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"Wie löscht man ein brennendes E-Auto, Herr Nestler?"

Der Kreisbrandmeister ist sich sicher, dass das Thema die Wehren im Meißner Land in Schulung und Ausbildung künftig stark beschäftigen wird.

Von Manfred Müller
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Kreisbrandmeister Ingo Nestler hat für die Feuerwehren eine Handlungsempfehlung für den Umgang mit elektrisch betriebenen Unfallfahrzeugen erarbeitet.
Kreisbrandmeister Ingo Nestler hat für die Feuerwehren eine Handlungsempfehlung für den Umgang mit elektrisch betriebenen Unfallfahrzeugen erarbeitet. © Manfred Müller

Landkreis. Geht es nach Politik und Autoindustrie, werden auf Deutschlands Straßen bald Millionen teilweise oder vollständig elektrisch betriebene Fahrzeuge unterwegs sein. Was bedeutet das für die Feuerwehren, die bei Unfällen zum Einsatz gerufen werden? Die SZ sprach darüber mit Kreisbrandmeister Ingo Nestler.

Was ist anders, wenn die Feuerwehr zu einem Unfall gerufen wird, bei dem ein Elektroauto in Brand geraten ist.

Es kommt darauf an, ob auch die Batterie brennt. Dann braucht man große Mengen an Löschwasser. Vor allem, wenn im betroffenen Fahrzeug ein Lithium-Ionen-Akku verbaut wurde. Hochvoltbatterien sind in der Regel in ein stabiles, wasserdichtes Gehäuse eingesetzt. Ist der Akku nur unwesentlich beschädigt, kann das Wasser zunächst nicht in die brennenden Zellen gelangen. Deshalb muss erst einmal gekühlt werden. Im weiteren Brandverlauf sorgen die hohen Temperaturen im Inneren dann für Öffnungen, durch die das Löschwasser eindringen kann.

Hat es im Landkreis schon Fälle gegeben, in denen Akkubrände gelöscht werden mussten?

Bei einem reinen Elektroauto – soweit ich weiß – noch nicht. Davon sind im Landkreis gerade mal 772 zugelassen, das sind 0,38 Prozent der Fahrzeuge. Aber die mediale Berichterstattung über solche Fälle hat stark zugenommen – auch in Zusammenhang mit dem autonomen Fahren. Deshalb ist die Sache unter Feuerwehrleuten seit längerem ein Thema. Auch unter dem Aspekt: Brauchen wir andere persönliche Schutzausrüstungen?

Und: brauchen wir?

Wir gehen davon aus, dass die herkömmliche Schutzausrüstung ausreicht. Zumal klar geregelt ist, dass man sich dem brennenden Fahrzeug nur mit schwerem Atemschutz nähert. Aber man muss natürlich ein paar spezielle Dinge wissen. Zum Beispiel, wo sich der Stecker befindet, mit dem man das Hochvoltsystem deaktiviert. Oder dass die orangenen Hochvoltleitungen wegen der Gefahr eines Stromschlages nicht zerschnitten werden sollten. Da braucht man Wissen und auch eine gewisse Routine. Das Thema wird uns deshalb in Schulung und Ausbildung in den nächsten Jahren noch stark beschäftigen.

Sollte die Routine nicht heute schon vorhanden sein?

Wir müssen bei der Gefahrenabwägung rational bleiben. Die Wahrscheinlichkeit eines Akku-Vollbrandes ist ziemlich gering. Die Zellen sind voneinander abgeschirmt, und es gibt automatische Abschaltsysteme. Wir hatten uns eigentlich erhofft, dass die europäischen E-Auto-Hersteller in Sachen Gefahrenabwehr auf uns zukommen. Das ist leider nicht eingetreten – mit Ausnahme von VW, wo ich im vorigen Herbst an einem Lehrgang teilnehmen konnte. Aber in der Fläche funktioniert das noch nicht. Ich habe deshalb eine Handlungsempfehlung für Einsätze zusammengestellt, bei denen es um Elektrofahrzeuge und andere alternative Antriebe geht. Dort kann man auf 18 Seiten komprimiert nachlesen, was zu tun ist. Das Papier wird in den nächsten Tagen rausgehen.

Was können die Feuerwehren im Landkreis selbst tun?

Es gibt zu jedem elektrisch betriebenen Fahrzeugtyp im Internet öffentlich zugängliche Rettungskarten. Die Feuerwehren verfügen über Laptops, auf denen sie die Daten speichern und während des Einsatzes abrufen können. Es spricht auch nichts dagegen, mit Autohäusern im eigenen Verantwortungsbereich Kontakt aufzunehmen und sich dort die Elektroautos einmal genauer anzuschauen.

Das Tückische bei Lithium-Ionen-Akkus ist die Gefahr, dass sie sich nach dem eigentlichen Löschvorgang noch längere Zeit wieder entzünden können.

Das stimmt, aber unsere Feuerwehren verfügen weder über die technischen noch die personellen Ressourcen, um stundenlang oder gar tagelang Nachsorge zu betreiben. Deshalb haben wir den Wilsdruffer Abschleppservice Fröhlich als Partner gewonnen. Der verfügt über Bergetechnik, einen Löschcontainer und einen Quarantänestandort, wo Elektrofahrzeuge nach einem Brand sicher gelagert werden können. Der Kontakt ist seit vier Wochen im Leitsystem hinterlegt.