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Mehr DDR-Geschmack geht nicht

Bernd Gawalski verhalf der Großenhainer Kesselwurst zum Kultstatus. Ab Freitag hat der Fleischermeister den nächsten Clou im Angebot: Leicoma, das Ostschwein.

Von Catharina Karlshaus
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Der Großenhainer Fleischermeister Bernd Gawalski macht sonst mit der schmackigen Kesselwurst von sich Reden. Ab Freitag bietet er Produkte des einst berühmten DDR-Schweins Leicoma an.
Der Großenhainer Fleischermeister Bernd Gawalski macht sonst mit der schmackigen Kesselwurst von sich Reden. Ab Freitag bietet er Produkte des einst berühmten DDR-Schweins Leicoma an. ©  Kristin Richter

Großenhain. Das Glück der Hausfrau hat Schlappohren. Zumindest bevor es in der Ladentheke zum Liegen kommt und mit all jenen Produkten für sich wirbt, die für kulinarische Einzigartigkeit und ein ganz besonderes Geschmackserlebnis sorgen sollen: zart faserig und aromatisch, saftig mit geringem Feuchteverlust und einer Beschaffenheit, die ihresgleichen suche. Eine tatsächlich seltene Köstlichkeit, die am Freitag Premiere im Geschäft von Großenhains Traditionsfleischer Bernd Gawalski feiern darf. Erstmalig wird der 50-Jährige, welcher das Unternehmen von seinem Vater Peter in dritter Generation 2000 übernommen hat, exklusiv präsentieren, was deutschlandweit bisher nur in fünf Läden erhältlich ist. Fleisch und Wurst vom beinahe ausgestorbenen Leicoma-Schwein, gezüchtet in Sachsen-Anhalt. "Wir freuen uns sehr darauf, dass es nun endlich soweit ist und sind auch ein wenig aufgeregt. Immerhin ist Leicoma nicht irgend eine Rasse, sondern zählt mit zum Besten, was ich als Fachmann meiner Kundschaft bieten kann", bekennt Bernd Gawalski.

Selten und auserlesen. Das beinah ausgestorbene Leicoma-Schwein entstammt einem DDR-Zuchtprogramm und wird heute von der Raunitzer Agrar UG in Gimritz bei Halle bewahrt.
Selten und auserlesen. Das beinah ausgestorbene Leicoma-Schwein entstammt einem DDR-Zuchtprogramm und wird heute von der Raunitzer Agrar UG in Gimritz bei Halle bewahrt. © Foto: Raunitzer Agrar UG

Ein hochwertiger Genuss, der Geschichte auf vier Beinen schreibt. Entstanden ist die Rasse - erkennbar eben an ihren ausgeprägten Schlappohren - in der ehemaligen DDR in den 1970er Jahren. Der Name wurde dabei abgeleitet aus den drei damaligen Bezirken Leipzig, Cottbus und Magdeburg, in denen die herausragendsten Zuchtbetriebe standen. "Diese Rasse gilt als eine wirklich unschätzbare und bleibende Leistung des Schweinezuchtprogramms der DDR! Das Land war allen auch sicherlich politisch motivierten Aussagen zum Trotz schon damals sehr weit in der Zucht und Haltung von Nutztieren", erklärt Wouter Uwland.

Der studierte Landwirt war 2012 gemeinsam mit seiner Frau Caroliene aus der holländischen Heimat nach Sachsen-Anhalt gezogen und widmet sich seit drei Jahren auf dem Hof der Raunitzer Agrar UG in Gimritz der Zucht des vielgepriesenen Ossi-Schweins. Immerhin fünf Zuchtlinien aus etablierten Schweinerassen finden sich in den als sanftmütig und gelassenen geltenden Tieren wieder. Vertreten sei dabei zu 46 Prozent das Duroc aus Amerika, mit 44 Prozent die Deutsche und die Niederländische Landrasse für Bemuskelung, Fleischstärke und Fruchtbarkeit, das Estnische Speckschwein für Beständigkeit und Konstitution mit sechs und das Deutsche Sattelschwein mit fünf Prozent.

