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Die Grabtücher Jesu, Krabat und die Lausitz

Was Wolfgang Kraus aus Groß Särchen mit dem europaweiten ökumenischen Verein Penuel e. V. verbindet.

Von Andreas Kirschke
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Wolfgang Kraus ist Architekt und lebt seit 1996 mit seiner Frau auf dem alten Vorwerk in Groß Särchen. Das Foto zeigt ihn vor der Evangelischen Kirche Groß Särchen.
Wolfgang Kraus ist Architekt und lebt seit 1996 mit seiner Frau auf dem alten Vorwerk in Groß Särchen. Das Foto zeigt ihn vor der Evangelischen Kirche Groß Särchen. © Foto: Andreas Kirschke

Groß Särchen. Mutters fester Glaube gab Katholik Wolfgang Kraus stets Halt im Leben. „Vergiss bitte unseren Herrgott nicht. Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Er wird dich immer hören und lieben“, zitiert der 68-jährige Architekt aus Groß Särchen den Rat seiner Mutter aus Kindheitstagen. Als Krankenschwester im Knappschaft-Krankenhaus Essen hat sie im Zweiten Weltkrieg unsägliches Leid gesehen. Sie entfernte sogar bei vielen Bombenangriffen immer wieder Brandsätze vom Dach des Krankenhauses ... Vater war gelernter Maurer und Kolping-Wandergesell. Bei Stalingrad geriet er als Soldat verwundet in Gefangenschaft. „Er kam später nach Armenien“, erzählt Wolfgang Kraus. „In der Gefangenschaft erfror und verhungerte er fast. Beim Versuch, sich Kartoffeln aus einem Lagerfeuer zu holen, ertappten ihn sowjetische Soldaten. Als ihm bei einem Stoß mit dem Gewehrkolben ein kleines Christus-Kreuz aus seiner Tasche fiel, rettete ihm das vermutlich das Leben ...“

In der Rolle der Sagenfigur

Bewegt erzählt Wolfgang Kraus von seinen Eltern. Der in Menden gebürtige Sauerländer lebt seit 1996 mit seiner Frau auf dem alten Vorwerk Groß Särchen. Seit 2000 (im Jahr des Festumzuges zum Jubiläum 626 Jahre Groß Särchen) hat er weit über 2.500 Mal die sorbische Sagenfigur Krabat verkörpert. Für Touristen, Kindergärten, Schulen, Vereine und Feste versetzt er sich in den sagenumwobenen guten Zauberer hinein. Kraus war 1999 Mitgründer des Vereins Krabat Dorfclub & Heimatverein Groß Särchen und gehört ihm noch heute an.

Seit Kurzem engagiert er sich mit im europaweit aktiven Verein „Penuel e. V. Freunde des wahren Antlitzes Jesu Christi.“ Dieser Freundeskreis ist dem Institut für Erforschung und Verbreitung des Vatikans angeschlossen. Der Verein ist ökumenisch ausgerichtet und konfessionsoffen. 197 Mitglieder vor allem aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien und Belgien gehören ihm an. Wolfgang Kraus wirkt im Vorstand als Schriftführer mit. Er und ein Christ aus Annaberg-Buchholz (Erzgebirge) sind bislang die einzigen Mitglieder aus Ostdeutschland. „Zum Verein gehören Pfarrer, Juristen, Architekten, Wissenschaftler, Psychologen und weitere Berufe, Menschen aus allen Schichten. Uns alle verbindet die Gemeinschaft im Glauben, die tiefe Suche nach Gott und seiner Liebe zu uns“, sagt Wolfgang Kraus.

Eine Reliquie der Christenheit

Ziel des Vereins ist unter anderem die Förderung, Unterstützung und Verbreitung der Erkenntnisse und Forschungen über die Grabtücher Jesu. Das Turiner Grabtuch – Darstellung des gekreuzigten Jesu Christi – gilt dabei als kostbarste Reliquie der Christenheit. Vielfältig wurde es bis heute untersucht. Nach Aussagen der Evangelisten (vermerkt in der Bibel unter Matthäus 27, 59, Markus 15, 46, Lukas 23, 52) wurde darin der Leib Jesu umwickelt. Seit 1578 wird das Grabtuch im Turiner Dom aufbewahrt. Der Vatikan hält sich mit einer offiziellen Stellungnahme zurück. Die Forschungen zum Grabtuch sind kontrovers.

Rund 700 Kilometer südlich von Turin, im Städtchen Manoppello in den Abruzzen, ist in der Kirche „Santuario del Volto Santo“ (Heiligtum des heiligen Gesichts) seit dem frühen 17. Jahrhundert das Schweißtuch Christi aufbewahrt. Das „Volto Santo“ zeigt das Abbild Jesu. Es wird dort ähnlich wie das Turiner Grabtuch als ursprüngliches Abbild Christi verehrt.

