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Wählen unter 18: Wie gehen junge Großenhainer damit um?

Junge Leute holen ihre Infos zur Europawahl überwiegend im Internet. Wahlplakate dagegen stoßen auf unterschiedliche Reaktionen.

Von Thomas Riemer
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An Wahlplakaten zur Europawahl mangelt es in Großenhain derzeit nicht. Doch wie werden sie von Jungwählern wahrgenommen?
An Wahlplakaten zur Europawahl mangelt es in Großenhain derzeit nicht. Doch wie werden sie von Jungwählern wahrgenommen? © Daniel Schäfer

Großenhain. Es ist eine Premiere: Wenn am Sonntag die Wahllokale öffnen, sind erstmals auch junge Leute, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, zur Stimmabgabe aufgerufen. Zwar (noch) nicht zur Kommunal-, aber immerhin zur Europawahl. Fürs Autofahren sind sie noch zu jung. Sekt kaufen dürfen sie schon. Einen kleinen Motorroller fahren auch. 16 - ein Alter, in dem man schon einiges darf, aber eben noch nicht alles.

Jetzt dürfen junge Menschen ab 16 Jahren in Deutschland erstmals bei der Europawahl am 9. Juni 2024 wählen gehen. Ein Wahlrecht haben auch die, die noch am Wahltag 16 Jahre alt werden. Doch wollen die Jugendlichen das überhaupt? Und wie werden sie von den "Erwachsenen" auf ihren ersten Urnengang vorbereitet?

Max Gräf, Leiter der Oberschule am Kupferberg, verweist auf den Gemeinschaftskundeunterricht. In dessen Rahmen seien Themen wie die Europäische Union, die Funktion und Bedeutung des Europaparlaments sowie die Grundsätze demokratischer Wahlen behandelt worden. Für das kommende Schuljahr sei die Durchführung des politischen Bildungsprojekts U18-Landtagswahl mit den Schülern der Jahrgangsstufen 9 und 10 geplant, "um frühzeitig eine Einbindung der jungen Generation in demokratische Prozesse zu ermöglichen", so Max Gräf.

Der Schulleiter sieht in der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre eine Chance, die Demokratie zu stärken, die politische Partizipation zu fördern und junge Menschen frühzeitig in den demokratischen Prozess einzubinden. Damit seien zum Beispiel in Österreich positive Erfahrungen gemacht worden. "Es ist daher umso wichtiger, die Jugendlichen zu fördern, damit sie ihre Stimme rational und verantwortungsbewusst einbringen können, da sich Persönlichkeiten in jungen Jahren noch entwickeln", erklärt Max Gräf.

"Jugendliche sich noch sehr beeinflussbar"

Differenzierter sieht es Elternsprecherin Peggy Riepert von der Kupferberg-Oberschule. Nach ihrem Dafürhalten komme eine Wahl mit 16 für viele noch zu früh, "weil die dafür nötige Reife fehlt". Sicher gebe es auch Jugendliche, die da schon etwas weiter seien. Doch aus der eigenen Familie weiß Peggy Riepert, dass dem Alter geschuldet oftmals noch kein richtiges Händchen für die Politik vorhanden sein kann. Auch etwaige Flyer in den Briefkästen oder Wahlplakate seien für diese junge Altersgruppe wenig animierend.

In den sozialen Medien indes, glaubt Peggy Riepert, würde wohl eher ein Austausch stattfinden. "Jugendliche sind in dem Alter noch sehr beeinflussbar. Aber ob sie deshalb wählen gehen?" Die Elternsprecherin meldet leise Zweifel an.

Und lobt, dass in der Kupferbergschule doch so einiges getan wird, um die Schüler für politische Themen zu sensibilisieren. Das Demokratieprojekt zum Beispiel, bei dem außerhalb des Schulareals das "Leben" im Stadtrat nachgespielt wird. Dort unterbreiten Fraktionen Vorschläge, um an bestimmten Stellen der Stadt unter anderem Verschönerungsmaßnahmen zu ergreifen. Per demokratischer Abstimmung wurden die Standorte ermittelt. In diesem Jahr profitierte davon der Öhringer Garten und partiell das Areal nahe der Faunhöhe und des Skaterplatzes. Kommende Woche gibt es eine Neuauflage für die künftigen Zehntklässler, dessen Resultat im nächsten Jahr zu sehen sein wird.

Wahlplakate schrecken ab

Und wie sehen nun junge Leute selbst ihr Mitspracherecht bei der Europawahl? Sächsische.de hat sich in dieser Woche darüber mit Elftklässlern des Großenhainer Werner-von-Siemens-Gymnasiums unterhalten. Die fast einhellige Meinung: Es sei gut, schon im frühen Alter ein eigenes Votum für Europa abgeben zu dürfen.

Sandy (*Namen geändert) hat ihre Stimme sogar schon per Briefwahl abgegeben. "Ich habe mich vorher mit der Europawahl auseinandergesetzt, auch verschiedene Wahlprogramme angeschaut", sagt die 17-Jährige. Soziale Medien, aber auch Internetseiten der Parteien seien ihre wichtigsten Quellen. Zudem schaue sie täglich die Tagesschau. Eher keine Rolle spielen für Sandy die üblichen Wahlplakate an Laternenmasten oder Kreuzungen. "Manche schrecken sogar ab, viele sind auf Sprüche reduziert."

Noch unentschlossen, wer ihre Stimme erhält, ist Manja (17). "Aber ich gehe am Sonntag auf jeden Fall wählen", erklärt sie. Letztlich werde es wohl eine "Bauchentscheidung" bei ihr sein, auch wenn einige der Parteien auf dem Stimmzettel in die engere Wahl kommen. Hilfe hat sie sich erst jüngst beim Wahl-O-Mat geholt. Auch bei Instagram erfuhr sie einige Inhalte der Parteien. "Flyer im Briefkasten oder Plakate nehme ich zwar wahr, aber die haben keinen Einfluss auf meine Entscheidung", sagt Manja.

Reif genug, um mitzubestimmen

Juliane (17) geht es ähnlich. "Wenn ich so manche Aufsteller in der Gegend sehe, erregt das oft nur Kopfschütteln", sagt die Gymnasiastin. Stattdessen holt sie sich Anregungen aus dem Internet, den Fernsehspots sowie den Tagesthemen. Generell fühlt sie sich gewappnet für ihre erste Wahl: "Man freut sich, teilnehmen zu dürfen und ein bisschen Mitspracherecht zu haben."

Auf ihrem Schreibtisch liegen seit ein paar Tagen die Unterlagen für die Briefwahl. Doch wer letztlich ihre Stimme bekommt, "da bin ich mir noch nicht sicher" - auch nicht nach der Nutzung des Wahl-O-Mats. Auf jeden Fall will sich Juliane in den nächsten Tagen noch einmal mit einzelnen Wahlprogrammen befassen.

Maik, ebenfalls 17, freut sich auf seinen ersten Urnengang. "Vom Alter her fühle ich mich eigentlich reif genug, um auf diese Weise mitzubestimmen", sagt der Elftklässler selbstbewusst. Und dennoch hat er sich noch nicht endgültig darauf festgelegt, wo er sein Kreuz machen wird. "Es gibt aber eine engere Wahl." Bis zum Wahltag wolle er seine persönliche Entscheidung treffen, vorher noch Informationen aus dem Internet, Wahlprogrammen und Politikerreden herausfiltern. Differenziert sieht er die vielen Wahlplakate und deren Aussagen. "Die sagen mir zu wenig", erklärt Maik.