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Die Motivation hinter den Demonstrationen

Der Autokorso und eine Plakataktion treffen nun regelmäßig aufeinander. Was bewegt die Teilnehmenden?

Von Juliane Mietzsch
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Seit Mitte Februar ist am Freitagabend regelmäßig ein Autokonvoi in der Stadt unterwegs. Die Fahrer machen so ihren Unmut gegen Maßnahmen im Zuge der Pandemie deutlich.
Seit Mitte Februar ist am Freitagabend regelmäßig ein Autokonvoi in der Stadt unterwegs. Die Fahrer machen so ihren Unmut gegen Maßnahmen im Zuge der Pandemie deutlich. © Foto: Gernot Menzel

Hoyerswerda. Am 12. Februar setzte sich erstmals ein Konvoi aus knapp fünfzig Fahrzeugen in Bewegung. Etwa 90 Personen folgten damit einem Aufruf der Landtagsabgeordneten Doreen Schwietzer, die im Herbst 2019 für die AfD das Direktmandat im Wahlkreis Bautzen 4 holte, dem auch Hoyerswerda angehört.

Die Politikerin sagt, dass ihr die Idee spontan kam und klar war, „wir müssen irgendwas machen“. Damit meint sie konkret die Mobilmachung gegen die Maßnahmen, die zur Einschränkung der Pandemie ergriffen wurden. Ende Januar waren Schulschließungen noch ein Thema sowie die veränderte Dauer der Winterferien in Sachsen.

In anderen Städten waren schon ähnliche Bewegungen zu beobachten. Kurzfristig wurde die Aktion für den Freitagabend angemeldet und bekannt gemacht. „Ich habe gestaunt über die Menge der Autos“, so die gebürtige Cottbuserin. Nach drei Wochen wurde der Startpunkt von dem Parkplatz in der Bonhoefferstraße auf jenen am Festplatz am Gondelteich verlegt. Ende Februar waren laut Angaben der Polizei 160 Fahrzeuge beteiligt. So viele waren es seitdem nicht mehr. Seit April sind es stets weniger als hundert Autos, die in verringerter Geschwindigkeit eine festgelegte Route durch die Stadt fahren. Begleitet wird das Ganze von Hupgeräuschen. „Ein stiller Autokorso macht keinen Sinn“, meint Doreen Schwietzer dazu. Anwohner zeigten sich teilweise von der Geräuschkulisse gestört. Was für gewöhnlich als eine Ordnungswidrigkeit zählt, ist nach Aussage der Polizeidirektion Görlitz im Rahmen dieser Versammlung erlaubt: „Der Einsatz der Hupe ist nach einschlägigen Urteilen im Rahmen von Versammlungen zulässig, um die notwendige Aufmerksamkeit zu erreichen.“

Gegenprotest mit Plakaten

Nach elf Autokorsos, die mal unter dem Slogan „Für unsere Freiheit“ oder auch „Lockdown beenden“ liefen, formierte sich eine Gegenveranstaltung. Unter dem Namen der Initiative Zivilcourage waren nun einen Monat lang Personen mit Plakaten entlang der Bautzener Allee gegenüber des Lausitzer Platzes zu sehen. Die Leitung des Ganzen hat der evangelische Pfarrer Jörg Michel übernommen. Bei einer Sitzung wurde überlegt, wie eine Aktion aussehen könnte. Mit einer Gruppe Jugendlicher ist das Ganze konkreter geworden. Sprüche wurden gesammelt und Favoriten ausgewählt. Ein ironischer Ton sollte angeschlagen werden und eine überschaubare Anzahl von zehn Sätzen wurde schließlich auf Plakaten festgehalten. Seitdem ist so etwas zu lesen, wie „Hupe, wenn du aus Versehen hier bist!“ oder auch „Hupe, wenn du nie wieder ohne Maske willst!“ Ebenso kommen die AfD, die Erde als Scheibe und lila Kühe vor. „Als Signal und Zeichen ist es ausreichend“, fast der Pfarrer zusammen. Eine Wirkung bei den Autofahrern ist, seiner Meinung nach, sichtbar. Einige fühlen sich motiviert, die Hupe besonders oft zu drücken. Die Polizei ist auch hier vertreten und weist darauf hin, dass man sich bei Störungen an sie wenden kann. An zwei Abenden folgten Anzeigen, weil es zu Beleidigungen aus Autos heraus kam. Beide Seiten verdeutlichen, dass sie sich nicht provozieren lassen wollen. Doreen Schwietzer zweifelt an, ob die Provokation nicht andersherum zustande kam. Anzeigen von Autofahrern wurden, laut der Polizei, jedoch bisher nicht aufgenommen.

„Ich kann die Kritik an den Maßnahmen verstehen“, sagt der Schüler Laurens, aber es sei doch für einen guten Zweck, versucht er zu verdeutlichen – das Retten von Leben. Dass Kinder in den mitfahrenden Autos zu sehen sind, bedauert er. Der 19-jährige Eric sieht bei dem Korso „zu viel Nähe zu Verschwörungstheorien und solchen Kreisen“. Der Student äußert die Sorge einer Radikalisierung. „Es fängt mit kleinen Schritten an.“ Eine Altstädterin wünscht sich, dass sich bald mehr Menschen an dem Gegenprotest beteiligen und „Farbe bekennen“. „Es gibt eigentlich eine vernünftigere Mehrheit“, ist ihre Hoffnung. Franziska Jarisch möchte vor allem zeigen, dass es noch andere Stimmen in der Stadt gibt. „Hoyerswerda ist mehr als das.“

Der Versuch, Gehör zu finden

Für Doreen Schwietzer bedeutet die Mitfahrt einen Widerstand: „Wir sind nicht mit der Situation einverstanden.“ Sie vermutet, dass dieser Protest durchaus im Landtag wahrgenommen wird. Eine entsprechende Sternfahrt nach Dresden gab es Mitte März. Adressat der Aktion sind ihrer Aussage nach die Landesregierung, der Landrat und letztendlich auch der Oberbürgermeister. Sie wünscht sich, „dass andere Maßnahmen für die Stadt gefunden werden“. Nach der Versammlung hat sie regelmäßig Redebedarf wahrgenommen. Doch schon vor der Abfahrt gibt es viele Gespräche. Rowitha Gemsa aus Laubusch versucht, so oft wie möglich dabei zu sein, äußert Bedenken in Bezug auf die Impfungen und mögliche schädliche Folgen. „Mit dem Impfen der Kinder bin ich nicht einverstanden“, sagt sie und denkt an ihre Enkel. Sie montiert Deutschlandfahnen am Auto, bevor es losgeht. Zwei Männer aus Burgneudorf und Burghammer beschäftigen viele verschiedene Themen. Sie wollen gehört und wahrgenommen werden. Da kommen der Klimawandel, der Kohleausstieg und die Diskussionskultur im Bundestag zur Sprache. Reinhard Pötzsch lässt regelmäßig gegen die Grippe impfen, aber möchte sich definitiv nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Die 33-jährige Karina fährt wegen ihrer Tochter beim Korso mit. Sie schätzt die Situation als sehr schwierig für Kinder ein. „Ich kann das als Elternteil nicht mehr auffangen.“ Mehr Augenmerk auf schwache Gruppen würde sie sich wünschen – Kinder und Alte. Sie findet schade, dass augenscheinlich nur die AfD beteiligt ist. „Es geht nicht um links oder rechts, sondern um Menschenleben.“