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Einzelhandelskonzept, die Zweite

Hoyerswerdas Stadtrat will in der Debatte um neuen großflächigen Handel die Meinung weiterer Gutachter einholen lassen.

Von Mirko Kolodziej
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© Symbolfoto: Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Klares Auskunftsersuchen am Dienstag in der Einwohnerfragestunde des Hoyerswerdaer Stadtrates: „Herr Stadtrat Hirche hat sich am 21.2. öffentlich als Initiator und Lobbyist von Aldi & Co. für die Kühnichter Heide geoutet. Meine Frage an Herrn Hirche: Was bekommen Sie dafür?“, wollte Hans-Georg Richter wissen. Denn vorige Woche hatte der Angesprochene bei der Einwohnerversammlung zum Einzelhandels- und Zentrenkonzept berichtet, Ausgangspunkt für die Idee, im WK IX neben Wohnbebauung neuen großflächigen Einzelhandel anzusiedeln, sei die Frage von Aldi an ihn nach Ersatz für den derzeitigen Markt-Standort im Lausitz-Center gewesen.

Hirches Antwort: „Mehrere Eingaben gegen mich, mehrere Unterstellungen – so unter anderem auch diese. [...] Ich bin weder ein Lobbyist, Lobbyisten werden anders bezahlt und dann wäre ich nicht hier.“

Weil das Einzelhandelskonzept aus dem Büro Lademann & Partner für Kritiker sehr nach Gefälligkeitsgutachten riecht, hatte die AfD-Fraktion einen Antrag eingereicht, ein zweites erstellen zu lassen. Vorgeschlagen wurden ein Dortmunder Büro und die Finanzierung durch Dritte. SPD, Linke, Freie Wähler sowie die Fraktion Aktives Hoyerswerda / Bündnis 90 – Die Grünen legten freilich einen weiterführenden Antrag vor, der schließlich bei Enthaltung durch die CDU auch angenommen wurde.

Demnach sollen aus dem Rat heraus nun Auswahl- und Zuschlagskriterien erstellt werden und dann eine Ausschreibung folgen. Die Finanzierung muss aus rechtlichen Gründen über den städtischen Haushalt laufen. Wenn dann jemand für das Gutachten spenden möchte, müssten solche Zuwendungen wie üblich vom Stadtrat genehmigt werden. „Wir wollen mit der Ausschreibung sicherstellen, später nicht sagen zu lassen: Naja, es ist klar; jetzt hat die andere Seite einen Gutachter benannt. Wer weiß, wie der wieder ausgerichtet ist“, begründete SPD-Fraktionschef Uwe Blazejczyk. Frank Hirche kritisierte, dass zur Finanzierung eingesparte Mittel aus dem Haushalt 2023/24 verwendet werden sollen, während Ralf Zeidler von den Freien Wählern daran erinnerte, dass seine Fraktion schon im Dezember einen ähnlichen Vorstoß unternommen hatte: „Dort haben alle anderen Fraktionen mehrheitlich dagegen gestimmt.“ Christian Bormann (Aktives Hoyerswerda) sagte, in den letzten Wochen und Monaten sei viel Porzellan zerschlagen worden: „Viel Vertrauen ist verloren gegangen in das Verfahren, so wie wir es geführt haben. Und ich denke, wir können hier einen großen Schritt tun, das Vertrauen zurückzugewinnen.“

In Folge des Beschlusses wurde am Dienstag eine weitere, zunächst geplante Entscheidung von der Tagesordnung genommen. Vorgesehen war eigentlich, eine Änderung des Flächennutzungsplans für das Karree Spremberger Chaussee, Stauffenberg-, Herrmann-, Scharnhorststraße auf den Weg zu bringen. Handelt es sich nach wie vor planerisch um ein Gebiet zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft, sollte eine sogenannte Sonderbaufläche daraus werden. Doch Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD) sagte, das würde aktuell mit der Entscheidung für eine zweite Gutachter-Meinung keinen Sinn ergeben. Antje Naumann (Bündnis 90 / Die Grünen) bezog sich am Ende der Sitzung noch einmal auf dieses Gebiet beziehungsweise die dort vor zwei Jahren sowie im Nachgang ein zweites Mal im vergangenen Jahr erfolgten Baumfällungen: „Ich bitte Sie darum, uns zuzuarbeiten, wie die Ersatzpflanzungen aussehen laut Bescheid und dann einen Bericht, wann und wo wie viele Bäume wurden durch die Eigentümer gepflanzt.“

Mit den Entwicklungen vom Dienstagabend, sagt Ruban-Zeh, habe sich auch die Sondersitzung des Stadtrates erledigt, bei der eigentlich am 12. März über das Lademann-und-Partner-Konzept entschieden werden sollte. Das Stadtoberhaupt schätzt ein, dass es einige Monate dauern kann, bis die zweite Meinung vorliegt. Da Anfang Juni schon ein neuer Stadtrat gewählt werden wird und der aktuelle sich Ende Juni letztmals zu einer regulären Sitzung treffen soll, ist unwahrscheinlich, dass er noch in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung darüber entscheiden wird, wie es dann mit den zwei Konzepten weitergeht. Die erste Sitzung des neuen Stadtrates ist für den 27. August terminiert.

Es war Architekt und Denkmalschützer Peter Biernath aus dem WK VIII, der am Dienstag im Neuen Rathaus im Zusammenhang mit der Debatte einen Wunsch vortrug: „Wir brauchen nicht nur den Aufstand der Nachdenkenden, sondern endlich auch das Handeln der Zuständigen.“

Was bisher geschah ...

Februar 2022: Baumfällungen im Bereich Stauffenberg-, Herrmann-, Scharnhorststraße, Spremberger Chausseep

April 2022: Stadtrat hebt mit 19:6 Stimmen das Einzelhandels- und Zentrenkonzept aus dem Jahr 2008 auf

September 2022: Stadtrat beschließt mit 23:2 Stimmen den Verkauf von vier Hektar Fläche an eine GEG Burgdorf XII GmbH

Oktober 2022: Stadtrat beschließt mit 21:2 Stimmen Aufstellung eines Bebauungsplans „Neue Kühnichter Heide“

November 2022: Halsdorfer & Ingenieure stellt erstmals öffentlich Details zum Vorhaben „Neue Kühnichter Heide“ vor

März 2023: Bebauungsplanentwurf wird vorgelegt, Billigung mit 24:4 Stimmen

Mai 2023: im Rathaus sind 27 überwiegend kritische Einwendungen zum Bebauungsplanentwurf eingegangen, das Land Sachsen verlangt dabei ein neues Einzelhandels- und Zentrenkonzept

November 2023: Stadt kündigt an, die B-Planung zweizuteilen – einmal Einzelhandel, einmal Misch(Wohn)gebiet; der B-Plan-Entwurf „Scharnhorststraße“ wird mit 21:5 Stimmen gebilligt

Dezember 2023: Endfassung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes aus dem Büro Lademann & Partner liegt vor