Außer den genannten Tüchern gibt es weltweit viele weitere Deutungen für Jesu Grabtücher. Im Aachener Dom wird das Lendentuch Jesu verehrt. Drei weitere Reliquien – das Schürztuch, das Grabtuch und das Schweißtuch Jesu – werden seit dem 9. Jahrhundert im nahen Kornelimünster aufbewahrt. Weitere Deutungen der Tücher Jesu sind etwa das Schweißtuch Jesu im Mainzer Dom, das Schweißtuch Jesu in der Kathedrale Oviedo (Spanien) und die „Sainte Coiffe“ (Heilige Haube) Jesu Christi in der Kathedrale Cahor (in Frankreich).

„All diese Deutungen sind spannend. All jene Forschungen und Erkenntnisse sind lesenswert und bewegend. Über die Echtheit diskutiert die Forschung bis heute kontrovers“, sagt Wolfgang Kraus. „Wichtiger als die Echtheit ist die tiefe Symbolik der Menschwerdung Christi, ist unsere Suche als Menschen nach Gott. Das war auch Krabats Streben und Ziel bis ins hohe Alter auf seinem Vorwerk in Groß Särchen.“

Die sorbische Volkssage „Krabat“ hat ein authentisches Fundament. Sie führt auf den kroatischen Leibgardisten Janko Šajatović (1624-1704) aus Žumberak in der Gespanschaft Agram (heutiger Verwaltungsbezirk Zagreb) zurück. „Originaldokumente aus Kroatien, Österreich, Ungarn und Sachsen weisen darauf hin. Janko Šajatović (deutsch: Johann von Schadowitz) hat tatsächlich gelebt, unter vier sächsischen Kurfürsten gedient und in Groß Särchen auf dem Vorwerk nachweislich seinen Lebensabend verbracht. Das Erstaunliche ist: die historischen Quellen und Fakten bestätigen den vielfältigen Sagenstoff der schönsten Lausitzer Sage“, fand der Familiengeschichts- und Erbenforscher Hans-Jürgen Schröter aus Wittichenau in jahrelangen Forschungen heraus.

Blick auf ein bewegtes Leben

Wolfgang Kraus lebt seit 1996 auf eben dem alten Vorwerk Groß Särchen. Mit Schadowitz´ Suche nach Gott bis ins hohe Alter fühlt er sich stark verbunden. Sie erinnert ihn an sein eigenes bewegtes Leben. „Ich bin in einem sehr christlichen Umfeld aufgewachsen“, erzählt der Groß Särchener über seine Heimat Menden-Lendringsen. Frühzeitig war er in der katholischen Pfarrgemeinde St. Josef Messdiener und Jungschärler. Später übernahm er Verantwortung im Leitungsteam der Katholischen Jungen Gemeinde. Er organisierte mit anderen Rüstzeiten, Konzerte und Beat-Abende. Für Pater in Mission sammelte er jährlich Gelder.

Im Pfarrgemeinderat engagierte er sich mit für die Jugendarbeit, ebenso als Lektor für Gottesdienste und als Eucharistiehelfer. Im Kirchenvorstand brachte er sich später in den Bereichen Bau und Finanzen ein. Um der Liebe Willen zog Wolfgang Kraus in die Lausitz, zunächst nach Cottbus und später mit seiner Lebensgefährtin 1996 nach Groß Särchen. Seit 2003 ist er (als Darsteller der Sagenfigur Krabat) Botschafter der Oberlausitz. Immer wieder erzählt er in Begegnungen von der historisch verbürgten Person des Johann von Schadowitz, aus der die Sage hervorging. „Den Sinn seines gesamten, sehr bewegten und aufregenden Lebens sah Schadowitz darin, Gott den Herrn zu suchen. Darin sah er seine wahre Bestimmung“, sagt Wolfgang Kraus.

Vereins-Treffen in der Lausitz

Eines Tages las er vom europaweit aktiven Verein Penuel. Die Geschichte der Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello faszinierten ihn. So fand er Zugang zum Freundeskreis „Penuel“. Bei Treffen mit den Mitgliedern erzählte er von seiner neuen Heimat im Osten, von Johann von Schadowitz, von der sorbischen Volkssage Krabat, von Ostern in der Lausitz, von den Osterreitern. Das stieß auf großes Interesse, auf Begeisterung. So beschloss man: die Jahreshauptversammlung 2021 des Vereins soll in der Lausitz stattfinden.

Corona-bedingt wird das nicht zu Ostern sein. Geplant ist jetzt der 13. bis 15. August. Wolfgang Kraus koordiniert vor Ort mit Unterstützung durch den Vorstand die Vorbereitungen. Eine Ausstellung über die Grabtücher von Turin und Manoppello soll stattfinden. Inhalte sollen ebenfalls Vorträge, Lesungen und Exkursionen sein. Mit einbinden will Wolfgang Kraus die deutschen und sorbischen Christen. Ganz besonders hofft er auf die Unterstützung seiner katholischen Heimat-Pfarrgemeinde in Wittichenau und im Krabatdorf Groß Särchen. „Um Vertiefung und Gemeinschaft im Glauben geht es uns“, unterstreicht er. „Es geht um die Suche nach Gott. Wir wollen auf diesem Weg Mitstreiter gewinnen.“

Vertiefende Informationen zum Verein Penuel finden Interessierte im Internet unter www.antlitz-christi.de.