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Nasseböhlaer nimmt seinen 30. Wasalauf in Angriff

Ralf Kretschmer wagt sich am Sonntag erneut an den Skimarathon in Schweden über 90 Kilometer. Das Rennen im nächsten Jahr ist ihm aber fast wichtiger.

Von Thomas Riemer
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Mindestens 1.000 „Schneekilometer“ vor dem Wasalauf sind Pflicht. Ralf Kretschmer aus Nasseböhla bereitet sich im Vorfeld auch bei anderen Langstreckenrennen vor. In Schweden startet er am 3. März zum 30. Mal - und hat die 31 schon im Blick.
Mindestens 1.000 „Schneekilometer“ vor dem Wasalauf sind Pflicht. Ralf Kretschmer aus Nasseböhla bereitet sich im Vorfeld auch bei anderen Langstreckenrennen vor. In Schweden startet er am 3. März zum 30. Mal - und hat die 31 schon im Blick. © Foto: privat

Großenhain. Ralf Kretschmer wirkt äußerst entspannt. Und doch ist dem Sportler aus Nasseböhla bei Großenhain ein bisschen Nervosität anzumerken. Denn am Sonntag erfüllt er sich einen großen Traum. Dann nimmt der 65-Jährige seinen 30. Wasalauf in Folge in Angriff, also jenen Skimarathon über 90 Kilometer in Schweden.

Akribisch hat er sich wie auch in den Vorjahren auf dieses Highlight vorbereitet. Bis ins letzte Detail ist alles durchdacht und geplant. In den Wochen vor der Abreise nach Schweden hat Ralf Kretschmer persönliche Kontakte zu anderen Menschen auf ein Minimum beschränkt. Nichts wäre schlimmer, als sich im letzten Moment noch einen Schnupfen einzufangen. "Man wird mit zunehmendem Alter vorsichtiger", begründet er das.

Gefühlt kann Ralf Kretschmer zu jedem seiner bisherigen 29 Wasaläufe mindestens eine Episode erzählen. "Ich habe kein einziges Mal aufgegeben", sagt er. Seine persönliche Bestzeit schaffte er im Jahr 1998. Kretschmer hat sie auf Anhieb parat. Fünf Stunden, 23 Minuten und 30 Sekunden brauchte er damals für die 90-Kilometer-Distanz. "Da waren Sonderbedingungen", beschreibt er die seinerzeitige Situation.

2005 begleitete ihn erstmals seine Frau Kerstin nach Schweden. Wieder einmal ging es um eine Medaille, die jeder Läufer erhält, wenn er das Limit "Siegerzeit plus 50 Prozent" erfüllt. Es ging sehr knapp zu. "Kerstin hat auf der Zielgeraden gerufen ,Ralf, du schaffst das.' Wenn ich daran denke, bekomme ich noch heute feuchte Augen", gesteht Ralf Kretschmer. Die Medaille holte er sich, insgesamt sechsmal bei 29 Läufen gelang ihm das. Zuletzt 2018, mit fast 60 Jahren.

Im Durchschnitt sechseinhalb Stunden für 90 Kilometer auf Skiern

Gleich in den Anfangsjahren katapultierte sich Kretschmer in die vierte von zehn Startgruppen unter den rund 16.000 Skiläufern aus ganz Europa und auch Übersee. "Im Durchschnitt aller meiner Läufe habe ich sechs Stunden und 31 Minuten gebraucht", rechnet er vor. Bis auf wenige Ausnahmen hat er die vierte Startgruppe behauptet. Bis heute. "Darauf und natürlich die sechs Medaillen bin ich schon sehr stolz", sagt Kretschmer. Seine beste Platzierung schaffte er 2007 - da wurde er im Riesenfeld 2.107.

Rund 16.000 Skiläufer gehen jährlich auf die 90-Kilometer-Distanz zwischen Sälen und Mora auf die Piste. Vor allem am Start wird um jede Position gekämpft. Denn schon recht bald gibt es nur noch acht Spuren.
Rund 16.000 Skiläufer gehen jährlich auf die 90-Kilometer-Distanz zwischen Sälen und Mora auf die Piste. Vor allem am Start wird um jede Position gekämpft. Denn schon recht bald gibt es nur noch acht Spuren. © dpa

Das kommt natürlich nicht von selbst. Hartes Training, aber auch "schöpferische Pausen" gehören ebenso dazu wie zunehmendes Improvisieren. Denn die Schneebedingungen gerade in der Heimat sind mit den Jahren nicht besser geworden. Hinzu kamen vor etwa zehn Jahren Kniebeschwerden beim Joggen, verbunden mit Trainingsausfall.

