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Haftbefehl nach Gewaltausbruch in Asylbewerber-Heim

Noch ist nicht klar, was zum Gewaltausbruch in der Chemnitzer Unterkunft führte. Ein 17-Jähriger sitzt in U-Haft. Minister Ulbig kündigte Polizeistreifen und Kontrollen in dem Heim an.

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© dpa

Chemnitz. Nach dem Gewaltausbruch in der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Chemnitz ist Haftbefehl gegen einen 17-jährigen Marokkaner erlassen worden. Er gelte als Rädelsführer bei den Auseinandersetzungen unter den Heimbewohnern, bei denen in der Nacht zum Mittwoch 21 Menschen verletzt worden waren, teilte die Polizei am Donnerstag mit. 360 Plätze in dem ohnehin unter Raumnot leidenden Heim sind nach den Vorfällen zunächst nicht mehr verfügbar. Die Bewohner wurden nach Angaben der Landesdirektion auf andere Standorte im Land verteilt - die meisten nach Schneeberg, wo allein rund 240 Asylsuchende vor allem aus Tschetschenien untergekommen seien.

Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat als Konsequenz ein härteres Vorgehen angekündigt. „In der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es fortan Polizeistreifen und anlasslose Kontrollen der Unterkünfte, damit dort die Sicherheit auch für Flüchtlingsfamilien hergestellt wird“, sagte er am Donnerstagabend. Gewalt habe in unserer Gesellschaft nichts zu suchen, das gelte auch für Asylbewerber. „Gerade bei Straftätern müssen die Asylverfahren schnellstmöglich abgeschlossen werden, damit Klarheit herrscht“, betonte Ulbig weiter.

Dem jungen Marokkaner wird Landfriedensbruch im besonders schweren Fall vorgeworfen. Er war bereits am Mittwoch festgenommen worden. Gegen neun weitere Asylbewerber aus Russland, dem Kosovo, Georgien und Nordafrika wird noch ermittelt. Sie sollen alle mehr oder minder stark an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen sein. Die genauen Hintergründe des Gewaltausbruchs waren auch am Donnerstag noch unklar. Zwei Schwerverletzte lagen noch im Krankenhaus.

Polizei-Spezialkräfte hatten die Einrichtung am Mittwoch nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsucht. „Schusswaffen wurden nicht gefunden“, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag.

Wie der Sprecher der Landesdirektion, Marko Schindler, mitteilte, gab es in der Vergangenheit immer wieder Auseinandersetzungen in der Einrichtung. Zwar habe man versucht, die Bewohner nach Ethnien getrennt unterzubringen. Aufgrund der großen Zahl an Asylbewerbern in diesem Jahr sei das aber schwierig gewesen. „Wir sind immer ziemlich an der Kapazitätsgrenze gewesen“, sagte Schindler.

Auch die Polizei berichtete von mehreren Einsätze im vergangenen Vierteljahr wegen Streitigkeiten unter den Bewohnern. Die jüngste Gewalteskalation sei aber der bisher schwerste Vorfall gewesen.

Die sächsischen Grünen warfen der Staatsregierung Untätigkeit vor. „Die schwierigen Zustände in der überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung des Landes sind seit langem bekannt“, erklärte der Landesvorsitzende Volkmar Zschocke. „Obwohl sich seit Jahren abzeichnete, dass die Zahl der Flüchtlinge steigen wird, tut die Staatsregierung viel zu wenig, um die Unterbringungsbedingungen zu verbessern.“

Der Chemnitzer FDP-Stadtrat Wolfgang Lesch sieht ebenfalls die Staatsregierung in der Pflicht und bemängelt das lange Abwarten. „Dass es seitens der Verantwortlichen von Landesdirektion und anderen Behörden erst im Krisenfall nicht nur zum Nachdenken, sondern zum kurzfristigen Handeln kommt, ist aus meiner Sicht viel zu spät“, erklärte er. Die räumliche Enge sorge für Spannungen in dem Heim. „Kleinste Dinge reichen dann aus, um zu solchen Ausschreitungen, durch ein Aufschaukeln unter verschiedenen Gruppen, zu kommen“, so Lesch. (dpa)