich wollte mich nicht mehr verdreschen lassen", erzählt der gelernte Schlosser. Auch seinen fünf älteren Geschwistern musste Frank Gollmer zeitig Paroli bieten. Doch Kampfsport war in der DDR nicht überall gebräuchlich, wurde kaum gelehrt.
Von seinem kubanischen Arbeitskollegen Lazaro Mena lernte Gollmer schließlich Fauststöße und Fußtritte und die Abwehr von Angriffen. Da hatte er gefunden, was er so lange suchte und brauchte.
Karate, Kung-Fu, Wing Tsun
1986 leitete der Großenhainer im damaligen Haus der Pioniere seine erste Trainingsgruppe. In Dresden lernte er zu dieser Zeit selbst drei Jahre Karate. Dann kam drei Jahre Kung-Fu dazu. In der Kraftsporthalle im Stadtpark verfeinerte er seinen Kampfstil, und es sah schon aus wie in den asiatischen Filmen. Kombinierte Techniken, Fußfegen, Drehkicks, Sprünge - Frank Gollmer hatte Blut geleckt und wollte mit der Wende sein Hobby zum Beruf machen. "Weil mir das mehr Spaß gemacht hat", sagt er.

Im November 1991, und damit vor gut 30 Jahren, trat der Sportler der Europäischen Wing Tsun Organisation bei und machte dann einen Trainerausweis dafür. Bis zu dieser Kampfkunst probierte sich Frank Gollmer durch. Tierstile spielten dabei eine Rolle: Schlange, Kranich, Affe, Tiger oder Drachen.
Kung-Fu übte er mit bis zu 100 Schülern, die er durch einen SZ-Beitrag geworben hatte, im Rollsportstadion in Naundorf. "Doch erst beim Wing Tsun habe ich gemerkt, dass das allen anderen Techniken überlegen ist", blickt Frank Gollmer zurück. Wer dieses System beherrscht, könne die meisten Angriffe, ob mit Stock, Messer oder Faust, erfolgreich abwehren.
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Seine Schwester Karin Schmidt von der Gaststätte Imos Klosterstübchen war eine seiner ersten Schülerinnen in der Naundorfer Halle. "Sie hatte schon ängstliche Situationen und weiß, dass sie sich im Notfall verteidigen kann", ist ihr Bruder stolz auf sie. Auch bekannte Großenhainer Türsteher gingen in Frank Gollmers Anfangsjahren durch seine Ausbildung. Ebenso wie die späteren Aktiven vom Karateverein Kashiwa, Lutz Berger und Joachim Golla.
Seit 1993 kann der Trainer seine Schützlinge im KAB an der Dresdner Straße als Vereinsanbieter unterrichten. "58 Mitglieder habe ich derzeit im Fitnessclub", sagt Frank Gollmer.

Die Kindergruppe trainiert montags und mittwochs, die Jugendlichen und Erwachsenen donnerstags und samstags. Es sind immer gemischte Gruppen, denn auch Frauen wollen Selbstverteidigung und vor allem Selbstbehauptung mit der südchinesischen Kampfkunst lernen. "Der Bedarf steigt", sagt Frank Gollmer, der auch durch Corona Einschränkungen hinnehmen musste. Jetzt hat er auch wieder Schüler sogar aus Schönfeld und Tauscha. Der 21-jährige Jonas zum Beispiel begann schon mit acht Jahren bei Frank Gollmer.
Kurse bis Klipphausen
16 Punkte sind seine "Schulordnung" - die festen Regeln, Erlerntes wirklich nur zur Verteidigung einzusetzen. Oder anderen damit zu Hilfe zu kommen. "Wer es zum Angriff nutzt, wird bei mir ausgeschlossen", sagt der Trainer. Das sei auch schon passiert. Frank Gollmer schafft es zudem, seine ab dreijährigen Schützlinge mit Ruhe und Disziplin zu trainieren. "Er ist genau auf einer Wellenlänge mit den Kids", lobt Susann Wachsmann vom KAB. Oft würden Eltern staunen, wie gut der Trainer auf ihre sonst quirligen Kinder eingehen kann. "Frank kann sie gut motivieren." Die einzige Kampfsportausbildung in Großenhain für Heranwachsende bietet Frank Gollmer indess nicht mehr. Auch an Schulen und Kindereinrichtungen hält er aber Kurse. Sogar bis Klipphausen. Neuerdings macht der Jubilar einen Trainerschein für Gewaltprävention.