Ralf Kretschmer entdeckte da das Nordic-Inlineskating und im Nasseböhlaer Umfeld eine dafür geeignete Strecke für sich. 2016 wechselte er auf Ski-Roller. "Das ist in der warmen Jahreszeit neben Nordic Walking in den Straucher Bergen mein Haupttraining", erzählt er. Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten ging es in den letzten Jahren dann zum lockeren Trainingsauftakt in die neue Saison nach Wallgau. Quartier dort ist übrigens das Haus der ersten Trainerin von Ex-Biathlon-Weltmeisterin Magdalena Neuner. "Da gibt es eine sehr schöne Ski-Roller-Strecke", sagt Ralf Kretschmer.

Ab September fährt er dann "die Kurve wieder hoch". Das Training wird intensiver. "Und ab Dezember gibt es keine Gnade mehr." In dieser Saison hatte er Glück: Im Erzgebirge lag im November/Dezember kurzzeitig ausreichend Schnee. Später verlegte er seine Trainingseinheiten mehrfach nach Österreich. "Mein Urlaub richtet sich immer nach der Schneelage", sagt der 65-Jährige und schmunzelt. Dankbar ist er, dass sein Arbeitgeber dafür sehr viel Verständnis zeigt. Mindestens 1.000 „Schneekilometer“ vor dem Wasalauf sind Pflicht.

Der "Vasaloppet" 2021 "hat sich bei mir besonders eingebrannt". Es war das Corona-Jahr. In Sachsen galt die Beschränkung, sich maximal 15 Kilometer vom Wohnort entfernen zu dürfen. Ralf Kretschmer rief im Rostocker Hafen an und erfuhr, dass dort nicht kontrolliert wird. Er reiste Mitte Januar nach einer Dienstreise nicht nach Hause, sondern in die Ostseestadt.

"Als ich auf der Fähre war, ist alles ,abgeplatzt'." Denn die Schweden sahen das Thema Covid lockerer als Deutschland. "Da war es - das Gefühl der Freiheit", erinnert sich Ralf Kretschmer. "Ich hatte für knapp vier Wochen eine Hütte für mich, konnte mich gar nicht anstecken." Auf der Rückreise holte ihn die Realität ein: Er musste gemäß den deutschen Bestimmungen in Quarantäne.

Nächstes Jahr als Zugabe mit personifizierter Startnummer

Dieser 30. Wasalauf ist für den Nasseböhlaer ein ganz besonderer. Denn mit ihm wird Ralf Kretschmer in den "Veteranen-Club" aufsteigen. Was bedeutet: Er darf ab kommendem Jahr mit einer personifizierten Startnummer ins Rennen gehen. "Deshalb wird es dann für mich eine Zugabe geben - sozusagen der Rausschmeißer", sagt er lachend. Und lässt trotzdem offen, ob die 31. Teilnahme wirklich seine letzte sein wird.

Das wäre dann traditionell am ersten Sonntag im März, der 2025 auf den 2. fällt. Am 5. März hat seine Mama Geburtstag. In diesem Jahr wird sie 92, und Ralf wird es gerade so schaffen, noch kurz vorbeizuschauen. "Ich war zu ihrem Geburtstag mehr in Schweden als zu Hause", gesteht er. Und freut sich, dass es in diesem Jahr klappt mit der gemeinsamen Feier. Mit Sicherheit gibt es dort erneut viel zu erzählen - über den 30. Wasalauf eines künftigen "Veteranen", der nach seinem zweiten Rennen 1996 noch bescheiden sagte: "Aller guten Dinge sind drei."

Der Wasalauf und seine Veteranen

- Der Wasalauf ist eine der größten Skilanglaufveranstaltungen der Welt. Er wird am ersten Wochenende im März zwischen den Orten Sälen und Mora über 90 Kilometer in klassischer Technik ausgetragen. Das Rennen wird seit 1922 veranstaltet. In diesem Jahr findet er zum 100. Mal statt.

- Wer 30 Mal teilgenommen hat, steigt in den „Club der Veteranen" auf. 1.214 Skiläufer haben diese „Schallmauer“ erreicht, darunter 19 Frauen.

- Rekordteilnehmer sind drei Schweden, die bereits auf 60 Teilnahmen verweisen können.

- 2019 war Anne-Marie Richardsson die erste Frau mit 40 Rennen.

- 52 Veteranen sind internationale Teilnehmer, davon 25 Norweger und weitere aus acht anderen Nationen.