1985 dann als eigenständige Rasse in der DDR anerkannt, wurde sie wie viele andere bedeutsame Entwicklungen des untergegangenen Landes ein tragisches Opfer der Wende. Gab es 1990 noch über 5.000 Herdbuchsauen, - das Herdbuch ist eine von einem Zuchtverband geführte Zusammenstellung beglaubigter Abstammungsnachweise von Zuchttieren - seien es 2011 nur noch 130 gewesen. Die Leicoma, welche doch maßgeblich die Schweinezucht in der DDR prägten, waren plötzlich dem Untergang geweiht. "Sie entsprachen ganz einfach nicht mehr den Vorstellungen des Handels! Denn im Vergleich zu anderen Rassen haben die Leicomas einen höheren Fettanteil, was in dieser Form nicht gewünscht war. Viele Schweinehalter stiegen daraufhin auf andere Rassen um", weiß Christoph Opitz.

Der Leipziger Fleischermeister und ausgewiesene Fleisch-Sommelier zählt zu jenen, die indes um die Vorzüge der Leicomas wissen. Denn auch, wenn der Anteil des mageren Fleisches vergleichsweise nur zwischen 56,8 und 59,6 Prozent betrage. Das Fett sei als Geschmacksträger ausgezeichnet im Gewebe verflochten und das Fleisch selbst könne leicht verarbeitet werden. Eigenschaften, von denen Christoph Opitz ebenso überzeugt ist, wie Wouter Uwland. Gemeinsam machen sich die beiden engagierten Männer für die Vermarktung der gewissermaßen wieder zum Leben erweckten DDR-Rasse stark und arbeiten gezielt mit innovativen Fleischern wie Bernd Gawalski zusammen, um das bisher noch hochwertige Nischenprodukt zu vermarkten.

Allerdings: Vor dem Verkauf steht zunächst die Zucht. Insgesamt sieben landwirtschaftliche Betriebe haben sich bundesweit inzwischen wieder den Leicomas zugewandt - die Zucht- und Mastanlage von Wouter Uwland ist dabei die größte. Mit tiefgefrorenen Leicoma-Sperma aus dem Institut für Nutztiergenetik in Mariensee, begann der heute 36-Jährige im Januar 2019, seine Zuchtsauen zu belegen. Gemütliche, treu sorgende Muttertiere, die durchschnittlich zwölf lebende Ferkel zur Welt bringen. Inzwischen hat Wouter Uwland sechs Eber und 40 Zuchtsauen in seinen Ställen stehen. Von der Besamung bis zum Anliefern zum Schlachthof finden auf dem Areal der Raunitzer Agrar UG die Zucht sowie die Haltung der beinahe ausgestorbenen Rasse statt. Damit sie das irgendwann nicht doch noch tut, sollten Liebhaber von hochwertiger Wurst und Fleisch das machen, was dem Erhalt der Leicoma am besten bekäme: Genüsslich zu sich nehmen! Man könne die Tiere letztlich nämlich nur schützen, indem man sie aufisst.

Ein makaber klingender Ratschlag, den Wouter Uwland jedoch in bester Fachkenntnis der Materie erteilt. Die Rasse bestehe erst dann weiter, wenn genügend Tiere gehalten und immer wieder vom Verbraucher nachgefragt würden. Neugierige Verbraucher und hungrige Kundschaft, die am Freitag hoffentlich zahlreich vor dem Geschäft von Bernd Gawalski auf der Elsterwerdaer Straße stehen. Großenhains erfahrener Fleischermeister, der rechtzeitig erkannt hat: das Glück der Hausfrau hat Schlappohren.

Man kann die Rasse nur durch Aufessen schützen: Leicoma-Züchter Wouter Uwland zählt mit seinem Betrieb zu den größten. Er beliefert auch den Großenhainer Fleischer Bernd Gawalski.
Man kann die Rasse nur durch Aufessen schützen: Leicoma-Züchter Wouter Uwland zählt mit seinem Betrieb zu den größten. Er beliefert auch den Großenhainer Fleischer Bernd Gawalski. © Foto: Raunitzer Agrar UG

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