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Seltene Bemalung an der Berliner Straße

Die Sanierung des Denkmals wird noch bis Jahresende dauern. Doch schon jetzt zeigt sich am Gebäude eine Sensation für Großenhain.

Von Kathrin Krüger
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Das Haus Berliner Straße 3 in Großenhain wird von der Strehlaer Confido GbR denkmalgerecht saniert. Beim Ausbau der acht Wohnungen kam es zu einer Sensation.
Das Haus Berliner Straße 3 in Großenhain wird von der Strehlaer Confido GbR denkmalgerecht saniert. Beim Ausbau der acht Wohnungen kam es zu einer Sensation. © Norbert Millauer

Großenhain. Vorsichtig arbeitet sich Restauratorin Anja Tomaschewsky auf dem Gerüst Farbschicht für Farbschicht an der Fassade voran. Seit einem halben Jahr ist die Radebeulerin an der Berliner Straße 3 tätig - im Auftrag des Bauherren, der Confido GbR aus Strehla. Die saniert das Denkmalobjekt mit acht Wohnungen. Und Anja Tomaschewsky sorgt mit ihrem Skalpell dafür, dass die künftigen Mieter sich auf eine ganz besondere Hausbemalung freuen können.

"Eine einzigartige barocke Fassadenmalerei haben wir über vier Fenstern gefunden", sagt Bauherr Frank Meißner von der Confido. Das Gebäude war laut Gebäudeaufschrift zuletzt ein Schuhwarenlager von Wilhelm Rößler. Die durch vorsichtiges Vortasten freigelegte Malerei erweist sich als Muscheln und Akanthusblätter. "Die Denkmalpflege hat das als besonders in der Stadt eingestuft", so Anja Tomaschewsky. Kein weiteres Haus in Großenhain, das nach dem Stadtbrand 1744 entstand, hat so etwas noch vorzuweisen. Deshalb wurde die Berliner Straße 3 systematisch untersucht und dokumentiert. Sogar die Landes-Denkmalfachbehörde beriet zur Strategie und Technologie der Konservierung sowie der künftigen Präsentation. "Das Vorhaben wird durch Mittel des Landes Sachsen, die der Landkreis vergeben darf, gefördert", teilt der Landkreis auf Nachfrage mit.

Es gibt zwar noch weitere Objekte im Großenhainer Stadtzentrum, die solche illusionistischen Fragmente zeigen. Dies seien zwei Fassaden in der Meißner Straße. Von einem dieser Häuser ist jedoch nur noch ein Wandpfeiler erhalten. "Der Befund zeugt vom Gestaltungsreichtum der Großenhainer Fassaden im Barock", so Antje Hainz von der Unteren Denkmalpflege. Das sei auch in Innenräumen der Fall gewesen – gut zu beobachten an einem jetzt freistehenden Giebel, an den einst auch ein historisches Gebäude angrenzte – an der Meißner Straße 14. "Wir haben hier Glück gehabt", ist Frank Meißner froh und stolz. Er sagt, dass er das Haus lieben gelernt hat und es in seiner Besonderheit erhalten will.

Diese einzigartige barocke Wandmalerei an der Außenfassade wurde bei der Denkmalsanierung freigelegt.
Diese einzigartige barocke Wandmalerei an der Außenfassade wurde bei der Denkmalsanierung freigelegt. © Norbert Millauer
Restauratorin Anja Tomaschewski beim Vornetzen für die Unterfüllung der barocken Fassade.
Restauratorin Anja Tomaschewski beim Vornetzen für die Unterfüllung der barocken Fassade. © Norbert Millauer
Blick in den Innenhof, der die Berliner Straße 3 mit dem Haus Kirchplatz 7 verbindet.
Blick in den Innenhof, der die Berliner Straße 3 mit dem Haus Kirchplatz 7 verbindet. © Norbert Millauer
Auch zwei historische Kamine - hier einer davon - wurden in dem mehrstöckigen Haus entdeckt und bleiben erhalten.
Auch zwei historische Kamine - hier einer davon - wurden in dem mehrstöckigen Haus entdeckt und bleiben erhalten. © Norbert Millauer

In Abstimmung mit dem Denkmalschutz sichert Anja Tomaschewsky derzeit den alten Putz durch Hinterspritzen. Außerdem rekonstruiert sie die Fehlstellen an der Malerei. Auch im Gebäudeinneren achten die Bauleute auf das, was der Denkmalschutz als erhaltenswert vorgibt. So wurden zwei historische Kamine erhalten: einer im Bad einer Erdgeschosswohnung - als Ablage für Duschutensilien. Ein zweiter steht in einem Flur einer Wohnung im Obergeschoss. Die Baufirma geht sogar noch über die Forderung der Behörde hinaus. Eine hölzerne Bohlenwand mit Malerei aus dem 19. Jahrhundert wird im Obergeschoss nicht im Trockenbau versteckt, sondern restauriert und bleibt als Trennwand sichtbar. Denn die Malerei ist hier sogar mit Seidenpapier überspannt.

Jede der acht Wohnungen, von 46 bis 130 Quadratmeter groß, hat ihre Besonderheiten. Vier Wohnungen sind bereits vergeben, so auch die größte - eine Vierraum-Einheit - mit Oberlichtbeleuchtung und Gästebad. Trotzdem soll modernes Wohnen in historischem Ambiente möglich sein. Energietechnisch habe das Haus Neubaustandart, sagt Bauherr Frank Meißner. Eine Wärmepumpe sogt für warme Stuben und warmes Wasser. Mit dem verantwortlichen Planer Jörg Schneck hat Meißner einen Partner an der Seite, der seine Intentionen gut umsetzt. So sind alle Wohnungen barrierefrei mit Aufzug erreichbar, es gibt Fußbodenheizung, Parkett, offene Wohnküchen, überall Balkone und moderne Internetverkabelung. Die Kaltmiete soll bei 6,90 Euro bis circa 7,50 Euro liegen.

Wer am Sonntag, dem Denkmalstag, zum Museum am Kirchplatz schlendert, wird die Fassade des Hauses Kirchplatz 7 - dem Verbindungsobjekt zur Berliner Straße 3 - erkennen können. Denn bis dahin soll hier das Gerüst abgebaut sein. Das Gerüst an der Berliner Straße kommt laut Frank Meißner in einem Monat weg. Die Wohnungen sollen voraussichtlich im Januar 2022 bezugsfertig sein. Auch die Confido GbR hatte beim neuen Dachstuhl Engpässe bei der Holzlieferung und damit Zeitverzug. Der alte Dachstuhl wurde zerlegt und teilweise für Fachwerk in den Wohnungen weiterverwendet.