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Vom ersten bis fast zum letzten Tag

Solange hat die Lehrerin Martina Janze die Schule Am Adler in Klein Neida begleitet.

Von Mirko Kolodziej
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Martina Janze in dem Klassenraum, in dem sie 1985 ihre erste Klasse am Adler übernahm. Es hat sich natürlich einiges geändert.
Martina Janze in dem Klassenraum, in dem sie 1985 ihre erste Klasse am Adler übernahm. Es hat sich natürlich einiges geändert. © Foto: Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Etwas Tarnung war erforderlich. Martina Janze wollte keine große Verabschiedung. Aber bei all den Jahren, in denen sie Mädchen und Jungen die sorbische Sprache und damit auch die sorbische Kultur nahegebracht hat, sollte es am letzten Schultag schon einen kleinen Verweis darauf geben. Ein Kind sollte die Hoyerswerdaer Tracht tragen, ein anderes die katholische Tracht. Und weil die Kleidungsstücke sich bekanntlich nicht überwerfen lassen wie ein Cape, war ein Test nötig. „Wir haben extra eine Lesenacht angesetzt“, sagt Petra Schenk, die Leiterin der Handrij-Zejler-Grundschule Am Adler in Hoyerswerda.

Zusätzlich lud die Direktorin auch noch die Zeitung ein. Erstens sind 45 Unterrichtsjahre schließlich kein Pappenstiel, zweitens war Martina Janze bisher Petra Schenks Stellvertreterin. Und im Schulwesen sind es nun einmal die zweiten Frauen und Männer hinter den Chefinnen und Chefs, die sich um alles Organisatorische kümmern. „Es sind so viele Kleinigkeiten, die den Schulalltag ausmachen. Und da war sie einfach ein Fels in der Brandung“, sagt Petra Schenk über die Neu-Ruheständlerin.

Die Adler-Schule steht den Plänen der Stadt zufolge vor ihrem letzten Schuljahr. Für den Umzug wird seit geraumer Zeit die bisherige Stadtrand-Oberschule umgebaut. Wahrscheinlich wird das Schulhaus in der Dresdener Straße dann abgerissen. Martina Janze kennt es, seit es ein Rohbau war. Die Polytechnische Oberschule in Klein Neida wurde 1985 eingeweiht, bekam zunächst den Namen des sorbischen Bergmanns Gustav Mertin. Und weil sie damals schon vorwiegend für die Kinder aus dem auch sorbischsprachigen Umland gedacht war, wurde Martina Janze angeheuert.

Sie selbst ist mit der Sprache aufgewachsen, obwohl sie in der Kindheit eher verstehen als sprechen konnte: Die Großmutter sprach Sorbisch. Martina Janze ging in Kotten zur Schule, wo Pädagogin Fräulein Kube sie beeindruckte. „Ich werde Lehrerin“, lautete der frühe Entschluss. Noch früher stand fest, dass der Beruf unbedingt mit Kindern zu tun haben sollte.

Anfang der 1970er war es wie heute: Sorbisch-Lehrerinnen und -Lehrer waren Mangelware, Goldstaub. So kam Martina Janze ans Sorbische Institut in Bautzen, lernte die Sprache von Grund auf. Ein Praktikum führte in die Schule in Rohne und 1976 befand sich die erste Arbeitsstelle im Hoyerswerdaer WK V. Dort stand die damalige POS Handrij Zejler. Martina Janze unterrichtete bis zur sechsten Klasse Sorbisch und arbeitete parallel als Hortnerin, später als Hortleiterin. Von dort holte man sie 1985 in die neue Neidaer Schule.

Damals war noch nicht abzusehen, dass diese einmal ebenfalls Handrij Zejler heißen würde. Als 2001 die zur Grundschule umfunktionierte Einrichtung im WK V schloss, wanderte der Name des sorbischen Dichters an den Adler. Und bald wird er an den Stadtrand umziehen.

Zwischenzeitlich war Martina Janze auch noch einige Jahre Pendlerin. 2002 brauchte das Schulamt sie als stellvertretende Schulleiterin an der Melanchthon-Grundschule in Görlitz. Ein Umzug kam jedoch nie in Frage und als 2008 der Stellvertreter-Posten in Klein Neida frei wurde, bewarb sich die Pädagogin und kehrte an die frühere Wirkungsstätte zurück. „Es war eigentlich an jeder Schule schön“, sagt sie. Die letzten drei Jahre seien aber die schönsten gewesen. Die Zusammenarbeit mit Petra Schenk, die 2018 als Schulleiterin an den Adler kam, lief in bestem Einvernehmen und reibungslos. Ihre Nachfolgerin Anja Lippitsch hat Martina Janze freilich schon eingearbeitet.

„Du kennst jeden Garderobenhaken“, schrieb ihre Kollegin Ines Kirstein ihr in ein Abschiedsgedicht. Dessen Titel lautet: „Die gute Seele der Schule“. Und so ist es verständlich, dass wie bei so vielen Ruhestands-Abschieden ein lachendes und ein weinendes Auge eine Rolle spielen. „Die Kinder und die Kollegen“, sagt Martina Janze, wenn man sie fragt, was ihr nun wohl am meisten fehlen wird. Wahrscheinlich wird sie wohl auch noch eine ganze Weile pünktlich um 5.45 Uhr aufwachen. Aber sie weiß auch: „Jetzt beginnt eine neue Zeit.“ Ihr Mann Norbert Janze, ebenfalls Lehrer, ist schon Rentner. Außerdem warten Bücher und der Garten. Im Zweifel ist Martina Janze aber nicht weit. Wer weiß, wozu der Schulumzug Gelegenheit bietet: „Ich helfe auch beim Packen“, sagt sie. Schließlich wohnt sie keine drei Straßen von ihrer alten Schule entfernt.

Der vorige Freitag war der letzte Schultag und der letzte Arbeitstag von Martina Janze. Beim Schulfest ist die Pädagogin verabschiedet worden.
Der vorige Freitag war der letzte Schultag und der letzte Arbeitstag von Martina Janze. Beim Schulfest ist die Pädagogin verabschiedet worden. © Foto: Adler-Schule / S. Wenke